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Auf neuen Wegen ins Herz von Asien

Ein Reise-Vorbericht

von Norbert Lüdtke, zuerst erschienen im TROTTER 1999

Reisen und lesen – diese beiden Leidenschaften verbinden sich hier zu einem Bericht der besonderen Art. Auf der von uns geplanten Reiseroute sind schon viele gewandert und manche haben ihre Reise in Büchern beschrieben. Viele dieser Bücher fanden sich in meinem Archiv und was lag näher, als in Gedanken und Phantasien schon einmal vorauszureisen? Dieser Reisevorbericht verflicht entlang unserer geplanten Reiseroute bekannte und unbekannte, aber jedenfalls authentische Berichte früherer Reisender und deutet so ein Stück Reisegeschichte an.

Teil 1: Auf dem Weg in den Iran

Auf dem Gebiet des heutigen Iran sind seit Äonen Kulturen entstanden und vergangen. Josef Wiesehöfer beschreibt »Das frühe Persien. Geschichte eines antiken Weltreiches« komprimiert und gut lesbar dar (Beck, München 1999). »Die iranische Welt vor Mohammed« erläutert Burchard Brentjes anhand archäologischer Funde auf 123 Bildtafeln (Koehler & Amelang, Leipzig 1967).
Doch den unwirtlichen Wüsten und Gebirgen trotzten Reisende nicht erst seit Herodot oder Alexander dem Großen, der bis ins Industal gelangte. Die Berichte deutscher Persienreisender aus dem 17. bis 19. Jahrhundert stellte Herbert Scurla zusammen in »Im Reich des Königs der Könige« (Verlag der Nation, Berlin 1977) und begibt sich auf die Spuren von Adam Olearius, Engelbert Kaempfer, Carsten Niebuhr und Heinrich Brugsch.
Letzterer schildert die »Reise der Königlich-preussischen Gesandtschaft nach Persien 1860 und 1861« in zwei dicken Bänden mit zahlreichen Holzschnitten und Lithochromieen, vergißt aber auch nicht medizinische Ratschläge für den Reisenden in 23 Regeln: »Früchte sind im ersten Jahr [!] des Aufenthalts mäßig zu genießen … Obst nach der Mahlzeit wird nicht vertragen … Ist der Körper durch Bewegung erhitzt, darf Wasser nicht getrunken, auch nicht gebadet werden. Sonst ist Fieber unvermeidlich.«
»Zu Land nach Indien durch Persien, Seistan, Belutschistan« will Sven Hedin 1905/06: »Aber ich vermeide absichtlich die Wege, die der Fuß anderer betreten hat. Und das ist heutzutage gar nicht so leicht, denn Persien ist nach allen Richtungn hin schon von Europäern durchquert worden.« (2 Bde., F.A. Brockhaus, Leipzig 1910) Viele Abschnitte von Hedins Route decken sich mit unserem Weg, auch er kommt vom Schwarzen Meer über Erzurum und Täbris, über Teheran und Mesched, selbst Buchara und Samarkand lagen auf seinem Weg, abseits des Weges nach Indien. Die mehr als 300 Aufnahmen erlauben es, Landschaft, Dörfer und Menschen mit 90 Jahren Abstand zu betrachten und zu vergleichen.
Wenige Jahre nach dem Ende des ersten Weltkriegs öffnen sich die Grenzen wieder für deutsche Reisende und ab Mitte der zwanziger Jahre ist die Tour durch Persien auch für Individualreisende kein unmögliches Unternehmen. Kurt Faber wandert »Mit dem Rucksack nach Indien« (Wunderlich, Tübingen 1927). An der persischen Grenze schallt ihm ein „Wer da?“ entgegen – auf deutsch! Heinrich Schmelzle aus Katharinenfeld versieht zu dieser Zeit den Grenzdienst und erzählt von deutsche Rucksackreisenden: „Immer von Zeit zu Zeit kommt so einer über die Grenze. Sogar die Perser auf der Wache haben von ihnen schon Deutsch gelernt.“ Nach Persien reiste Max Kirsch bereits um 1924 und beschrieb seine Tour »Im Lastkraftwagen von Berlin nach Ispahan. Deutsches Nachkriegserleben im Orient« (Koehler, Berlin 1927). Über Wien, Budapest, Belgrad, Konstantinopel, mit dem Schiff nach Samsun und quer durch Kurdistan nach Mosul fuhr er mit einem N.A.G. Kraftwagen. Dort hatte er sich mit der von Indien kommenden Annemarie von Nathusius verabredet, die ebenfalls ein Buch über die Reise schreibt: »Im Auto durch Persien« (C. Reissner, Dresden 1926). C.Z. Klötzel begibt sich auf »Die Straße der Zehntausend. Mit der Schmude-Expedition nach Persien« (Enoch, Hamburg 1925). Der Expeditionsleiter lockte Landwirte und Techniker mit der Aussicht auf eine goldene Zukunft nach Persien, die Expedition endete aber mit einem wirtschaftlichen Fiasko für alle Beteiligten. Sie alle haben vielleicht E.A. Powell getroffen, der ebenfalls unterwegs war »Mit Auto und Kamel zum Pfauenthron« (Vowinckel, Berlin 1924). Der britische Stabschef in Konstantinopel ermutigte ihn nicht: »Natürlich können Sie wohlbehalten durchkommen … aber wir können für Ihre Sicherheit nicht garantieren. Alles, was wir versprechen können, ist, daß wir für den Fall Ihrer Gefangennahme durch die Beduinen ein paar Flieger aussenden und das Bettelpack ordentlich mit Bomben bewerfen, bis sie euch laufen lassen.«

Teil 2: Durchs wilde Turkestan

»Zahlreiche Forscher und Jäger durchziehen Jahr für Jahr die Länder Afrikas, Australiens, Südamerikas und die Inseln der Südsee, während Zentralasien so gut wie unbekannt ist.« So schrieb Gustav Krist noch 1937 in »Allein durchs verbotene Land« (Wien: Schroll). – Was zentral ist, kennt jeder?
Im russischen Sprachgebrauch wird das Gebiet als Mittelasien bezeichnet. Geographisch bezeichnet es eine von Gebirgen und Wüsten umgebene Region, deren Flüsse in abflußlose Seen münden: Aralsee, Isyk-Kul, Kaspisches Meer – die Reste eines früheren zentralasiatischen Meeres.
Buchara und Samarkand, Kara Kum und Kysyl Kum – die Namen scheinen eher Tolkiens »Herrn der Ringe« zu entstammen als einer ehemaligen Sowjetprovinz. Von hier aus herrschten Dschingis Khan und Tamerlan (auch Timur genannt) über ein Reich, das sich von Istanbul bis Peking, von Moskau bis Delhi erstreckte.
Hier bündelten sich über Jahrtausende alle wichtigen Landwege zwischen Europa, Asien und Afrika. Doch so offen dieses Gebiet für den Handel war, für die Kaufleute und Karawanen aus Asien, so sehr schloß es sich ab gegen Reisende aus dem Westen. Marco Polo war im 13. Jahrhundert am Hofe Tamerlans, und hundert Jahre später ein spanischer Diplomat, Clavigo, und wieder 200 Jahre später ein englischer Kaufmann, Jenkinson, dann verstrichen erneut 200 Jahre bis Colonel Harber 1732 und der Kaufmann Thompson 1741 den Weg hierher finden.
Im 19. Jahrhundert häufen sich die (unerwünschten) Besuche der Europäer. Von Norden rückten die Grenzen des sich ausdehnenden russischen Zarenreiches näher, von Süden die Einflußzonen des britischen Kolonialreiches. Da lag der Verdacht nahe, daß Besucher nicht nur Gäste sind, sondern Vorboten, Schnüffler, Agenten, Spione. Was so falsch gar nicht war. Doch der Khan von Buchara scheint in besonderem Maße affektiv gesteuert worden zu sein, wechselten doch bei ihm etliche Reisende ständig zwischen Folterkammer und Diwan; die meisten verloren schließlich den Kopf. Auf eigene Faust reiste Hermann Vámbéry 1863 von Teheran nach Transoxanien, das Land zwischen den Strömen Amu-Darja und Syr-Darja (früher: Oxus und Jaxartes), verkleidet als bettelnder Derwisch: »Man nannte mich Reschid Effendi« (Leipzig: F.A. Brockhaus 1990). Als 16jähriger sprach Vámbéry bereits fünf Sprachen. Es kamen dann noch etliche hinzu, denn er suchte die Wurzeln der Ungarn in Mittelasien auf sprachlichem Wege.

Während die westlichen Kolonialmächte über die Meere zu neuen Ländern strebten, suchte Rußland über die Länder nach neuen Meeren. Zwischen 1842 und 1895 wurde Mittelasien Stück für Stück russisch – doch noch um 1890 kaufte Rußland eine ganze Reihe seiner Staatsbürger aus bucharischer Sklaverei los. 1873 steckten Väterchen Zar und die englische Königin ihre Interessengebiete ab und einigten sich auf den Amu-Darja als »Grenze«. Um diese Zeit etwa durften und konnten russische Forscher nach Zentralasien vorstoßen. Ab 1880 wurde die Transkaspische, ab 1891 die Transsibirische Eisenbahn gebaut. 1906 erreichte Sven Hedin Buchara und Samarkand von Süden aus und überschritt den Amu-Darja. Im ersten Weltkrieg kämpften österreichische Soldaten in Zentralasien, auch Krist (siehe oben). Und immer noch, bis 1920, war die Einreise fast jedem Europäer verwehrt, es kamen die Rote Armee und mit ihr die Sowjetkommissare. Auch die neuen Machthaber wünschten keine Besucher.

Zwischen Amu-Darja und Kaspischem Meer erstreckt sich die Kara-Kum, die »Schwarze« oder »Schreckliche« Wüste, die von drei Expeditionen zwischen 1925 und 1929 erkundet wurde. Als Teilnehmer berichtet A.E. Fersman in »Meine Reisen« (Berlin: Neues Leben 1952). »Die indischen Wüsten sind nichts im Vergleich zu den grenzenlosen Sandmeer der Kara-Kum – ich kann mir kein Bild vorstellen, das mehr Bangen und Furch einflößt als diese Wüste.« (Burnes, 1831-32). Zu dieser Zeit fährt Emil Trinkler bereits mit der Bahn von Moskau über Taschkent nach Samarkand und Merw, er ist auf dem Weg »Quer durch Afghanistan nach Indien« (Berlin: Oestergaard 1927).
Viele dieser abenteuerlichen Versuche europäischer Reisender – ihn selbst eingeschlossen – in diesen Teil Asiens zu gelangen, faßt Fitzroy MacLean 1958 zusammen in Fahrten und Abenteuer im Herzen Asiens (Wien: Ullstein).

Und was kam nach dem Zweiten Weltkrieg? Unsere Brüder und Schwestern aus der ehemaligen Tätärä erkämpften sich schon mal die Möglichkeit hierher zu reisen. Die einen, weil sie halblegale Schleichwege kannten, die anderen, weil sie an offiziellen Exkursionen und Expeditionen teilnehmen durften. »Abseits der großen Straßen« (Berlin: Verlag der Nation 1970) bewegt sich Klaus Hemmo und findet zahlreiche Zeugnisse der segensreichen Wirkungen kommunistischer Ingenieure. Von archäologischen Erkundungen berichten Georg Renner und Christa Selic in »Abseits der großen Minarette. Reisen in das Land zwischen Amu- und Syrdarja« (Leipzig: VEB F.A. Brockhaus 1982). Reisen bedurften in der DDR stets eines guten sozialistischen Grundes; die individuelle Reiselust mußte sich zwischen den Zeilen verstecken. »Bergsteiger aus der Deutschen Demokratischen Republik auf den Hochgipfeln des Pamirs – gewiß keine alltägliche Sache … wird jedoch in unserem Lande stets nur einem relativ kleinen Kreis befähigter und ausgewählter Bergsteiger möglich sein« (Krause, Jensen, Rump: Pamir – zwei Handbreit unterm Himmel, Berlin: Sportverlag 1977).
Mit diesen seit Jahrzehnten ersten Berichten ostdeutscher Reisender deuteten sich vorsichtige Öffnungen an. Über Intourist konnte man etwa ab Mitte der siebziger Jahre nach Samarkand, Buchara, Taschkent, Chiwa und Fergana reisen; Kohlhammer reagierte 1978 vorsichtig mit einem Reiseführer über »Sibirien und Zentralasien«, alles zusammen auf 164 Seiten! Zur gleichen Zeit erschien ein Führer von Prestel über »Turkestan, Taschkent, Buchara, Samarkand«.
Der Zerfall der Sowjetunion kündigte sich bereits vor 1989 an und wühlte die Region lange auf; in Tadschikistan ist es bis heute unruhig. Ab 1990 konnte man auf den Jahrestreffen der dzg ungläubig und staunend den Berichten unserer neuen Mitglieder aus den Neuen Bundesländern lauschen und ihre Dias sehen. Tricks, russische Sprachkenntnisse und Freunde, in Kladden gesammelte Informationen und handgezeichnete Karten, improvisierte Ausrüstung und eine Bomben-Kondition für Märsche mit 30 bis 40 kg Gepäck waren die Grundlage halb- bis illegaler Exkursionen in nahezu unbewohnte Gebiete Mittelasiens. Auch Gustav Ginzel wusste aus eigenem Erleben über solche Expeditionen zu berichten, in seinem »Misthaus« in der Tschechischen Republik.

Düster sieht es bei den Karten aus. Vor Ort gibt es Land- und Städtekarten in unterschiedlicher Qualität. In Deutschland findet sich Zentralasien wechselweise als nördlichster Teil des Nahen Ostens, als westlichster Teil Westchinas oder als südlichster Teil des östlichen Rußlands mit Maßstäben zwischen 1:3,5 Millionen und 1:5 Millionen. Eine erste Zentralasienkarte erschien im Mai 1999 bei freytag & berndt im Maßstab von 1:1,75 Millionen und umfaßt das südliche Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan.

Pamir & Tian-Schan

Der Amu-Darja entspringt im Pamir, dem mächtigsten Gebirgsknoten unserer Erde an den Grenzen zu Afghanistan, Pakistan und China, überwiegend auf dem Staatsgebiet von Tadschikistan. Der Pamir ist das Dach der Welt, wenngleich dieser oft benutzte Begriff sich aus einer falschen Übersetzung ableitet – damit ist nicht der Himalaya gemeint! Marco Polo zog auf seinem Weg nach China durch den Pamir, doch gerieten die alten Karawanenwege in der Neuzeit in Vergessenheit. Bis zur Jahrhundertwende zeugten nur wenige Beiträge in Petermanns Mitteilungen von Expeditionen in diese Region (Semenow, Sewertzoff, Regel). Aus den westlichen Ländern waren es die Jäger, die noch vor den Forschern hierher fanden, etwa P.W. Church, Chinese Turkestan with Camera and Rifle (London 1901). Das erste deutschsprachige Buch über den Tian-Schan erschien 1910 (Oldenbourg, München). Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Therese von Bayern gab die Jagdzüge ihres Bruders Prinz Arnulf von Bayern posthum heraus. Wenig später erschien mit Tian-Schan. Jagd- und Reisebriefe von Freiherr Otto von Dungern (D. Reimer, Berlin 1911) das zweite deutschsprachige Werk und das letzte vor dem Weltkrieg.
Alpinistische Fahrten fanden ab 1913 statt, begonnen von Bergsteigern des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins, geleitet von Rickmer-Rickmers, der auch an der Deutsch-Sowjetischen Expedition 1928 teilnahm. Sie fanden hier den höchsten Berge der Sowjetunion, den Pik Kommunismus (7495 m). Über die alpinistische Geschichte des Pamir informiert D.M. Satulowski »In Firn und Fels der Siebentausender« (Leipzig: F.A. Brockhaus 1964).
Liegt der Pamir südlich einer gedachten Linie Samarkand-Kaschgar, so liegt nördlich davon das Tian-Schan-Gebirge, die »himmlischen Berge«. 1903 fand der Geograph und Alpinist G. Merzbacher als erster zum Fuß ihres höchsten Gipfels, dem Pik Chan-tengri, erst 26 Jahre später gelangte eine zweite Gruppe dorthin. Merzbacher begleitete auch den Prinzen Arnulf von Bayern auf dessen Tian-Schan-Reisen. Die alpinistische Geschichte des Tian-Schan beschreibt D.M. Satulowski »Auf den Gletschern und Gipfeln Mittelasiens« (Leipzig: Bibliograph. Institut 1953). Am tiefsten Punkt zwischen Tian-Schan und Pamir liegt der Torugart-Pass, der uralte Übergang zwischen westlichem und östlichem Turkestan, ein Nadelöhr der Verkehrswege und einer der Hauptzweige der Seidenstraße.

Teil 3: Seidenstraße

siehe *Seidenstraße —-

Sir Percy Sykes
Europa sucht China
Goldmann, München 1938

Eine Reisegeschichte der Ost-West-Verbindungen mit hervorragendem Bildmaterial und ausführlichem Register.

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