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wiki:rotwelsch

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 Die Kundensprache ((Diebssprache, Verbrechersprache, Schurersprache, Spitzbubenlatein, Schleifersprache, Scharfrichter- und Abdeckersprache, Schindersprache, Dirnensprache, Stromersprache, Krämersprache, Hausierersprache ... s. Wolf, Dt. Gaunersprache, S. 10)) (das Rotwelsche) ist bereits seit 1250 bekannt: „rot“ hieß der lügend und betrügend herumziehende Berufsbettler, als welsch wurden alle unverständlichen Worte und Sprachen bezeichnet (Kauderwelsch). Die Kundensprache ((Diebssprache, Verbrechersprache, Schurersprache, Spitzbubenlatein, Schleifersprache, Scharfrichter- und Abdeckersprache, Schindersprache, Dirnensprache, Stromersprache, Krämersprache, Hausierersprache ... s. Wolf, Dt. Gaunersprache, S. 10)) (das Rotwelsche) ist bereits seit 1250 bekannt: „rot“ hieß der lügend und betrügend herumziehende Berufsbettler, als welsch wurden alle unverständlichen Worte und Sprachen bezeichnet (Kauderwelsch).
  
-Aber das fahrende Volk wollte ja gar nicht verstanden werden und übernahm aus unterschiedlichen Quellen Begriffe und schuf Redewendungen, die die Seßhaften nicht kannten. Als fremdartigste Quellen begegneten im [[wiki:reisegenerationen#Der Blick zurück: Das Mittelalter als Epoche| Mittelalter]] auf der Straße das Jiddische mit hebräischen Wurzeln (Juden als [[wiki:der_fahrende_haendler|reisende Kaufleute und fahrende Händler]] und das Romani der Zigeuner. Hinzu kamen deutsche Dialekte.Manche Begriffe blieben deutsch, wurden jedoch als Metapher verwendet. Der Polizist wurde Deckel genannt wegen seiner deckelförmigen Kopfbedeckung). Viele ihrer Worte bezogen sich auf die Umstände des Reisens: [[wiki:karrner|Karrner]], [[wiki:mostarban|Mostarban]], [[wiki:platte_reissen|Platte reißen]] bei Mutter Grün, [[wiki:ranzen|Ranzen]], [[wiki:schusters_rappen|Schusters Rappen]], tippeln, [[wiki:walz|Walz]], (Wander-)[[wiki:reisekleidung#Kluft|kluft]].+Aber das fahrende Volk wollte ja gar nicht verstanden werden und übernahm aus unterschiedlichen Quellen Begriffe und schuf Redewendungen, die die Seßhaften nicht kannten. Als fremdartigste Quellen begegneten im [[wiki:reisegenerationen#Der Blick zurück: Das Mittelalter als Epoche| Mittelalter]] auf der Straße das Jiddische mit hebräischen Wurzeln (Juden als [[wiki:der_fahrende_haendler|reisende Kaufleute und fahrende Händler]] sowie Schalantzjuden ((schalanzen 'müßig herumschlendern')) ) und das Romani der Zigeuner. Hinzu kamen deutsche Dialekte. Manche Begriffe blieben deutsch, wurden jedoch als Metapher verwendet. Der Polizist wurde Deckel genannt wegen seiner deckelförmigen Kopfbedeckung). Viele ihrer Worte bezogen sich auf die Umstände des Reisens: [[wiki:berliner|Berliner]], Kammesierer, [[wiki:karrner|Karrner]], [[wiki:mostarban|Mostarban]], Nobiskrug, Penne, [[wiki:platte_reissen|Platte reißen]] bei Mutter Grün, [[wiki:ranzen|Ranzen]], [[wiki:schusters_rappen|Schusters Rappen]], schwänzen, Stromer, Wackestippeln, [[wiki:walz|Walz]], (Wander-)[[wiki:reisekleidung#Kluft|kluft]], Zossen. Die [[wiki:liste_raumvorstellungen|Raumvorstellungen]] dieser Gruppen zeigen sich in den [[wiki:liste_rotwelsche_laendernamen|rotwelschen Ländernamen]].
  
 Das reisende Völkchen bestand aus vielen Gruppen: Kesselflicker, Scharfrichter, Henker, Abdecker, Schinder ((Schinden bedeutet „die Haut irgendeines Dinges abziehen“. Kaufleuten meinen damit, das Maß der Billigkeit zu überschreiten und übertriebene Forderungen zu stellen. Der Schinder oder Abdecker beseitigte früher die Tierleichen und zog diesen das Fell ab (schinden, abdecken). Gleichzeitig übernahm er auch die Leerung der Kloaken und das Fangen streunender Hunde. Abdecker galten als unehrlich. Nach dem deutschen Recht litt der Abdecker an Anrüchigkeit (levis notae macula) und war unfähig zum Eintritt in die Zünfte, in das Militär und in Ehrenstellen. Sofern es einen Scharfrichter am Ort gab, übernahm dieser auch die Abdeckerei und die Tortur. Beides überließ er Knechten, so daß er selbst im Sinne des deutschen Rechts ehrlich blieb.)), Büttel ((Der [[wiki:bote|Bote]] des Gerichts wird Büttel genannt und kann auftreten als Häscher, Gerichtsdiener oder Ausrufer.)), Hausierer, auch Soldaten, Dirnen, Handwerksburschen, Schausteller, Künstler, [[wiki:pilger|Pilger]] waren unter ihnen. Und zwischen den legitimiert Reisenden fanden die Diebe und Trickbetrüger, Bettler und Ganoven, Ausgestoßene und Nicht-Seßhafte ihren Platz. Das reisende Völkchen bestand aus vielen Gruppen: Kesselflicker, Scharfrichter, Henker, Abdecker, Schinder ((Schinden bedeutet „die Haut irgendeines Dinges abziehen“. Kaufleuten meinen damit, das Maß der Billigkeit zu überschreiten und übertriebene Forderungen zu stellen. Der Schinder oder Abdecker beseitigte früher die Tierleichen und zog diesen das Fell ab (schinden, abdecken). Gleichzeitig übernahm er auch die Leerung der Kloaken und das Fangen streunender Hunde. Abdecker galten als unehrlich. Nach dem deutschen Recht litt der Abdecker an Anrüchigkeit (levis notae macula) und war unfähig zum Eintritt in die Zünfte, in das Militär und in Ehrenstellen. Sofern es einen Scharfrichter am Ort gab, übernahm dieser auch die Abdeckerei und die Tortur. Beides überließ er Knechten, so daß er selbst im Sinne des deutschen Rechts ehrlich blieb.)), Büttel ((Der [[wiki:bote|Bote]] des Gerichts wird Büttel genannt und kann auftreten als Häscher, Gerichtsdiener oder Ausrufer.)), Hausierer, auch Soldaten, Dirnen, Handwerksburschen, Schausteller, Künstler, [[wiki:pilger|Pilger]] waren unter ihnen. Und zwischen den legitimiert Reisenden fanden die Diebe und Trickbetrüger, Bettler und Ganoven, Ausgestoßene und Nicht-Seßhafte ihren Platz.
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 Heute finden sich in der Alltagssprache viele Ausdrücke, die der Kundensprache entstammen, deren Abstammung man ihnen nicht mehr ansieht, die allenfalls als salopp gelten: man grast heute Geschäfte ab, um etwas zu suchen, 1906 bedeutete es noch, eine Gegend abzubetteln und zu bestehlen. Andere in die Umgangssprache aufgenommene Begriffe sind: Knast, einen Knacks haben, Kneipe, Kluft, Klinken putzen gehen, jemanden hochgehen lassen, pennen, pfiffig sein, Pleite machen, Quadratlatschen, Kaschemme, keinen Bock haben, malochen, Kohldampf schieben, in Schale werfen, verkohlen, u.v.a.m. Hin und wieder gelang es, das fahrende Volk dazu zu bewegen, sich an einem Ort niederzulassen. Dort findet man noch heute die Kundensprache besonders ausgeprägt, so im fränkischen Schillingsfürst, in Matzenbach, Teufstetten und Schopfloch, auch im Württembergischen und Rheinpfälzische, ((''Kleßmann'')) als Berner Mattenenglisch, Harzer Laufdibbern, Killertaler Pleisle, Neuerner Bettfedernhändlersprache oder das Hundeshagener Kochum der Eichsfelder Wandermusikanten ((''Siewert'')). Heute finden sich in der Alltagssprache viele Ausdrücke, die der Kundensprache entstammen, deren Abstammung man ihnen nicht mehr ansieht, die allenfalls als salopp gelten: man grast heute Geschäfte ab, um etwas zu suchen, 1906 bedeutete es noch, eine Gegend abzubetteln und zu bestehlen. Andere in die Umgangssprache aufgenommene Begriffe sind: Knast, einen Knacks haben, Kneipe, Kluft, Klinken putzen gehen, jemanden hochgehen lassen, pennen, pfiffig sein, Pleite machen, Quadratlatschen, Kaschemme, keinen Bock haben, malochen, Kohldampf schieben, in Schale werfen, verkohlen, u.v.a.m. Hin und wieder gelang es, das fahrende Volk dazu zu bewegen, sich an einem Ort niederzulassen. Dort findet man noch heute die Kundensprache besonders ausgeprägt, so im fränkischen Schillingsfürst, in Matzenbach, Teufstetten und Schopfloch, auch im Württembergischen und Rheinpfälzische, ((''Kleßmann'')) als Berner Mattenenglisch, Harzer Laufdibbern, Killertaler Pleisle, Neuerner Bettfedernhändlersprache oder das Hundeshagener Kochum der Eichsfelder Wandermusikanten ((''Siewert'')).
  
--> [[wiki:liste_rotwelsche_laendernamen|Liste rotwelscher Ländernamen]]+==== Literatur ====
  
 +  * ''Jasmina Čirkić'', verh. ''Fischer''\\ //Rotwelsch in der deutschen Gegenwartssprache.//\\ 271 S. Diss. Universität Mainz: 2006.
   * ''Matthias Hütlin''\\ //Liber Uagatorum Der Betler orden Hie nach volgt ein hubsch buchlin genant Liber vagatorum dictirt von eim Hochwirdigen meister nomi[n]e expertus in trufis dem Adone zu lob vnd ere ..//\\ Pforzheim : Thomas Anshelm, 1510 u.a.\\ Dem Spitalmeister des Pforzheimer Heilig-Geist-Spitals wird  die erste Fassung des um 1509 ersten gedruckten deutschen Fahndungsbuches (Gaunerbuch) mit 10 Blättern und 2 Holzschnitten zugeschrieben. Darin beschrieben sind 28 Bettler- und Gaunertypen sowie tatäschliche Betrügereien anhand derer das Buch datiert wurde sowie die erste Wörterliste des [[wiki:rotwelsch|Rotwelschen]] mit 219 Begriffen. [[http://bm.mairie-belfort.fr/liber-vagatorum.aspx?_lg=fr-FR|Online]]   * ''Matthias Hütlin''\\ //Liber Uagatorum Der Betler orden Hie nach volgt ein hubsch buchlin genant Liber vagatorum dictirt von eim Hochwirdigen meister nomi[n]e expertus in trufis dem Adone zu lob vnd ere ..//\\ Pforzheim : Thomas Anshelm, 1510 u.a.\\ Dem Spitalmeister des Pforzheimer Heilig-Geist-Spitals wird  die erste Fassung des um 1509 ersten gedruckten deutschen Fahndungsbuches (Gaunerbuch) mit 10 Blättern und 2 Holzschnitten zugeschrieben. Darin beschrieben sind 28 Bettler- und Gaunertypen sowie tatäschliche Betrügereien anhand derer das Buch datiert wurde sowie die erste Wörterliste des [[wiki:rotwelsch|Rotwelschen]] mit 219 Begriffen. [[http://bm.mairie-belfort.fr/liber-vagatorum.aspx?_lg=fr-FR|Online]]
   * ''Eckart Kleßmann''\\ //Sprechen Sie [[wiki:walz#Kundenschall|Rotwelsch]]//?\\ Zeitmagazin vom 17.01.1975   * ''Eckart Kleßmann''\\ //Sprechen Sie [[wiki:walz#Kundenschall|Rotwelsch]]//?\\ Zeitmagazin vom 17.01.1975
 +  * ''Yaron Matras''\\ //The Romani element in German secret languages. Jenisch and Rotwelsch.//\\ S. 193—230 in: Ders. (Hg.): The Romani element in non-standard speech (Sondersprachenforschung, 3). 
   * ''Klaus Siewert''\\ //Wörterbuch deutscher Geheimsprachen. Rotwelschdialekte.//\\ In Zusammenarbeit mit Rudolf Post. XII, 907 S. Bibliogr. S. 28--44. Berlin 2023: De Gruyter. [[https://doi.org/10.1515/9783110217483|DOI]] [[https://d-nb.info/1275737463/04|Inhalt]]   * ''Klaus Siewert''\\ //Wörterbuch deutscher Geheimsprachen. Rotwelschdialekte.//\\ In Zusammenarbeit mit Rudolf Post. XII, 907 S. Bibliogr. S. 28--44. Berlin 2023: De Gruyter. [[https://doi.org/10.1515/9783110217483|DOI]] [[https://d-nb.info/1275737463/04|Inhalt]]
   * ''Josef Veldtrup''\\ //Bargunsch oder Humpisch. Die Geheimsprache der westfälischen Tiötten.// III, 84 S. Bibliogr. S. 82--84. 2., verb. und erg. Aufl. Münster 1981: Aschendorff. Nachdruck 2009. [[https://d-nb.info/994175795/04|Inhalt]]; Tiötten, Tödden → [[wiki:liste_traeger|Träger]] (Hausierer), [[wiki:der_fahrende_haendler|Fahrende Händler]]   * ''Josef Veldtrup''\\ //Bargunsch oder Humpisch. Die Geheimsprache der westfälischen Tiötten.// III, 84 S. Bibliogr. S. 82--84. 2., verb. und erg. Aufl. Münster 1981: Aschendorff. Nachdruck 2009. [[https://d-nb.info/994175795/04|Inhalt]]; Tiötten, Tödden → [[wiki:liste_traeger|Träger]] (Hausierer), [[wiki:der_fahrende_haendler|Fahrende Händler]]
-  * ''Siegmund A. Wolf''\\ //Deutsche [[wiki:gauner|Gauner]]sprache. Wörterbuch des [[wiki:rotwelsch|Rotwelschen]]//\\ Buske Verlag Hamburg 1993+  * ''Siegmund A. Wolf''\\ //Deutsche [[wiki:gauner|Gauner]]sprache. Wörterbuch des [[wiki:rotwelsch|Rotwelschen]]//\\ Buske Verlag Hamburg 1993Wiesbaden 1998: Harrassowitz.
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