Reisebericht von Norbert Lüdtke, 1980 in Der Trotter
Aufbruch am 11.2. in Mama Roches
Guesthouse in Nairobi. Die polnischstämmige Mrs. Roche war bis zu ihrem Tod 2002 rund 25 Jahre offen für den »worn-out overlander«, wie der Rough Guide das beschrieb. Heute bietet Chris Handschuh
mit seiner Jungle Junction im Stadtteil Karen die Anlaufstelle für den Overlander.
550 Kilometer weiter nordwestlich erreicht der Bus nach neun Stunden Fahrt Kitale, das Tor zum Norden. Auf der 1 1/2-spurigen Straße mußte bei entgegenkommenden Fahrzeugen immer eines auf den Seitenstreifen ausweichen. Daher rasen die Fahrer immer schön in der Straßenmitte aufeinander zu. Wer die schwächeren Nerven hat, weicht aus. Kitale ist der letzte große Ort für die nächsten 800 km.
Nach zwei Tagen fanden wir einen Lkw, der uns bis Lodwar mitnahm, ins Turkana-Land, hinten auf einer Ladung Viehsalz, 300 km in 11 Stunden. Nach weiteren zwei Tagen des Wartens nahm uns dort ein Land Rover bis Lokichoggio mit, fuhr nachts und ohne anzuhalten, die Gegend sei zu gefährlich, meinte der Fahrer, 250 km in 9 Stunden. Dann stoppte der Wagen: Aussteigen. Ihr seid da. Es war stockdunkel, nirgends elektrisches Licht, keine Geräusche, also legten wir uns im Staub schlafen und erwachten anderntags mitten auf dem Dorfplatz.
Die Pisten werden immer schlechter, Lebensmittel immer knapper – wir können zwischen Nudeln und Bohnen wählen, die es nur in kleinen Mengen zu hohen Preisen gibt - und nur selten gibt es Ziehbrunnen mit salzigem, milchigem Wasser. In der Kaserne von Lokichogio stellte man uns eine Blechhütte zur Verfügung. Dort könnten wir warten, bis ein Auto durchkäme, das sei nur alle paar Tage der Fall. In der Missionsstation gab es Mehl, bei den Turkana Trockenfisch. Dann wurde in der Grenzprovinz wegen einiger Pestfälle der Verkehr stillgelegt.
Am 17.2. kam ein spanischer Industrieller in einem modifizierten Landrover vorbei, der nach Juba im Sudan wollte, zur Großwildjagd. Uns erklärte er, er würde niemals Touristen mitnehmen. Ihm erklärten die Grenzsoldaten, daß er uns sehr wohl mitzunehmen hätte. Das war dann auch so, aber da wir von ihm weder Lebensmittel noch Wasser erhielten, war Schmalhans Küchenmeister. In Kapoeta, 120 Kilometer weiter, ließ er uns am nächsten Tag sitzen. Immerhin gab es dort Erdnüsse, aber Wasser nur stundenweise. Gut, dass wir Wassersäcke dabei hatten. Die schmeckten zwar nach wer-weiß-was, aber Ortlieb-Säcke gab es damals noch nicht. Hier im Sudan kann man überall auf den Polizeistationen übernachten. Diese Möglichkeit haben wir dann auch immer gerne wahrgenommen.
Am 19.2. kam dann endlich ein Lkw vorbei und nahm uns mit. Da sich aber die Ladung löste, war im nächsten Kral schon wieder Schluss. Einige Stunden später nahm uns ein Militär-Lkw bis Torit mit.
Am 20.2. erreichten wir Juba‚ die Hauptstadt des Südsudans‚ wo es dann nach zehn Tagen erstmals wieder kalte Getränke und ein besseres Essen gab - aber nur abends zwischen 19 und 20 Uhr! Zucker ist im Südsudan schon seit sechs Monaten nicht mehr erhältlich. Noch nie hatte ich bis dahin eine Stadt gesehen‚ so heiß, so schmutzig, so stinkend und voller kranker Menschen. Kein Wunder bei dem faulendem Wasser.
Wir verließen Juba auf einem Lkw mit dem Ziel Kharthoum im Tausch gegen eine billige Armbanduhr mit Digitalanzeige. Abends kamen wir dann durch eine Gegend mit vielen Antilopen und nach mehreren Versuchen schaffte es unser Fahrer‚ eine zu überfahren. (Im Fahrpreis ist Essen und Trinken enthalten). Die nächsten Tage verliefen im wesentlichen gleich: Übernachtung im Freien‚ Aufstehen um vier Uhr, Fahren – mit den üblichen Reparaturen - bis abends gegen 11 Uhr, dann wird gekocht. Eine Schüssel Brei für alle. Mangels Besteck müssen die Fingerspitzen hitzefest sein, sonst bleibt nichts übrig.
Eines Abends stoppte uns dann die Miliz in den Ausläufern eines Sumpfgebietes. Wegen einer nahen Stammesfehde verbrachten wir die Nacht dort, ohne Zelt im Freien. Ein Fest für die Moskitos, der Körper am nächsten Morgen lückenlos von Stichen übersät. Anderntags war dann wieder vorzeitig Schluss. Um den Sombat, einen Zufluss des Nils zu überqueren, benötigten wir eine Fähre – aber die war für ein Tage abwesend, im Auftrag des Militärs.
Für die gesamte Strecke von Juba nach Kosti (1120 km) brauchten wir sieben Tage durch ausgetrocknete Flußbetten‚ tiefen Sand und über Schlaglochstrecken. That's Afrika.