auch: Bummelant, Schlachtenbummler, Kolonialbummler, Weltenbummler, Erdenbummler
Das Bummeln ist als altes deutsches Wort tendenziell eher im Niederdeutschen zu finden mit den Bedeutungen von lärmendem Bimmeln wie eine Kuhglocke, schwingend wie eine Bommel, hängend und schwebend (`baumelnd´) und wird zuletzt übertragen auf das Schlendern als einem gemächlichen und ziellosen Hin und Her.
Erst im 19. Jahrhundert beschreibt es Menschen, die `bummeln´: den Bummler als ein neues Phänomen zwischen dem Flaneur und dem Vagabunden, und als lebenslustiges Stereotyp im sozialen Zwischenraum bürgerliche Werte infragestellend:
Helmuth, H.
Ehrentempel merkwürdiger Possendichter oder hallesche Bummlerlectüre nicht für Bummler, sondern für Freunde der Kunst, des Scherzes und heiterer Laune, enthaltend Knallerbsen, Zündpulver, Raketen und Leuchtkugeln, aus der neumodernsten literärischen Fehde-, Kunst- und Possenwelt.
Halle 1833.
Kladderadatsch: Organ für und von Bummler Online
Der berlinerische Begriff
Kladderadatsch wurde zum politischen Schlagwort für den Zusammenbruch der bürgerlichen Gesellschaft und machte den Bummler in den ersten beiden Jahrgängen von 1848 und 1849 zum beispielhaften Gegentwurf.
Beringer, Fritz
,
W. Fähndrich
Bummler-Panoramen aus Berlin's Straßen. Eine Promenade in Versen.
38 S. Berlin 1849: Stuhr.
O welche Lust, zu bummeln
So arglos durch die Welt,
Vorzüglich wenn im Beutel
Dazu noch etwas Geld.
Warum soll man nicht bummeln,
Hier auf der Lebensbahn?
Geht nicht mit manchem Beispiel
Die Schöpfung uns voran?
"Der Bummler", ein Gedicht
Der Anecdotenjäger: Zeitschrift für das lustige Deutschland, 6 (1850) 194
Während aber der bürgerliche Flaneur sich solch einen Lebensstil leisten konnte und durfte, stellt sich die bürgerlicher Sicht 1835 anders dar:
»Müßiggang und Schlemmerei, weniger unverschuldetes Unglück, haben viel Armuth nach Halle gebracht, und um dieses recht augenscheinlich zu haben, darf man nur nach dem großen Markte gehen, und dort die sogenannten Bummler an den beiden ehernen Löwen … lehnen sehen, wie sie mit eckligem Heißhunger eine saure „Jurke“ verzehren, oder eine spekulative Betteljagd auf einen Fremden machen.« 1)
Die Studentensprache latiniserte ihn zum Bummelanten und damit zum sympathischen Vorbild des gepflegten Nichtstuns, der anderen jedoch eher als Taugenichts erscheint:
»Ich seh' ihn noch, die liebe Seele,
Wie er, ein flotter Bummelant,
Mit heiserm Ruf aus heisrer Kehle
Zu lenken jedes Herz verstand;
Wie hier, die Ärmel aufgestreift,
Er einen angetrunknen Zecher,
Betrunken selbst, nach Haus geschleift,
Und wieder rückgekehrt zum Becher;« 2)
Dann wird der Begriff des Bummlers zunehmend konturenlos und auf andere Gesellschaftskreise und Gruppen übertragen. Aus dem Bummler (lat. homo iners) als arbeitsloser Proletarier, der sich auf den Straßen herumtrieb, wird ein Müßiggänger, der die Arbeit scheut, ein träger Mensch, ein Faulpelz und Trödler, zuletzt ein Herumtreiber und Vagabund, aber auch:
1863 doziert
Carl Vogt
:
»Der reisende Naturforscher, selbst wenn er unter österreichischer Flagge auf der Novara
segelt, ist am Ende doch nichts weiter, als ein reisender Bummler
, der sich glücklich schätzen muss, wenn hier und da in einem Seehafen einige Soldaten, Lastträger, Matrosen oder nichtsnutzige Weibsbilder sich ihm zur Verfügung stellen, oder wenn einige Häutlinge gestatten, sich photographieren zu lassen.« 3)
1868 wird
Ferdinand Schmidt
zum teilnehmenden Beobachter:
»Diese pflegen, so lange es die Jahreszeit irgend erlaubt, ihr Nachtquartier in der Umgegend der Stadt zu nehmen, in der Hasen- oder Köpnikerhaide, im Thiergarten, auf den Feldmarken nach ihrer Sprache bei Mutter Grün“. Ein Gespräch über solche Leute, in das ich mit meinen Bekannten gerieth, führte nun eben zu einer Wette. Ich habe mich anheischig gemacht, unter der Larve eines Bummlers drei Nächte im Freien zu kampiren.« 4)
Seit etwa 1870 bezeichnete dann der Soldatenjargon den Schlachtenbummler im wörtlichen Sinne, den es an Kriegsschauplätze zog, vordergründig vielleicht als als Krankenpfleger oder Berichterstatter, doch offensichtlich aus Neugier, Nervenkitzel oder Abenteuerlust, was den Soldaten nicht verborgen blieb.
Koster, Friedrich
Über Irresein der Vagabonden und Bummler.
Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin 30 (1872) 331-333.
1880 definiert
Heinrich Berghaus
Bummler:
»… meist junge Leute mit blassen, welken, abgelebten Gesichtern, mit Hüten, denen man es ansieht, daß sie schon mehrmals den in Berlin beim Plebs so beliebten und für Jeden, außer dem unmittelbar Betroffenen, so belustigenden Spiel des Hutantreibens bis auf die Nase gedient haben, und mit Geh: oder Leibröcken, deren ursprünglich eleganter Schnitt durch das oft nicht ganz erfolgreiche Bemühen verzogen worden ist, den Mangel an reiner Wäsche zu verdecken; verkommene Subjecte aus guter Familie, die bei lässiger Erziehung die Bahn des Müßiggangs betreten haben und nicht selten am Anfange der Verbrecherbahn stehen.« 5)
1886 berichtet
Theodor Kirchhoff
aus Amerika:
»Unter den Fremden, welche die Stadt besuchen, sind die sogenannten „Globe trotters“ (die Weltenbummler), meistens Engländer, sofort zu erkennen. Als Kopfbekleidung tragen sie gern den bekannten ostindischen Helm und zeichnen sich durch blasierte Mienen aus. Alle Globe trotters müssen durch San Francisco reisen. Die australische und die chinesisch-japanische Dampferlinie konvergieren hier, und sämmtliche Eisenbahnen, welche den nordamerikanischen Kontinent queren, bringen den von Osten kommenden Globe trotter unfehlbar zuletzt nach San Francisco. Im allgemeinen sind die Weltenbummler verschlossenen Charakters; sie vermeiden es, neue Bekanntschaften zu machen und bringen es fertig, auf einer Reise um die Welt so wenig wie nur möglich von der Welt zu sehen. Auf dem Programm für eine Bummelreise um die Welt steht San Francisco mit ganzen zwei Tagen verzeichnet. Sehenswürdigkeiten: Das Chinesenviertel und die Seelöwen! … In neuerer Zeit reisen die Globe trotters gern in Herden als sogenannte „Cookies“ (sprich: Kuhkies), die mit Welt-Rundreisebilletten von dem Engländer Cook versehen sind.« 6)
1892 bringt
Graf von Caprivi de Caprera de Montecuccoli
, der Nachfolger
Bismarcks
, den Begriff
Kolonialbummler in den Reichstag, damit verallgemeinernd die Tätigkeiten des Journalisten
Eugen Wolfs
in Ostafrika bezeichnend, der von der Presse auch ironisch als »der bekannte Forschungsreisende« und »Globetrotter« bezeichnet wurde
7)
1893:
»Trotz alledem aber blieb ich ein Bummler, der einen unstillbaren Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit hatte, un den es mit Macht hinauszog, in die Welt, in die Fremde, in's Leben!» 8)
Walther Bensemann
Duell und Verruf. Betrachtungen eines Bummlers.
Marburg 1896.
Äußerlich werden Bummler und
Touristen schon mal verwechselt:
»ihm kommt zu Ohren, daß ein paar Engländer, neugierige Bummler, gefangengenommen seien und ihr Leben nur noch an einem Faden hänge. Dunant läuft sofort hin und macht klar, daß es sich .. nur um allzu neugierige Touristen handle« 9)
Der Bettelstudent: ein Theologe aus Heidelberg und Weltenbummler hier im Loch.
Philadelphia: Demokrat 22. Januar 1903
Baumann, Felix
Flegeljahre eines Journalisten. Aus dem Tagebuch eines Weltenbummlers.
Berlin, Leipzig 1919: Hillger
Karrillon, Adam
Erlebnisse eines Erdenbummlers.
Berlin 1923: Grotesche.