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Liste der unschönen Orte

`Abgelegen´ im Sinne von Hinterland oder einem verschlafenen Nest (hochdeutsch `Flecken´), ist die häufigste abwertende Grundbedeutung der folgenden Bezeichnungen, damit verbunden werden: ahnungslos, dumm, Provinzialismus, unbedeutend, Selbstüberschätzung. Die meisten dieser Begriffe dürften umgangssprachlich entstanden sein, also deutlich vor dem jeweils ersten schriftlichen Beleg.

  • Bullerbü
    1947 als Schauplatz einer Erzählung 1), wörtlich `Lärmdorf´. Wird als Metapher für realitätsfremde Träumereien statt realistischer Politik benutzt 2).
  • Dingenskirchen
    • Mattheis, Philipp
      In Dingenskirchen: Geschichten vom Arsch der Welt.
      270 S. Reinbek bei Hamburg 2011: Rowohlt-Taschenbuch.
      Selbstironische Geschichten einer Jugend auf dem Dorf vor dem Hintergrund persönlicehr Erfahrungen.
  • Hintertupfingen
    1914 erstmals schriftlich nachweisbar 3).
  • Jammertal
    In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts häufig gebraucht im reformatorischen Umfeld von Luther, Melanchthon, Agricola, Flacius: vom Jammertal (irdisches Dasein) ins Freudental (Paradies). 1510 erstmals nachweisbar 4). Abgeleitet aus der Bibel, dort in Psalmen 84,7 als vallis lacrimarum `Tal der Tränen´, namentlich bezogen auf das trockene Baka-Tal, das die Pilger auf dem Weg nach Zion durchziehen mussten.
    • Fleck, Konrad
      Von der Wanderschafft/ vnnd Gottseligen || hinweg Reisen aus diesem Jammerthal ins ewi=||ge Himmelreich/ Christmilder … || gedechtnus || Des Durchlæuchtigsten/|| Hochgebornen/ gnedigsten Fuersten || … Herrn IOHAN GEORGEN || Marggraffen zu Brandenburg … || durch || M. Conradum Fleccium || Iuniorem.|| Sampt gantzen Procesz/ wie jhre Churfuerstl.|| Durchleucht. den 1. Febr. zu derselbige ruh=||bett sey gebracht worden
      Anno 1598 Franckfurt an der Oder bey Friderich Hartman/ Buchdrucker vnd Buchfuehrer daselbst.
  • Kaff
    Ein altes Wort für Streu aus gedroschenem Stroh, also wertloses Zeug, übertragen auf ein langweiliges Dorf, das nichts zu bieten hat.
    • Schmidt, Arno
      Kaff, auch, Mare crisium: ländliche Erzählungen.
      346 S. Karlsruhe 1960: Stahlberg.
      Der Roman verbindet die Handlung in einenm »Kaff« in der Lüneburger Heide mit einer auf dem Mond. Dort haben im mare crisium ein paar tausend Wissenschaftler den Dritten Weltkrieg überlebt und schaffen ein neues Kaff mit Kriegserfahrungen die sich auf das Nibelungenlied (Amerikaner) und El Cid (Russen) berufen.
  • Krähwinkel
    Eine Metapher für Kleingeist und Kleinbürgerlichkeit und ab 1801 wiederholt von Schriftstellern benutzt.
  • Kleinkleckersdorf
    schaffte es 1928 in den Reichstag 5).
  • Kuhdorf
    Kühdorf in Greiz, Thüringen, ist einer der kleinsten Orte Deutschlands und „von Kuhdorf“ ist ein Adelsgeschlecht, das 1845 der Autor eines Lustspiels als »Kuh von Kuhdorf« lächerlich und populär machte 6).
  • Pampa
    Eigentlich eine baumlose Graslandschaft insbesondere in Argentinien; neudeutsch für eine Region, in der nichts los ist.
    • Karlen, Marie-Therese
      „Somos los valesanos, somos los gringos …“: Dynamiken um die Wiederentdeckung einer fast vergessenen „Walliserkolonie“ in der argentinischen Pampa.
      Lic. phil. I Universiẗat Zürich. 150 Bl. Zürich 2000: Universität Zürich.
  • Posemuckel
    19. Jahrhundert, anknüpfend an den realen Ort Klein Posemuckel im Landkreis Bomst, heute Podmokle Małe. 1848 unter einem Spottschreiben an die Regierung: »Unsere Feinde aber überantworten wir Dir, o Herr. Züchtige sie mit dem Bambus Deiner Gnade. - Die Gemeinen von Stiefelbein und Klein-Posemuckel.« 7).
    • Sprungala, Martin
      Das sprichwörtliche „Posemuckel“.
      Jahrbuch Weichsel-Warthe 54 (2008) 138-143.
  • Tal der Ahnungslosen
    In der DDR Regionen in Sachsen und Vorpommern, in denen der Empfang von West-Fernsehen nicht möglich war; heute Regionen in Deutschland, in denen die Netze für den Empfang von Mobilfunk oder Internet schlecht sind.
    • Müller, Hans Georg
      Im Tal der Ahnungslosen: Impressionen einer Reise nach Dresden.
      Isenbüttel 1987: Aurora.
  • Timbuktu
    Als Metapher im Deutschen, Niederländischen und Englischen: so weit weg, so schlecht zu erreichen und so abgelegen, dass man kaum zurückkommen kann. Seit 1973 hält sich Donald Duck wiederholt in Timbuktu auf, mal freiwillig (»Hier bin ich wenigstens weit weg genug vom Schuss. Hier findet mich niemand.«), mal unfreiwillig.
    • Stangl, Thomas
      Der einzige Ort.
      405 S. Graz : Droschl, 2004.
      Der Roman blickt in die 1820er Jahre, als der englische Major Alexander Gordon Laing in britischer Uniform und der Franzose René Caillié getarnt als Muslim versuchen, Timbuktu zu erreichen.
      • Laing, Alexander Gordon Travels in the Timannee, Kooranko and Soolima countries, in Western Africa.
        London 1825: J. Murray.
      • Caillié, René
        Journal d'un voyage à Temboctou et à Jenné, dans l'Afrique Centrale: précédé d'observations faites chez les Maures Braknas, les Nalous et d'autres peuples ; pendant les années 1824, 1825, 1826, 1827, 1828 Band 1: XII, 475 . Paris 1830: Impr. Royale. Online
      • Kryza, Frank T.
        The race for Timbuktu: in search of Africa's city of gold.
        XXV, 322 S. New York 2006: Ecco.
  • Tripstrill
    Wohl ursprünglich im schwäbischen Raum und im Volksmund seit je gebräuchlich.
  • Verweggistan (engl. Faraway-i-stan)
    Seit 1973 im Niederländischen gebräuchlich für die Abenteuer von Donald Duck, danach auch umgangssprachlich verbreitet. Im Deutschen wurde in dieser Szene `Timbuktu´ verwendet.
  • Walachei
    Die historische Landschaft um Bukarest wurde zur Metapher für eine abgelegene Region noch »hinter den Karpaten«, es war das römische barbaricum jenseits des Istros, terra transalpina jenseits der Berge, aber auch Kornkammer zwischen Christentum und Islam.
    • Schlupp, Ana-Maria
      Walachei zur Herausbildung eines literarischen Topos.
      325 S., Lit.-verz. S. 313-325. Berlin 2018: Dissertation Freie Universität. Bielefeld 2020: transcript . Inhalt
  • Weitfortistan
  • Weit weg vom Schuss
  • Wo der Pfeffer wächst
    • Pixberg, Sandra Dort, wo der Pfeffer wächst.
      Bilder in der deutschen Emigranten-Literatur über Mexikaner zwischen 1920 und 1940.
      Univ., Magisterarbeit Kulturwissenschaft 115 S. Bremen 1998.
    • Heuken, Adolf
      „… dahin, wo der Pfeffer wächst“ vierhundert Jahre Deutsche auf den Inseln Indonesiens.
      272 S. Jakarta 2010: Yayasan Cipta Loka Caraka
    • Petz, Wolfgang
      Wo der Pfeffer wächst: erste Handelsfahrt deutscher Kaufleute nach Indien 1505/1506.
      Geographische Rundschau 50 (1998) 382-385.
    • Ebeler, Hans Diether Wo der Pfeffer wächst Randnotizen eines Weltenbummlers.
      106 S. München 1965: Domino Verl. Brinek
  • Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen
  • Zipfelstadt
    Mittelpunkt einer Satire von 1812.

Querverbindungen

1)
Astrid Lindgren: Wir Kinder aus Bullerbü, schwedisch: Alla vi barn i Bullerbyn
2)
z.B. Konkret 1997, S. 68; Köhne, Katja. 2001. Zwischen Brüssel und Bullerbü: Erwartungen und Realitäten in der schwedischen EU-Politik. Berlin, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Masterarbeit, 2002.
3)
Das Plakat. Mitteilungen des Vereins der Plakatfreunde. Berlin 5 (1914) 57
4)
Got zu Lob dem Menschen zu Besserung sind dise Figur vnd Exempel vom aygen Gericht vnd sterbenden Me[n]sche[n] zu Munichen gehalte[n] worden. 1510. Gedruckt zu München: Von Maÿster Hannssen Schobsser
5)
Stenographische Berichte der Verhandlungen des Deutschen Reichstages … 398 (1928) 13037
6)
Deinhardstein, Johann Ludwig. 1845. Zwei Tage aus dem Leben eines Fürsten. Lustspiel in vier Akten. Wien: Holding.
7)
Kladderadatsch 1848, S. 131
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