WEIRD

Initialabkürzung für »Western, Educated, Industrialized, Rich and Democratic«, als Stereotyp eingeführt von Joseph Henrich et.al. in einem Aufsatz 2010 1).

Darin begründen die Autoren eine generelle Kritik an den Verhaltenswissenschaften (behavioral sciences) 2). Dort werden Thesen überprüft, indem sie an Probandengruppen getestet werden. Henrich kritisiert nun, dass diese Probanden (die meist aus demselben Studienfach stammen oder zumindest aus dem universitären Umfeld) nur eine kleine Bevölkerungsgruppe repräsentieren. Die Ergebnisse würden jedoch auf die Bevölkerungsmehrheit übertragen. Das führe zu Verzerrungen.

Diese Verzerrungen betreffen zunächst einzelne Studien mehr oder weniger. Da das zugrundelegende Verfahren jedoch seit Jahrzehnten weitgehend unhinterfragt praktiziert wird, stellt sich die Frage inwieweit die Theorien der Verhaltenswissenschaften überhaupt dadurch geprägt wurden. Die Frage ist brisant und aktuell eingedenk der Diskussion über Sprechverbote, political correctness, Genderfragen, Moralisierung der Wissenschaft 3).

Henrich deutet zudem an, dass das kritisierte Verfahren ja noch weiter hinterfragt werden könne. Zu prüfen wäre etwa:

Solche Überlegungen führen letztlich zur Frage: Universalismus oder Relativismus? Welche Wertvorstellungen gelten universell? Auch dies ist eine aktuell brennende Frage, etwa wenn Staaten die Regierungsform der Demokratie in Russland, Ungarn, den USA oder Großbritannien sehr unterschiedlich auslegen oder gar grundsätzlich ablehnen (China).

1)
J. Henrich, S. Heine, A. Norenzayan
The Weirdest People in the World?
In: Behavioral and Brain Sciences Band 33, 2010, S. 61–135
2)
z.B. Wirtschaftswissenschaften, Psychologie, Kommunikationswissenschaften, Sozialwissenschaften, Anthropologie
3)
Thomas Thiel
Wir erleben eine Refeudalisierung der Diskussion.
FAZ 10.02.2021