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wiki:der_ewige_wanderer

Der ewige Wanderer

Werd ich zum Augenblicke sagen: 
Verweile doch! du bist so schön! 
Dann magst du mich in Fesseln schlagen, 
Dann will ich gern zugrunde gehn!

Johann Wolfgang von Goethe, Faust Teil 1
(Faust schließt einen Pakt mit dem Teufel)

Nicht verweilen zu wollen ist das eine. Nicht verweilen zu dürfen, ist ein Fluch, der sich verschiedentlich in Archetypen, Stereotypen und Metaphern zeigt:

  • Hinter den Figuren des Ewigen Juden, Ahasver, des Wilden Jägers, des Fliegenden Holländers, des französischen Juif-Errant, des englischen Wandering Jew steht immer der Einzelne.
  • Diese Figuren werden zum Protagonisten in den Erzählungen von der Unendlichen Fahrt.
  • Den ewigen Wanderer hat Edgar Allan Poe in Der Mann in der Menge beschrieben.
  • Der ewige Wanderer, ein Gedicht von Adolf Friedrich von Schack (1815 - 1894) in 66 Versen.
  • Ahasver, ein Gedicht in 10 Versen von Klabund 1).
  • Ahasver, der ewige Jude, ein Gedicht von Nikolaus Lenau (1802 - 1850)
  • Kneiplied vom Ahasver,von Ludwig Eichrodt 2)
  • The Ancient Mariner von Samuel Taylor Coleridge 1798 3)
    • Lowes, John Livingstone
      The Road to Xanadu: A Study in the Ways of the Imagination.
      651 S. London 1927/1986: Constable. DOI
  • Viele road movies thematisieren die unendliche Fahrt.
  • Das »Gefängnis der Wirklichkeit«:
    »Sobald du dich in späteren Tagen an den bereisten Ort im Geist zurückversetzt, kommst du nicht über die Grenzen der ehemaligen wirklichen Tage hinaus. Du siehst jenen Ort immer wieder … Du bist verdammt, ihn ewig genauso zu sehen, wie er sich dir auf der Reise gezeigt hat. Dies ist der Fluch, der die Seele des Reisenden belastet. Die Flügel der Geistigkeit werden ihm von der Wirklichkeit beschnitten.« 4)

Manfred Frank, der sich mit dem Thema befasst hat, stellt das Thema vor einen größeren Hintergrund und nennt den »Untergang einer unbefragt geltenden höchsten Wertordnung („Tod Gottes“)« und »das Bewußtsein einer „transzendentalen Obdachlosigket“ (Lucás) als Ergebnis einer „unfrommen Weltneugier“ (Augustinus). Als beispielhafte Figur einer solch unendlichen Fahrt befasst sich Frank mit:

  • Der Jäger Gracchus von Franz Kafka und sieht darin den »Wilden Jäger« der Volkssage, der sich unterschiedlicher Form findet, etwa als Kapitän Ahab in Moby Dick, und der über das Töten eines Tieres Heilung sucht.
  • Der Ewige Jude »Ahasver«, dem Jesus auf dem Weg zu seiner Hinrichtung mit dem Kreuz auf dem Rücken gesagt haben soll: »Ich werde stehen und ruhen, du aber sollst gehen.«
  • Dem »Fliegenden Holländer«, der sich in amerikanischen, bretonischen, dänischen, deutschen, holländischen Quellen findet, als Kapitän, auf dem der Fluch lastet ohne Steuer und Anker ewig unterwegs zu sein, unfähig in einen Hafen einzulaufen.

Über das Motiv der Unendlichen Fahrt führt medial ein Weg zu den Horrorgeschichten, etwa 1841 A Descent into the Maelström von Edgar Allan Poe, 1897 zu den unsterblichen Vampiren wie Dracula von Bram Stoker.

  • Manfred Frank
    Die unendliche Fahrt.
    Die Geschichte des Fliegenden Holländers und verwandter Motive.
    Reclam Leipzig 1995 (und andere Ausgaben).
  • Thomas Kastura
    Flucht ins Eis.
    Warum wir ans kalte Ende der Welt wollen
    Aufbau Berlin 2000

Literatur

→ Ahasver im RDK-Labor

  • Avram Andrei Baleanu
    Ahasver. Geschichte einer Legende.
    Aus dem Rumänischen von Georg Aescht. 215 S., 20 Tafeln. (=Sifria, 9) Berlin 2011: be.bra wissenschaft nhalt
    Wie verbreitete sich der Ahasver-Mythos von der ersten schriftlichen Erwähnung um 600 bis zur Gegegnwart?
  • Bosse, Heinrich, Harald Neumeyer
    „Da blüht der Winter schön“
    Musensohn und Wanderlied um 1800.
    Freiburg im Breisgau 1995: Rombach Verlag.
  • Cole, Richard
    When Did the Wandering Jew Head North?
    Scandinavian Studies 87.2 (2015): 214-233.
    Der Autor findet die Figur des ewigen Wanderers im nordischen Zauberer Magus (viδforull).
  • E. Guido
    Ein merkwürdiger Reisender.
    S. 443 in: Charivari [2.]1843=28 Online. Über Lames Dodd, den altenglischen Ahasver, seit 48 unterwegs und nie länger als 13 Tage an einem Ort.
  • Härtling, Peter
    Der Wanderer
    Darmstadt 1988: Luchterhand
    Härtling erzählt von seinen Fussmärschen 1945 im Nachkriegseuropa, getrieben, ohne Zuflucht in einer Heimat die durch Zerstörung fremd wurde.
  • Knecht, Edgar
    Le mythe du juif errant. Essai de mythologie littéraire et de sociologie religieuse.
    Grenoble 1977: Presses universitaires de Grenoble.
  • Knecht, Edgar
    Le mythe du Juif errant. Esquisse de bibliographie raisonnée (1600-1844).
    Romantisme 4.8 (1974) S. 103-116.
  • Joshua Levinson, Orit Bashkin (Hg.)
    Jews and Journeys : Travel and the Performance of Jewish Identity
    408 S. Philadelphia 2021 : University of Pennsylvania Press. DOI Enthält u.a.
    Galit Rokem
    The Jewish Tradition of the Wandering Jew: The Poetics of Long Duration
  • Otabe, Tanehisa
    Wanderung als ästhetische Idee. Ein romantisches Thema und seine Variationen.
    Journal of the Faculty of Letters, the University of Tokyo, Aesthetics 29 (2004) 113–121.
  • Paul Michel (Hg.)
    Symbolik von Weg und Reise
    Wien Lang 1992. Inhalt, darin:
    Kapfhammer, Günther: Ahasver Studien zur Sage über den Ewigen Juden.
  • Wolfgang Pöhlmann
    Ahasver, der wandernde Jude. Eine europäische Legende,
    In: Katarzyna Stokłosa, Andrea Strübind (Hrsg.): Glaube – Freiheit – Diktatur in Europa und den USA. Festschrift für Gerhard Besier zum 60. Geburtstag. Göttingen 2007

Wanderer in der Kunst

  • Ernst Barlach
    Wanderer im Wind
    1927 Kohle auf Papier 63,8×48 cm Ernst Barlach Stiftung Güstrow
  • Ernst Barlach
    Ruhender Wanderer (Theodor Däubler)
    1910 Gips, getönt, 18×50×15 cm Berlin, Nationalgalerie
  • Carl Gustav Carus
    Wanderer auf Bergeshöh
    1818 Öl auf Leinwand 43,2× 33,7cm Saint Louis Art Museum
  • Léon Cogniet
    Ruhende Wanderin in der Campagna (Un abri dans la Campagne de Rome)
    Kreidelithografie auf Velinpapier 24,8×32,2 cm Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Johan Christian Dahl
    Winterlandschaft mit Baum und zwei Wanderern
    1822 Öl auf Leinwand, 33×42 cm Museum der bildenden Künste Leipzig
  • Otto Dix
    Selbstbildnis mit Wanderhut
    1912 Öl auf Papier auf Pappe 49,7×47,2 cm Kunstsammlungen Chemnitz–Museum Gunzenhauser
  • Thomas Fearnley
    Landschaft mit Wanderer
    1830 Öl auf Leinwand, 49×66,5 cm Nasjonalmuseet for Kunst, arkitektur og design, Oslo
  • Ernst Förster
    Der Wanderer
    1832 nach GoethesGedicht „Der Wandrer“ 1772, Öl auf Holz 56×42 cm
    Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
  • Karl Heinrich Gernler
    Berggänger
    1876 Öl auf Leinwand, 100×72 cm Bündner Kunstmuseum Chur
  • Friedrich Gilly
    Wanderer auf der Straße von Jena nach Weimar
    1797 Feder in Braun über Grafit auf Vergépapier 16,6×26,8 cm
    Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Sella Hasse
    Der Haidegänger
    1908, zu Detlev von Liliencrons gleichnamigen Gedicht 1890
    Holzschnitt 8,9×10 cm (Bild) Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Wilhelm Hecht
    Wanderbursche vor der Stadt rastend
    nach Moritz von Schwind, Radierung 17,8×11,1 cm (Platte)
    Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Josef Hegenbarth
    Der Taugenichts geht auf Wanderschaft
    1922 Aquarell mit Leimfarbe auf Papier 43×33 cm Hegenbarth Sammlung Berlin
  • Ernst Ludwig Kirchner
    Herabsteigende Touristen
    1923 Radierung, Ätzung auf Kupfer 25× 30,8 cm (Platte) Kirchner Museum Davos
  • Max Klinger
    Wanderers Ende
    1879 Radierte Skizzen, Blatt 7, Radierung und Aquatinta 41,5×29,4 cm (Platte) LETTER Stiftung Köln
  • Carl Robert Kummer
    Zwei Wanderer in der Sächsischen Schweiz
    1830 Öl auf Leinwand 36,7× 48,8 cm Städtische Galerie Dresden
  • Carl Friedrich Lessing
    Flache Landschaft mit Wanderer
    1834 Feder in Schwarzbraun, laviert auf Papier 22,8×46,4 cm (Blatt)
    Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Adolphe Madou
    Wanderer auf einer Baumwurzel sitzend
    Kreidelithografie auf Velinpapier 36,1×26,6 cm
    Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • NN
    „Oehme Senior, nach Rom wandernd. Vorwärts!“ Der Maler mit Hund von hinten, rüstig ausschreitend
    1822 Tempera und Aquarell über Bleistift auf Naturpapier 16,7×11,6 cm
    Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Ernst Ferdinand Oehme
    Romantische Landschaft mit wanderndem Harfner und Kind
    1830 Feder und Aquarell auf Velinpapier 26×28,8 cm (Blatt)
    Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Johann Christian Reinhart
    Wanderers Sturmlied
    (nach Goethe „Wanderers Sturmlied“ 1772), 1832 Öl auf Leinwand 70,4×92,2cm
    Staatsgalerie Stuttgart
  • Heinrich Reinhold
    Wanderbursche auf dem Weg
    Radierung und Kupferstich 25,6×17,9 cm (Platte), 27,4×19,6 cm (Blatt)
    Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Jørgen Roed
    Ein Künstler bei der Rast auf der Wanderung (En kunstner på van dring)
    1832 Öl auf Leinwand 58×48 cm
    Statens Museum for Kunst, Kopenhagen
  • Karl Friedrich Schinkel
    Drei Wanderer auf einer Ebene
    1812 Grafit auf Vergépapier 20,1×34,7 cm
    Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Moritz von Schwind
    Die Rose oder Die Künstlerwanderung
    1846/47 Öl auf Leinwand 216×134 cm
    Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
  • Hans Thoma
    Wanderer im Gebirge
    1904 Kaltnadelradierung 29,7×25,1 cm (Platte)
    Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
  • Johann Christian Reinhart
    Wanderer unter Bäumen ruhend
    Radierung 19×26,8 cm (Platte) Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
1)
Die Harfenjule. Berlin 1927, S. 63
2)
Lyrischer Kehraus. Lahr 1869, S. 61-63
3)
Edgar Mertner
The Rime of the Ancient Mariner.
In: Karl Heinz Göller (Hg.): Die englische Lyrik. Von der Renaissance bis zur Gegenwart. August Bagel, Düsseldorf 1968, S. 309–331
4)
Max Dauthendey (1867-1918)
Himalajafinsternis. Novelle,
erschienen in: Geschichten aus den vier Winden, Albert Langen München 1915 S. 41–76
wiki/der_ewige_wanderer.txt · Zuletzt geändert: 2024/10/03 04:40 von norbert

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