Siegbert A. Warwitz
Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Erklärungsmodelle für grenzüberschreitendes Verhalten
2. Auflage, Schneider, Baltmannsweiler 2016
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In der Persönlichkeitspsychologie ein Begriff für Personen, die sich in der Gefahrenzone bewegen, also zwischen Sicherheitszone und Traumazone, welch letztere das Risiko von Verletzung oder Tod birgt, zwischen Philobatie 1) und Oknophilie auf der Suche nach Freiheit.
Als »normal« gilt der Aufenthalt in der Sicherheitszone. Außergewöhnlich, jedoch manchmal unvermeidlich, ist das Überschreiten der Grenze. Das ist gesellschaftlich akzeptiert, jedoch mit Regeln verbunden. Liminalität als Schwellenzustand entlang von Grenzen 2) wird gesellschaftlich als Bedrohung empfunden. Im übertragenen Sinne bilden auch Geburt und Tod eine Liminalität. Das Überschreiten der Schwellen ist mit Riten verbunden, der Zeitraum des Überschreitens gilt als Übergangszustand 3). Grenzbereiche zeigen eine Doppelköpfigkeit weil sie einerseits ausschließen und abgrenzen und andererseits notwendigerweise überschreitbar sind. Es sind weniger liminal points als liminal zones, da ihnen eine gewisse Ausdehnung eignet:
Die Doppelköpfigkeit zeigt sich folgerichtig darin, dass sich hier einerseits bedrohliche Geister treffen und dass hier andererseits Schutzgottheiten hausen wie Hekate und Hermes an Kreuzungen, Christophorus an Furten - *Reisegötter eben. An solchen Übergängen wird innegehalten und geopfert - bis heute. Im Himalaya flattern die Gebetsfahnen auf den Pässen, bei uns segnen die Heiligen Drei Könige am 6. Januar die Schwelle.
Grenzgänger jedoch sind suspekt. In archaischen Zeiten lagen kultivierte Gebiete wie Inseln in der Wildnis und wurden von dieser durch den Haag abgetrennt, später reduziert auf Hecke und Zaun; Hagen lagen im Wald. Wer sich jenseits der Hecke auskannte, war die Hexe, die * Hagazussa, als Reiterin auf dem Zaun (dem wilden Zossen) mit einem Bein in der Wildnis und einem Bein in der Gesellschaft. Grenzgänger entscheiden sich nicht für hier oder da, sind Artisten und Virtuosen die hier und dort die Vorteile nutzen. Grenzgänger passen in kein Schema und sind daher beängstigend; dazu gehören heute Abenteurer, Bergsteiger 4) Globetrotter und auch das Fahrende Volk.
In vorchristlichen Glaubensvorstellungen wurden die Eigenschaften solcher Zonen und Übergänge mit Göttern verbunden:
Siegbert A. Warwitz
Veit Rosenberger
Arnold von Gennep
Ulrich Aufmuth
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