Kuhn, Michael
; Sultana, Ronald
(Hg.): Homo Sapiens Europaeus? Creating the European Learning Citizen. New York 2006: Lang. Printing and the Mind of Man PMM 'Bücher, die die Welt verändern' war das Konzept für eine Ausstellung, die Druckwerke nach ihrer Bedeutung für die Kulturgeschichte der Menschheit auswählt und andere Kriterien zurückstellte (→ Ausstellungsliste Bibliophile Reisebücher), also beginnend mit der Welt nach der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg im 15. Jahrhundert.
Diese PMM-Perspektive unterscheidet sich grundlegend von der Idee eines Lesekanons, wie es sie im deutsch-, englisch-, französischsprachigen usw. gibt und der Ideen von „Weltliteratur“, uomo universale und Kosmopolit zugrundeliegen. Vergleicht man die Kanones (Listen bei Wikipedia), so finden sich jedoch nur geringfügige Übereinstimmungen zwischen den Werken auf englischen (BBC, TIMES), französischen (Le Monde), niederländischen Listen, etwas besser sieht es aus, wenn man Autoren vergleicht. In den 300 Titeln der englischen und französischen Listen finden sich Imaginäre Reisen:
Die ZEIT hat seit 1978 vier solcher Listen erstellt, die verglichen mit den oben genannten erheblich weltläufiger sind, doch auch hier findet sich nur ein einziger Reisebericht neben den imaginären Reisen:
Georg Forster
: Reise um die Welt 1778/1780Diese Kanon-Perspektive und die dabei angewandten Kriterien werden kritisch vorgestellt von:
Javier Gómez-Montero
Valéry, Paul
Wenn also die PMM-Perspektive danach fragt, welche Bücher die Welt bewegt haben, dann wird pragmatisch nach Veränderungen gesucht und nicht nach ästhetischen Vorbildern, die man gelesen haben sollte. Auf der einen Seite verschwindet damit die Frage nach dem literarischen Genre: ein Roman (etwa Robinson) kann ebenso viel bewirkt haben wie ein Reisebericht (etwa die Suche nach den Quellen des Nils). Auf der anderen Seite wäre jedoch zu fragen, wie denn die Ursache-Wirkungs-Ketten (messbar?) bestimmt werden können. Der Essay von Georg Christoph Lichtenberg aus dem Jahr 1793 »Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad?« wäre dann daraufhin zu befragen, ob er in der Sache etwas bewegt hat.
Darüber hinaus kann solch ein Text dennoch ästhetischen Kriterien genügen: Lichtenbergs Essay wurde von Marcel Reich-Ranicky
in seinen Kanon aufgenommen, der als ein Kriterium in seinem Essay-Band Michel de Montaigne
zitiert »Das Glück des Staunens gibt mir das beste Argument.«
Das Staunen verbindet das Leseerleben mit dem Reiseerleben und führt wiederum zu Montaigne: »Meine Gedanken schlafen ein, wenn ich sitze. Mein Geist geht nicht voran, wenn ich nicht meine Beine in Bewegung setze.«
Kuhn, Michael
; Sultana, Ronald
(Hg.): Homo Sapiens Europaeus? Creating the European Learning Citizen. New York 2006: Lang.