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Begleiter & Gefährten
Ein Begleiter (engl. Fellow Traveler) unterstützt den Reisenden unterwegs im Zwischenraum. Für etwa gleichrangige einander begleitende Reisende mit gemeinsamen Zielen gibt es im Deutschen mehrere konkrete Begriffe:
- Weg(Reise-)begleiter
Das Grundwort `leiten´ ist kein `führen´ im Sinne von Vorgehen sondern ein Mitgehen (geleiten) auf einem Weg, dabei jedoch in besonderer Weise miteinander verbunden, insbesondere wenn die Umstände unangenehm werden und eher mit 'leiden' verwandt. Bereits im 14. Jahrhundert verschmolzen ahd. bileiten, mhd. beleiten ‘führen, geleiten’ und mhd. nhd. geleiten zu 'begleiten', noch bei Luther heißt es 'geleiten'. - Reisegeselle
Bereits mittelhochdeutsch nachzuweisen.Martin Zeiller
Fidus Achates, Oder Getreuer Reisegefert, welcher seinen Reisegesellen nicht allein zum Theil aber aus eigener Erfahrung zum Theil aber aus andern Schriften und Berichten … Zusambt Martini Zeilleri kurtzem Bedencken, wie etwan die Reisen insgemeine wol u. nützlich anzustellen seyn mögen
Auch 2 ausführl. Registern. 577 S. Ulm 1653: Wildeisen.
Der treue Achates, Gefährte des Aeneas bei Vergil.
- Reisegenosse
Ab dem 19. Jahrhundert. - Reisepartner
Der Begriff erscheint etwa ab 1970 zunehmend, während der 'Reisegenosse' bis 1980 nahezu verschwindet. (DWDS) - Reisebekanntschaften sind zufällig, flüchtig, vielversprechend, überstürzt, gefährlich …
Vischer, Friedrich Theodor
Auch einer: eine Reisebekanntschaft.
Deutsche Verlagsanstalt 1908. → Tücke des Objekts
Begleiter im weitesten Sinne, die den Reisenden als Kundige mehr oder weniger dienend begleiten, sind beispielsweise:
- Dark Companions, indigene Begleiter und Führer (Intermediaries, interpreter)
- Gesind > Gesinde
- Leitsmann > Leitsleute > Geleitswesen
- Wächter
Möglicherweise lassen sich diese Figuren differenzierter betrachten, indem ihre Funktionen im Verhältnis des Reisenden zu Gemeinschaft und Gesellschaft näher untersucht werden, siehe personale Systeme im soziotechnischen Handlungssystem.
Daniel Gruber
2) empfiehlt 1619: »Comites sibi seligat certos, delectos, jucundos, vehiculi qui instar, aequalis scopi & studii, nec non certum numerum, qui Gratiarum compleat, Musarum non superet: ne multitudo molestum, paucitas infestum reddat iter.«
übersetzt von Schudt 3): »Er möge zuverlässige, treue, fröhliche Kameraden wählen, die die gleichen Zwecke und Studien verfolgen; ihre Zahl soll die der Grazien erreichen [2–3], aber die der Musen [9 nach Hesiod] nicht übersteigen: die Menge soll die Reise nicht beschwerlich und die geringe Zahl sie nicht unsicher machen.«
Institutionen für unterwegs
Daraus gebildet wurden abstrakte Begriffe für multifunktionale Institutionen, die durch Zusammenschluss entstehen können:
- (Reise-)gesellschaft
- Genossenschaft
- zur weggenossenschaft gehören beide gaben,
nicht blos ein gleiches ziel, auch gleichen schritt zu haben.
Rückert Werke 8, 272, zitiert nach Grimm;
Institutionen, die durch Zusammschluss gebildet wurden, finden sich bereits in germanischer Zeit als:
Begriffe außerhalb des deutschsprachigen Raumes
Für die deutschen Begriffe finden sich kaum adäquate Übersetzungen in den anderen europäischen Sprachen (Begriffe für Führer und Träger siehe dort):
- Fellow Travelers (engl.)
- Companion
'Der, mit dem man das Brot teilt' gelangte über das französische compagnon aus der lateinischen Soldatensprache (compāniōnem) ins Deutsche (dort oft abwertend etwa als Saufkumpan) und und in andere Sprachen. Dieselbe Bildung gab es auch im Germanischen, etwa als althochdeutsches gi(h)leibo. 4)Williams, Wes
D'Un ami l'autre. La figure du compagnon chez les pèlerins de Jérusalem.
Romanic Review 94.1-2 (2003) 93−114.
- Comes
Das lateinische comes 'mitkommen' hat denselben Sinn, dessen Bedeutung sich allerdings vielfach verschoben hat von Helfer > Beschützer > Beschatter > Begleitperson > Mann aus dem Gefolge > Geleitsmann > Paar > was man bei sich hat > Quälgeist und anderes, siehe bei:Hessler, Wolfgang
Comes - „Begleiter/Graf“, Marginalien zu dem Artikel im Mittellateinischen Wörterbuch.
Archivum Latinitatis Medii Aevi, 39 (1973) 121−153. DOI
- Escort (engl.) weist auf bewaffneten Geleitschutz hin
- Konvoi < frz. convoyer 'begleiten'
- λαός Laos
Bietenhard führt die Bedeutung des griechischen Wortes λαός 'Leute' zurück auf „das (bewaffnete) Geleit, die Leibwache oder -garde des Herrschers, dann die Kriegerschar, Krieger, das Kriegsvolk, und schliesslich das Volk, die Leute“ und verknüpft dazu zahlreiche Belege der semitischen Sprachen. 'Geleit' entspringt danach einer Hierarchie, verbindet also beispielsweise Herrschaft und Dienerschaft. Der konkrete Ursprung führt über 'umgeben, verbinden, zusammenschließen, versammeln' zurück auf 'winden', beispielhaft wird auf das Ranken einer Kletterpflanze verwiesen.Bietenhard, Hans
Zur Etymologie des griechischen Wortes Λαός/Volk.
Museum Helveticum, 59.1 (2002) 1–11. Online
- Peregrinatione comes (lat.)
- Poputchik
1917 bezeichneteLeo Trotzki
insbesondere Schriftsteller, die russische Revolution durch ihre Arbeit unterstützten ohne selbst politisch aktiv zu sein als poputchik 'die denselben Weg gehen'. Poputchik wurde zum festen politischen Begriff, english übersetzt als fellow traveller, zu deutsch etwa 'Mitläufer'. - Socius itinerarius (lat.), beim Augustinerorden der Weggefährte des führenden litis procurator, da die Mönche bei offiziellen Sendungen zu zweit (bini et bini) gehen müssen, dabei jedoch hintereinander 7)
- Мой спутник, Moi sputnik (russ.)
Literatur
Dieser Themenblock bildet akademisch ein Schwarzes Loch. Belletristisch werden die Begriffe Weg-/Reisegefährte gerne verwendet, allerdings metaphorisch und selten auf konkrete Reisen bezogen. 'Wegbegleiter' wurde seit je im übertragenen Sinn benutzt, insbesondere spirituell-religiös, aber auch die Verbundenheit mit anderen Menschen bezeichnend.
Fridrich Naumovič Gorenštejn
Reisegefährten.
[=Попутчики Poputčiki] Roman 255 S. Berlin 1995: Rowohlt
Daniel Gruber
, 1688–1748Discursus de peregrinatione studiosorum, zit. nach Schudt S. 48
Ludwig Schudt
Kapitel: Reiseeindrücke. In itineribus observanda.
S. 135–189 in seinem Werk: Italienreisen im 17. und 18. Jahrhundert, Wien, München: Schroll 1959. Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, 15. Online
Taciti, soli, sanza compagnia,
N'andavam l'un dinanzi e l'altro dopo,
Come i frati minor vanno per via
zitiert nach:
Camenisch, Carl
Über welchen Bündnerpass ist Luther nach Rom gereist?
Bündnerisches Monatsblatt : Zeitschrift für bündnerische Geschichte, Landes- und Volkskunde (1949) 311-316