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wiki:landmarke

Landmarke

In von Menschen gegliederten Umgebungen bilden »wayfinding choremes« als Navigationselemente sinnvolle Handlungsanweisungen, etwa: an der Ampel links, immer geradeaus, dritte Kreuzung rechts.
Außerhalb solcher Umgebungen funktioniert das selten, denn es fehlen technische Artefakte (z.B. Bauten und Wege), die indirekt wegführend wirken. Selbst ein »immer geradeaus« scheitert ohne Bezugssystem und ist im Gelände selten möglich und sinnvoll.

Offroad-Landmarken

In diesen Umgebungen sucht das Auge nach naturgegebenen off-road-Landmarken 1) zur Fernorientierung: ein überragender Baum, eine besondere Felsformation, eine spezifische Gipfelform und verknüpft diese Phänome assozitiv mit bekannten Mustern, wie sich das an vielen Flurnamen erkennen lässt, insbesondere an Fluss- und Bergnamen, also Hydronymen und Oronymen sowie an Geschichten, die mit diesen verbunden sind. Dabei bildet sich die Vorstellung einer »kognitiven Karte«.
Landmarken sind topographische Objekte, die zur Navigation genutzt werden können, weil sie besonders auffällig sind oder gar einmalig (»Salienz«), also

  1. sich von ihrer Umgebung unterscheiden;
  2. von der Position des Suchenden gut sichtbar sind, insbesondere am Start- und Zielpunkt sowie an Entscheidungsstellen;
  3. deren Bild sich mit einem Muster in der Wahrnehmung verbindet, als außergewöhnlich bewertet wird oder eine spezifische Assoziation auslöst.

Die Eigenschaften einer Positions-Landmarke sind daher

  1. Beständigkeit, also
    1. standfest,
    2. ortstreu und
    3. witterungsbeständig.
  2. auffällige Sichtbarkeit, also
    1. eine vertikale Struktur und
    2. Umrisse, die sich gegen Umgebung und Horizont abheben;
  3. ein exponierter Standort
    1. zur Fernorientierung an erhöhten oder vorspringenden Stellen im Gelände (z. B. Hügel), die vom Weg aus sichtbar sind;
    2. zur Nahorientierung an einem bedeutsamen Wegabschnitt wie etwa Gabelung, Kreuzung, Quelle, Furt, Anlandestelle, Pass
  4. eine besondere kulturelle Bedeutung (Steinmann, Kreuz, Gebetsfahnen, Heiliger Baum, Grab …).

Richtungsweisende Landmarken

Zwangsweise wegführend wirken Landmarken zweiter Ordnung, also topographische Strukturen, die die Fortbewegung in manchen Richtungen zwar behindern, doch damit indirekt andere Richtungen fördern. Richtungweisend wirken etwa ein Fluss oder eine Schlucht, ein dichter Wald oder ein Moor. Diese können für »wayfinding choremes« genutzt werden: Folge dem Fluss bis zum Wasserfall.

Richtungstreue Formen

Die Fließrichtung eines Gewässers führt immer zur Mündung an der tiefsten Stelle und in Gegenrichtung zur Quelle an der höchstgelegenen Stelle.
Vergleichbares gilt für krummgewachsene Bäume, deren Wuchsform ins Hinterland weist, wenn vorherrschende Winde von der See kommen, aber auch für die Richtungen von Sandwellen und Dünen.
Nordhänge sind im Gebirge kälter und feuchter als Südhänge und zeigen das durch ihren Bewuchs.

Der Blick für natürliche Zusammenhänge ermöglicht eine Raumvorstellung ohne Karte, Kompass und Himmelsrichtungen. Auch Instinkt ermöglicht Orientierung, denn Tiere finden sich hervorragend im Raum zurecht.

Die Fortbewegung des Menschen richtet sich visuell nach den Landmarken und physisch nach den gangbaren Möglichkeiten sowie drittens nach der mentalen Karte in der Vorstellung. Orientierung, Routenplanung und Wegfindung greifen wie Zahnräder ineinander.

Literatur

  • Dräger, Kathrin, Rita Heuser, Michael Prinz
    Toponyme: Standortbestimmung und Perspektiven.
    X, 270 S. (= Germanistische Linguistik, 326) Berlin, Boston 2021: Walter de Gruyter. DOI Inhalt u.a.:
    • Benennungsstragien, Orientierungssysteme und Namenlandschaften
    • Toponyme einer nomadischen Gesellschaft : Orientierung in einer ariden Landschaft: Chancen und Möglichkeiten digitaler Toponomastik am Beispiel der Retrodigitalisierung mit Wikisource
      [basierend auf einem Wörterbuch des Berberischen im Raum der Sahara]
  • Elias, B.
    Extraktion von Landmarken für die Navigation.
    Diss. Hannover 2006: Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Online
    Hier geht es eigentlich um Stadtmarken, also die Orientierung im bebauten Gelände. Sehr strukturierte Vorgehensweise mit dem Ziel einen Algorithmus zu entwickeln, der Landmarken erkennt.
  • Kluth, Sascha
    Computerunterstützte Raumwahrnehmung für Wanderer.
    Masterthesis bei Kai Luck, Informatik, Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg 2010. »Backcountry Wanderung«
  • Lynch, K.
    The Image of the City.
    The MIT Press, Cambridge 1960.
  • Stephen McKenzie
    Conquest landmarks and the medieval world image : a study in cartography, literature and mythology.
    256, [8] S. , 8 Tafeln. Diss. University of Adelaide 2000 Online
    Der Autor beschäftigt sich mit den Landmarken am Ende der Welt. Akribisch werden die vorhandenen Quellen ausgewertet: Erwähnungen in Texten, Darstellung auf Karten (Mappaemundi), Standorte baulicher Artefakten (Tempel, Altäre, Säulen, Tore), Geographische Positionen: Landmarken, Etymologien (z.B. Gades). Auf dieser Basis werden die Funktionen der Landmarken analysiert: mythologisch als Tore in eine andere Welt (Ende der Welt) verbunden mit mythischen Personen (Herkules, Jason, Odysseus), Ökumenegrenzen, äußerste Punkte von Eroberungen (Alexander), Herrschaftsgrenzen (römisches Reich), Himmelsrichtungen, Grundlage für Kosmogonien:
    • im Osten: Pillars of Hercules, Pillars of Alexander, Pillars of Dionysius/Bacchus, Trees of Sun and Moon
    • im Norden: Altars of Alexander, Gog and Magog, Aleander's Gate, Caspian Gates
    • im Westen: Pillars of Hercules, Gades, Twin Mountains
    • im Süden: Ammon's Temple, Nubian Gates, Camp of Alexander, Altars of Philaeni
  • Reber, Jacqueline
    Strukturen und Muster in der Namenwelt. Quantitative und qualitative Untersuchungen zum Toponymenbestand der beiden Solothurner Amteien Dorneck-Thierstein und Olten-Gösgen.
    Dissertation Universität Basel 2013. XII, 283 S. Tübingen 2014: A. Francke Online. Inhalt
  • Schramm, Gottfried
    Nordpontische Ströme namenphilologische Zugänge zur Frühzeit des europäischen Ostens.
    254 S. Göttingen 1973: Vandenhoeck + Ruprecht.
    Inhalt u.a.: Fernverbindungen zum Nordrand des Schwarzen Meeres
  • Stolz, Thomas, Ingo H. Warnke
    Vergleichende Kolonialtoponomastik. Strukturen und Funktionen kolonialer Ortsbenennung.
    VI, 517 S. (= Koloniale und postkoloniale Linguistik, 12) Berlin/Boston 2018: De Gruyter.
    Inhalt u.a.: Mikrotoponyme in Deutsch-Samoa und Deutsch-Neuguinea, europäische Ortsnamen in Grönlands Nordosten, russische Toponyme in Alaska, französische und spanische auf Hispaniola u.a.
  • Waller, D., Lippa, Y.
    Landmarks as beacons and associative cues: Their role in route learning.
    Memory & Cognition 35 (2007) 910–924. DOI
  • Warren, W. H.; Scott, T. E.
    Map alignment in traveling multisegment routes.
    Environment and Behavior, 25(5) (1993) 643-666.
  • Sperling, Walter
    Bäume und Wald in den geographischen Namen Mitteleuropas: die böhmischen Länder: eine geographisch-statistisch-namenkundliche Bestandsaufnahme.
    422 S. Literaturverz. S. 403 - 422. Leipzig 2008: Leipziger Univ.-Verl.
1)
engl. landmark, niederländisch landmerk; franz. point de repère, ital. punto di riferimento; polnisch punkt orientacyjny
wiki/landmarke.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/06 03:03 von norbert

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