Weites Land

Oft enthalten Beschreibungen ferner Länder die Formulierung, dieses sei »ein weites Land«. Gemeint ist damit jedoch weniger eine sachliche Raumvorstellung, sondern vielmehr Vorstellungen von Freiheit durch Grenzenlosigkeit und von Möglichkeiten durch den Reichtum der Natur. Endlose Wüsten sind daher kein »weites Land«.

Es liegt nahe, diese Vorstellungen auf die Bibel zurückzuführen, in der Gott den Israelitern verspricht:
»Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, darin Milch und Honig fließt« (Exodus 3,8), gleichlautend auch in der griechischen Septuaginta 1), der lateinischen Biblia Sacra Vulgata 2) und in der englischen Standardbibel 3).

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nach der Christianisierung Europas um das Jahr 1000 die Länder, in denen Milch und Honig fließen konnte, nur noch außerhalb in »heidnischen« Gebieten gesucht werden konnten, also machte man (Waldläufer, merchant adventurer, Missionare) sich auf dorthin:

Die Siedler wurden gelockt von Nachrichten und kamen um zu bleiben. Sie folgten den Spuren Einzelner: Abenteurer, Entdecker, Glückssucher, Outlaws, Waldläufer. Sie alle einte der Glaube an ein Ziel und die Hoffnung auf Milch und Honig in einem Weiten Land, dessen Grenzen sie nicht kannten. Sie fanden Busch und Wildnis, Niemandsland und Hinterland. Ihnen folgten Religion und Gesetz, also die Macht von Kirche und Staat. Die Vorläufer (Pioniere, Voortrekker) bewegten sich an der frontier, der Staat setzte die Grenzen; entgrenztes Verhalten wurde zum Tropenkoller erklärt.

1)
καὶ κατέβην ἐξελέσθαι αὐτοὺς ἐκ χειρὸς Αἰγυπτίων καὶ ἐξαγαγεῖν αὐτοὺς ἐκ τῆς γῆς ἐκείνης καὶ εἰσαγαγεῖν αὐτοὺς εἰς γῆν ἀγαθὴν καὶ πολλήν, εἰς γῆν ῥέουσαν γάλα καὶ μέλι
2)
et educerem de terra illa in terram bonam et spatiosam in terram quae fluit lacte et melle
3)
to bring them up out of that land to a good and broad land, a land flowing with milk and honey