Inhaltsverzeichnis

Liste biographischer Reiseliteratur

Vorbemerkung

Daß der Markt nach Biographien giert, ist seit vielen Jahren zu beobachten. Angetrieben wird dies vom Bedürfnis der Leser nach Authentizität und nach abenteuerlichen Erzählungen auf der Basis wahrer Reiseerlebnisse. Bedient wird es durch diejenigen, die davon leben wollen, sich selbst und ihren Namen als Marke verstehen. Dass dabei ein nüchterner Reisebericht oder eine objektive Biographie entsteht, scheint kaum zu erwarten. Autobiographien öffnet sich dabei das weiteste Feld der Selbstrekonstruktion des Einzelnen; Anlass bieten insbesondere die runden Geburtstage als Übergang in neue Lebensphasen.

Nun sind Biographien eine Erfindung der Neuzeit und setzen eine Beziehung „Ich-und-die-Welt“ voraus. Vorläufer waren griechisch-römische Heiligenbiographien sowie Lebensbeschreibungen von Herrschern (Kaisern, Päpsten, Fürsten). Dass Einzelne und deren ICH im Mittelpunkt standen, entwickelt sich ab dem 13. Jahrhundert.
Im folgenden finden sich Werke mit dem Schwerpunkt auf Reisen; solche mit dem Schwerpunkt auf Abenteuer sind getrennt gelistet; der Übergang ist fließend.

Rüdiger Nehberg wollte es sich und anderen mit seiner letzten Tat noch einmal zeigen und ließ sich vom Hubschrauber im brasilianischen Urwald ohne Ausrüstung absetzen (»Abenteuer Urwald«), bevor sich seine Jahresringe rundeten. »Autobiographien sind wie Werbekampagnen«, schreibt Nehberg in seiner Autobiographie (S. 326), »das Positive wird bis zur Unerträglichkeit aufgebläht, das Negative bis zum Verschwinden verniedlicht.« Das ist doch ehrlich. Es ist jedoch nicht so, daß Nehberg die Tinte nicht hätte halten können. Fünf Seiten lang begründet er im Vorwort, warum zwei Frauen seiner Umgebung verantwortlich für das Buch sind – sie hatten einfach die besseren Argumente. Da kann man nichts machen. Sicherheitshalber bat Nehberg einen Journalisten und mehrere Lebensbegleiter »ihre Blickweise auf mich niederzuschreiben«.

Reinhold Messner setzte für seine Autobiographie denselben Trick noch etwas geschickter ein, er ließ sich von Spiegel-Reporter Thomas Hüetlin interviewen.
Heinrich Harrer wiederum schließt seine Autobiographie mit dem Satz: »Zum ersten Mal kann ich nicht mehr vorausplanen … Stattdessen habe ich gelernt, jeden Tag wie ein Geschenk zu genießen«. Dem hält Nehberg entgegen: »Ich bin … davon überzeugt, dass ich mit 100 den zweiten Band meiner Lebensbilanz nachschieben kann«. Die Rückschau gerät daher dem einen abschließend, dem anderen eher als Zwischenbilanz. Man fühlt den Unterschied.

Drei der Vorgenannten habe ich jeweils kurz und unter vier Augen kennengelernt:
Heinrich Harrer in seinem Museum in Hüttenberg, Rüdiger Nehberg im Abenteuermuseum und Reinhold Messner auf seiner Burg Juval, heute ebenfalls Museum. Besonders beeindruckt hat mich Harrer, und wie Messner schien er mir aus seinen Büchern vertraut. Nur die Person Nehbergs bringe ich bis heute einfach nicht zusammen mit dem Bild, das ich aus seinen Büchern habe. Der Psychologie sind die verschiedenen Bildperspektiven bekannt: Jeder hat ein Bild von sich selbst; jeder möchte, daß die anderen ein bestimmtes Bild ihm haben; jeder glaubt, daß die anderen ihn auf eine bestimmte Weise sehen; und tatsächlich sieht jemand anders ihn auf eine bestimmte Weise. Alle diese Bilder unterscheiden sich. Man kann damit leben und gelassen bleiben oder auch nicht.
Ich glaube, daß Messner darum kämpft, sein öffentliches Bild mit seinem eigenen in Deckung zu bringen. Das birgt Konflikte.
Nehberg scheint es darum zu gehen, dem öffentlichen Bild zu entsprechen und versteht sich selbst als „Marke“, die es zu verkaufen gilt.
Harrer sagt schlicht: »Mein Leben« und überläßt es den anderen, was sie damit anfangen.
Ein vierter schließlich, Heinz Rox-Schulz († 2003), hinterließ keine Autobiographie, das hätte seinem Selbstverständnis widersprochen: »Alles, was ich erreicht habe, wollte ich nicht.« Der Anti-Bürgerliche war eben auch Anti-Abenteurer, wenn er dem Abenteurer-Bild in den Köpfen Bürgerlicher entsprechen sollte.

Dem Leser stellt sich bei jeder Autobiographie die Frage: Warum will, soll ich das lesen? Unabdingbar ist sicher, daß man als Leser fasziniert ist von der Persönlichkeit des Autors. Doch wie nähert man sich dem Text? Sensationslüsterne Neugierde auf Details? Ehrfurcht vor dem Leben eines Vorbildes? Die Suche nach Tipps für das eigene Leben? Oder liest man diese Lebensschilderungen als Dichtung, als Erzählung, als Roman?


Biographien A - Z (Reisende)

Bibliographien zu den Reisenden aufweisen.
Ausstellungsliste Reisende von A bis Z
→ Reisende Frauen siehe: Frauen unterwegs

A

Roald Amundsen

Hans Christian Andersen

Walter Andrae

Antonin Artaud

B

Ilija Trojanow
Nomade auf vier Kontinenten
Auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton
1. Auflage (=Andere Bibliothek Band 269), Eichborn Frankfurt am Main 2007
Pappband mit Fadenheftung und Lesebändchen 12x21,5 cm
444 Seiten, durchgehend zweifarbig, Fotos, Textabb. 

»Sir Richard Francis Burton (1821-1890) war Weltreisender, Gelehrter, Erotomane, Bibliophiler, Autor, Lebemann. Er war Offizier in Indien, Diplomat in Brasilien, als Autor besuchte er die Mormonen in Utah, er suchte die Quellen des Nils und entdeckte den Tanganjika-See, als Muslim verkleidet betrat er als einer der ersten Europäer zahlreiche ‚verbotene’ muslimische Orte, u. a. Mekka. Er übersetzte erotische Schriften, unter anderem das Kamasutra und die Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht. Er lernte 35[?] Sprachen und schrieb rund 60 Bücher. Keine der zahlreichen Biographien ist bislang ins Deutsche übertragen.«
Ein Zitat von Wikipedia ebenso wie aus dem Klappentext. Hat Trojanow den Wikipedia-Eintrag geschrieben oder zitiert er ohne Quellenangabe?
Ilija Trojanow wurde 1965 in Sofia geboren, seine Eltern emigrierten 1971 nach Deutschland, von 1972 bis 1984 lebte die Familie in Nairobi. Trojanow studierte Ethnologie und Jura in München und gründete 1989 den auf afrikanische Literatur spezialisierten Marino Verlag. Zwischen 1998 und 2003 lebte er in Bombay, anschließend bis 2007 in Kapstadt. (Ebenfalls aus Wikipedia)
Trojanow wanderte 2001 drei Monate auf Burtons Spuren durch Tansania, er folgte dem Ganges von den Quellen bis in die großen Städten, praktiziert den Islam und und pilgerte nach Mekka. Er tat überhaupt manches, das Burton tat oder hätte getan haben können, beide sammelten Welten. Ein sympathisches Hobby, dessen Exponate jedoch schwierig zu zeigen sind und das sich erst in einer Biographie so richtig erschließt. Für seinen Roman, die fiktionale Biographie Der Weltensammler mit seinem Protagonisten Richard Burton, wurde er vielfach literarisch ausgezeichnet, die Rezensenten sind durchweg begeistert.
Der vorliegende Band ließe sich als Materialsammlung zum Weltensammler deuten. Trojanows Perspektive, seine eigenen Reisen und Erfahrungen sind jedoch so verwoben mit denen Burtons, daß der Leser sich hin und wieder orientieren muß: Wer erzählt denn nun gerade? Daß Autor und Protagonist miteinander verschmelzen, kennzeichnet eher einen Roman als eine Biographie; Trojanow bewundert sein alter ego, findet Gemeinsames vielleicht im vorangestellten Motto: Dem Starken ist jeder Ort Heimat.
Verlegerisch ist der Band aufwendig gemacht, ein Glanzstück der Anderen Bibliothek: lebender und toter Kolumnentitel, Marginalien, zweifarbiger Satz, exzellente Abbildungen, die teils aus Sammlungen stammen (etwa von den berühmten Fotografen Lehnert & Landrock), Fußnoten, Fadenheftung und ein kommentiertes Literaturverzeichnis (»wirft die fürsorgliche Frage auf, wie man einen Menschen vor ungeeigneten Biographen schützen kann«, Trojanow über das Werk von Thomas Wright), Zitate in arabischer Schrift, Sindh, Pali … bis hin zur Morseschrift. Das wohl nur zur Deko, denn die Zahlen von eins bis zehn in Leptša-Schrift finden sich bei Afghanistan.
Einen Triumph der Form über den Inhalt feiern auch die oberen Drittel der Seiten 170 bis 270: Die erste deutsche Übersetzung von Burtons Kasidah (von Menno Aden) abzuheben ist sicher wichtig, aber: kursiv, in Konsultationsgröße, negativ weiß auf dunklem Grün: Wer soll das ohne Kopfschmerzen lesen?
Die Fußnoten nehmen ein Glossar auf, das allerdings manchmal zu viel erklärt (Wie kocht man chai?) und oft die Assoziationsketten des Autors enthält (wichtig in der Entwurfsphase – aber für den Leser?). Nett Die Fußnote zum Wort bubbert (Seite 148: »Die Lektorin hat den Autor vergeblich darauf hingewiesen, daß dieses Wort weder existiert noch besonders onomatopoetisch ist, muß sich aber leider der dickköpfigen Uneinsichtigkeit des Autors beugen«. Wobei ich die glossierende Fußnote zu onomatopoetisch vermisse (wau-wau ist onomatopetisch, der Schmetterling dagegen nicht). Der Aufhänger von Trojanows Reise auf den Spuren Burtons, die letztendlich erfolglose Suche nach dessen Tagebüchern, tritt angesichts der Fülle von Inhalten und Formen in den Hintergrund.

Hermann Buhl
Achttausend drüber und drunter
Mit den Tagebüchern von Nanga Parbat, Broad Peak und Chogolisa
Vorwort von Hans Kammerlander, kommentiert von Kurt Diemberger
1. Auflage Malik München 2005
Pappband mit Schutzumschlag und Lesebändchen. 13x21,5 cm
360 Seiten, 8 Farbtafeln, 24 Schwarzweißtafeln
Hermann Buhls Tourenbuch in Auszügen 

Der Innsbrucker Hermann Buhl (1924 – 1957) zählt zu den großen Bergsteigern; international berühmt wurde er durch die Erstersteigung des Nanga Parbat 1953, seinem ersten Achttausender. 1957 verunglückte er tödlich am Chogolisa, der sein zweiter Achttausender hätte werden sollen.
Der vorliegende Band ist weitgehend autobiographisch zu verstehen, wenngleich an dieser Bearbeitung und Zusammenstellung viele mitarbeiteten, an erster Stelle wäre seine noch lebende Witwe zu nennen und sein Bergsteigerkamerad Diemberger, der den tödlichen Unfall am Chogolisa miterlebte. Lesenswert ist das Buch, weil hier jemand ohne Starallüren berichtet, wie er sein Leben einer Leidenschaft gewidmet hat, zu verstehen als Leiden-schaft, als Bereitschaft jedes Leiden anzunehmen, sofern es es sich mit dem Erleben der Berge verbindet. Das Sponsoring steckte damals in den Kinderschuhen und Buhl verkaufte sich nicht als Marke, finanzierte seine Leidenschaft mit mit normalen Berufen. Das unterscheidet Buhl deutlich und angenehm vom heutigen Berufsbergabenteurer. Was er tat, tat er für sich und nicht, weil es galt, eine Leistung marktkonform anzubieten.
Dem Leser bietet diese Ausgangssituation einen enormen Vorteil: Buhls Schilderungen klingen bescheiden und seine teils gigantischen Leistungen verstecken sich oftmals zwischen den Zeilen, sind nur dem begreifbar, der einen ähnlichen Erfahrungshintergrund hat. Keines der »modernen« Bergbücher hat mich so gefesselt wie dieses. Kaum begonnen, mochte ich es kaum noch weglegen, so spannend fand ich es und vor allem: so ehrlich. Wegen mir wäre es nicht nötig gewesen, das 1954 erstmals erschienene Buch nochmals aufzuwerten; die Tagebücher von Nanga Parbat, Broad Peak und Chogolisa sind hier erstmals ungekürzt veröffentlich. Die Expedition zum Nanga Parbat hatte eine Vorgeschichte, die in die dreißiger Jahre zurückführt, und eine Nachgeschichte, die ab und an immer noch Aufmerksamkeit findet. Wen’s interessiert, der findet entsprechende Buchempfehlungen in Trotter 114, S.39 ff.

Carolly Erickson
Die Gefangene der Botany Bay
Ein abenteuerliches Schicksal aus den ersten Tagen Australiens
Aus dem Amerikanischen von Katharina Of (The Girl from Botany Bay 2004)
München: Piper 2004
Pappband mit Umschlag 12x20,5 cm
268 Seiten, Anmerkungen, Karten auf Vorsatz

Mary Broad wurde in Cornwall als Straßenräuberin festgenommen, verurteilt und zusammen mit 700 anderen Strafgefangenen nach Australien verschifft. Sie kann fliehen und begegnet dem zeitgenössischen Schriftsteller James Boswell, der über ihr Schicksal schreibt. Selten genug, wurde damit ihr Lebenslauf für die Nachwelt erhalten, denn gemeinhin dokumentierte man nicht das Leben der Unterschichten.
Die Autorin dieses Bandes ist promovierte Historikerin und publizierte damit ihr achtes Werk. Wie sie selbst sagt, gibt es kaum zeitgenössische Quellen über Mary, so daß sie sich bei der Rekonstruktion auf allgemeine Kenntnisse der zeitgenössischen Umstände Marys stützt.
Nun kann ja nicht jeder so beispielhaft rekonstruieren wie Caroline Alexander (Bounty) oder Heffernan (Meuterei auf der Globe, Trotter 113). Das vorliegende Bändchen ist im Gegensatz dazu eher schmal, der Anmerkungsapparat dürftig. Mich stört bei der Lektüre, daß die bekannten Fakten aus dem Leben der Mary Broad der Autorin mehr als Stichwort dienen, ihrer erzählerischen Phantasie freien Lauf zu lassen. Nützlich ist die Phantasie im Rahmen eines Sachbuchs wenn es gilt, Möglichkeiten begründet darzustellen und auszuschließen. Hier ist, wie ich finde, die Grenze zum Roman überschritten, wenn die Autorin etwa schreibt »Mary dachte: …« Fakt und Fiktion lassen sich für den Leser nicht unterscheiden. Als Roman kann man das Buch lesen, um sich ein Bild aus dem Leben der Deportierten in Neusüdwales um 1790 zu machen, als Biographie von Mary Broad finde ich es zu mager.

C

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Wilfred Thesiger
Mein Leben in Afrika und Arabien. Autobiographie
Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer (Life of my choice, London 1987). 
München: Malik 2004. 
Pappband mit Umschlag und Lesebändchen 13 x 21,5 cm: 
460 Seiten, 16 Schwarzweißtafeln, Kartenskizzen & Abbildungen im Text
Glossar, Posthumes Nachwort von Alexander Maitland

»Im Schritttempo und mich unter Entbehrungen vorankämpfend, war ich vielleicht der letzte Entdeckungsreisende alten Stils. Ich war stets am glücklichsten, wenn ich keinerlei Kontakt zur Außenwelt hatte und mich völlig auf meine einheimischen Reisegefährten verließ. Meine Leistung bestand darin, ihr *Vertrauen zu gewinnen, und Lohn war es mir, daß ich in Abessinien der erste Europäer war, der das Sultanat Aussa bereiste; daß ich in Arabien der erste Europäer war, der zur Oase Liwa vordrang und die berühmten Treibsandfelder vom Umm Al-Sammim sah; – daß ich auf so vielen meiner Reisen gerade noch rechtzeitig kam.« Sir Wilfred Thesiger (1910-2003) mangelte es nicht an Selbstbewußtsein, doch deckte sich sein Eigenbild mit dem Ansehen, das er hatte.
In dieser Autobiographie, die bereits vor 20 Jahren geschrieben wurde, schaut er melancholisch zurück, insbesondere auf seine Kindheit in Äthiopien und seine Reisen vor dem zweiten Weltkrieg in Abessinien, im Sudan, in die Danakil. Die Jahre nach 1945 werden auf wenigen Seiten zusammengefaßt, auch seine Reisen ins Innere Arabiens müssen andernorts nachgelesen werden, etwa in Die Brunnen der Wüste: Fünf Jahre lebte er bei den Bedu. Acht Jahre verbachte er im Südirak, zwei Jahre in Pakistan und weitere zwei in Afghanistan … Uns Globetrottern glänzen die Augen. Und doch steckt darin die Tragik eines Lebens: Geboren als Sohn eines britischen Diplomaten in Äthiopien, Studium in Eton und Oxford, doch immer zog es ihn nach Anderswo, ohne Heimat, ohne Wurzeln, immer wieder vertrieben. Vertrieben aus Äthiopien, vertrieben aus Arabien, wo er seine Wahlheimat bei den Bedu in der Wüste fand. Zurückschauend sah er seine Lieblingsplätze zerstört von Krieg, Bürgerkrieg oder – wie im Falle der arabischen Länder – durch zu viel Geld: »ich halte die Vergangenheit in Ehren, fühle mich mit der Gegenwart nicht im Einklang und fürchte die Zukunft«.
So spricht ein Mensch, der zur falschen Zeit am falschen Ort gelebt hat. »Seiner zunehmenden Gebrechlichkeit wegen verbrachte Thesiger seinen Lebensabend in einem komfortablen Altenheim, in dem keine Reise mehr lockte und der Horizont, der einst Abenteuer verhieß, nur mehr eine bedeutungslose Einfriedung des Blicks war.« (Nachwort) (Norbert Lüdtke, Rezension in Der Trotter, Deutsche Zentrale für Globetrotter)

U

V

Kontrastierend zu den Autobiographien der realen Abenteurer Messner, Harrer, Nehberg steht die Biographie Jules Vernes (1828-1905), dessen Bücher (60 Bände Voyages Extraordinaires) manchem Abenteurer als Jugendlektüre dienten, der aber selbst von sich sagte: »Ich reise niemals nach Paris, lebe tief in meiner Provinz und bin der unbekannteste aller Schriftsteller.« Er wollte von der Nachwelt nur nach seinem Werk beurteilt werden und vernichtete in seiner letzten Lebensphase seine Korrespondenz und die meisten persönlichen Zeugnisse, eine Autobiographie wäre also wohl für ihn undenkbar gewesen. Im hundersten Jahr nach seinem Tod erschien nun die bisher umfangreichste und gründlichste Biographie über ihn.

Volker Dehs studierte Romanistik, Germanistik und Kunstgeschichte und beschäftigte sich wiederholt mit Verne. Heraus kam ein detailbesessenes Werk, das die gründliche Recherche wieder und wieder erkennen läßt und daß in seiner Ausführlichkeit stellenweise zur Geduldsprobe wird. Es ist flüssig geschrieben und lädt mich dennoch nicht zum stundenlangen Lesen ein, eher zum Blättern und Nachschlagen, zum Vertiefen einzelner Episoden aus Vernes Leben. So preist der Verlag das Buch auch als Standardwerk für Verne-Kenner an. Für solche ist es uneingeschränkt zu empfehlen.

Ausstellungen zu Jules Verne

W

Tilmann Waldthaler, Carlson Reinhard
Sieh diese Erde leuchten!
30 Jahre mit dem Fahrrad um die Welt
BVA Bielfelder Verlag
Pappband 22,5x30 cm
256 Seiten, durchgehend farbig illustriert

Es dauerte etliche Zeit, bis ich einen Zugang zu diesem Buch gefunden habe. Irgend etwas war unstimmig. Beim Titelbild mußte ich grinsen: Liegt da so ein Hells-Angels-Typ in der Wiese und riecht an einem selbst gepflückten Sträußchen, Grosse Sterndolde vielleicht, und auf Seite acht erkennt man ihn 1946 als »scheinheiligen Zwergenkönig« im Alter von vier Jahren eher nicht wieder.
Nun ist Tilmann Waldthaler kein Unbekannter. Wer bei ihm »Fahrrad« assoziiert, liegt richtig. Aber irgendwelche Rekorde? Spezialisierungen? Weit gefehlt. Und dass er sich einmal mit dem Mountainbike auf dem Marmolada-Gletscher hat absetzen lassen, um sich dann gemeinsam mit einem Skifahrer bergab zu stürzen, scheint ihm eher peinlich zu sein. Also eher so ein Typ wie Du und Ich: einfach gerne unterwegs? Nicht nur gerne, sondern leidenschaftlich. Unterwegs ja, aber ohne Plan. 53 Jobs auf allen Kontinenten, damit das Geld für die nächste Etappe zusammenkommt. Wenn der Mann eines richtig kann, dann ist das Unterwegs-sein mit und ohne Rad. Ein echter Globetrotter also: ein unbändiges Leben. Das mit dem Ruhm kam spät; er konnte schon auf Jahrzehnte on the r (o) ad zurückblicken, als sich die Sponsoren meldeten. Nun hat der Mann ein oder zwei Probleme, die beim Geld verdienen störend sind: er kann nicht journalistisch schreiben (sagt er selbst) und das Fotografieren hat auch keinen sonderlichen Stellenwert. Wo sollte das Equipment auch hin auf dem Fahrrad? Jedenfalls sind die Fotos in diesem Buch OK, aber nicht so, daß man ehrfürchtig staunt. Doch sobald Publikum in Sicht ist, dreht der Mann anscheinend auf: Das Rad mit dem Mann auf dem Podium und die Zuhörer lauschen.
Und so stellt sich dann heraus, daß er dieses Buch gar nicht geschrieben hat. Er hat es erzählt. Einem guten Freund, dem Profi-Journalisten Carlson Reinhard, der ihn kennt und zuhören kann. Aber das allein genügt nicht: Wer einmal ein Interview abgetippt hat, weiß welche horrende Arbeit (und Nacharbeit) das ist. »Schreiben, wie man spricht« mag für einen Satz zutreffen. Aber Erzählungen schweifen ab, legen Kurven ein, verlieren den roten Faden, assozieren … all diese: Ach ja … Ähm … Wie war das noch?… Moment mal … Und das klingt im Text dieses Buches nach, allerdings im positiven Sinne, denn es ist sehr gut lesbar, es ist sehr persönlich, klingt ehrlich und authentisch, liebenswert unprätentiös kommt das daher, ein »Da habe ich erlebt, dass …«
Und dieses Unprätentiöse steht nicht im Einklang mit der (mir) zu prätentiösen Aufmachung. Die ist nicht schlecht, aber zu gekünstelt, zu bunt, zu grell für diesen Text, hier und da scheint ein Katalogstil auf. Weshalb heißt die Vorrede hier Prologue? Warum ist der Himmel greifbar, das Fegefeuer indisch, der Radler gar apokalytisch? Nun, das sind Irritationen, mehr nicht. Insgesamt jedoch empfehlenswert. Hier hat ein Globetrotter zum 65. Geburtstag ein schönes Geschenk erhalten, ein Lebenswerk. Und wie sonst soll man ein Reiseleben darstellen?

Sammel-Biographien

Autoren des Verlags F.A. Brockhaus

Literaten und Schauplätze der Literatur

Entdecker und Erforscher

Martin Guntau (Hg.)
Mecklenburger im Ausland
Historische Skizzen zum Leben und Wirken von Mecklenburgern 
in ihrer Heimat und in der Ferne
Bremen: Ed. Temmen 2001. 
252 Seiten, 165 Textabb., 39,90 DM

Biographien von 30 Persönlichkeiten, die es aus verschieden­sten Gründen in die Fernen zog. Das waren nicht immer Reisende und nicht immer stand das Reisen im Vordergrund. Doch oft bewirkten erst Not und Zwang den Aufrbruch und reisend entfalteten sich die Talente der Ge- und Vertriebenen zu ihrem Nutzen. Die Leidenschaft des Reisens führte sehr unterschiedliche Menschen in die Ferne und der thematische Rahmen (Mecklenburg und die weite Welt) scheint fast aus den Nähten zu platzen, so viele Beispiele von Reisenden finden sich. Viele Unbekannte sind dabei, denen so auch ein Denkmal gesetzt wird. Unklar bleibt, was die Autoren zu ihren Beiträgen motiviert und befähigt hat, von ihnen erfährt man außer dem Namen wenig, Quellen werden nur kursorisch genannt:


siehe auch

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