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Schelm
Wer reist nach Rom hinaus, sucht einen [[wiki:Schelm|Schelm]] und find’t ihn draus, und bringt ihn meist auch mit nach Haus. Anders formuliert: Vom Reisen kommt man schlimmer, aber nicht frömmer. K.F.W. Wander: Deutsches Sprichwörterlexikon. Leipzig 1867–1880: Brockhaus
In der frühen Neuzeit wurde der Schelm zum Helden eines literarischen Genre (Schelmenroman), aus dem spanischen Raum kommend (Pikaro > pikaresker Roman) und dem gelehrten Vaganten ähnlich, während er umgangssprachlich als Stereotyp zwischen Vagabund (Landstörtzer) und Betrüger eingeordnet wurde. Der Schelm weist Eigenschaften des Tricksters auf und des Narren, er ist der Einzelne, der seine Interessen über die der Gemeinschaft stellt, die Grenzen des Moralischen verwischend, jedoch im besten Fall Schabernack treibend, ohne Arglist handelnd, daher immer unterwegs, auch als:
- Bruder Lustig
- Flabes
- Gernegroß
- Lebenskünstler
- Luftikus
- Luginsland
- Nimmersatt
- Pikaro (span.)
- Rattenmann
- Schauinsland
- Schlingel
- Tunichtgut
- loser Vogel
- Wagehals
- Windhund
Literatur
Abraham à St. Clara
, Augustiner Baarfüsser Kayserlichen Prediger, &c.
Judas Der Ertz=Schelm
Für Ehrliche Leuth/ Oder: Eigentlicher Entwurff/ und Lebens Beschreibung deß Iscariotischen Bößwicht Worinnen unterschiedliche Discurs, sittliche Lehr=Puncten, Gedicht und Geschicht, auch sehr reicher Vorrath Biblischer Concepten. Welche nicht allein einem Prediger auf der Cantzel sehr dienlich fallen, der jetzigen verkehrten, bethörten, versehrten Welt die Warheit unter die Nasen zu reiben: sondern es kan sich auch dessen ein Privat- und einsamer Leser zur ersprießlichen Zeit-Vertreibung, und gewünschten Seelen=Heyl gebrauchen.
Saltzburg 1686-95: Melch. HaanCordie, Ansgar M.
Raum und Zeit des Vaganten
Formen der Weltaneignung im deutschen Schelmenroman des 17. Jahrhunderts.
Berlin 2001: De Gruyter. Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 19. XII, 632 S. Inhalt u.a.:Gernert, Folke
Der reisende Schelm und sein Wissen an den Grenzen des Erlaubten. Germanisch-romanische Monatsschrift 69 (2019) 125-142
Der Autor untersucht den Zusammenhang zwischen dem Unterwegs-Sein der Protagonisten und deren Lernprozessen in den spanischen Schelmenromanen Lazarillo de Tormes (1554), Guzmán de Alfarache (1599 & 1604), Buscón (1526). Diese überleben auf der Straße, weil sie auch das Betteln, Betrügen und Betrügen lernen. In Francisco Delicados’ „Retrato de la Lozana Andaluza“ (1528) wird eine umherziehende weibliche Protagonistin beschrieben.Heidenreich, Helmut
(Hrsg.)
Pikarische Welt.
Schriften zum Europäischen Schelmenroman. Darmstadt 1969. Inhalt u.a.- Andř Jolles
Die literarischen Travestien. Ritter-Hirt-Schelm (1931) - C. G. Jung
Zur Psychologie der Schelmenfigur (1954) - Ihab H. Hassan
Der Antiheld in der modernen englischen und amerikanischen Prosa (1959) - Richard W. B. Lewis
Der pikareske Heilige (1959) - Lothar Schmidt
Das Ich im “Simplicissimus” (1960) - Werner Welzig
Der Wandel des Abenteurertums (1963) - Helmut Heidenreich
Bibliographie zur pikaresken Literatur (1968)
Košenina, Alexander
Der gelehrte Narr.
Gelehrtensatire seit der Aufklärung.
Habilitationsschrift 487 S. Bibliogr. 453-478. Göttingen 2003. Inhalt u.a.:- Vom reisenden Enzyklopäden zum pseudogelehrten Abenteurer
- Philologen und Philosophen: Welt- und Gegenwartsentfremdung
Rötzer, Hans Gerd
Der Schelmenroman und seine Nachfolge.
In: Helmut Koopmann (Hrsg.): Handbuch des deutschen Romans. Düsseldorf 1983, S. 131–150.Struwe, Carolin
Episteme des Pikaresken. Modellierungen von Wissen im frühen deutschen Pikaroroman.
Zugl. Diss. Ludwig-Maximilians-Universität, München 2013 (=Frühe Neuzeit, 199) VII, 358 S. Berlin, Boston 2016: De Gruyter. Inhalt u.a.:- Wissen und pikareskes Erzählen
Martinus Frewdenhold
: Der Landtstörtzer GVSMAN […]. Dritter Theil (1626)- Die Landstörtzerin IVSTINA DIETZIN PICARA genandt (1626/27)
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