Weites Land
Oft enthalten Beschreibungen ferner Länder die Formulierung, dieses sei »ein weites Land«. Gemeint ist damit jedoch weniger eine sachliche Raumvorstellung, sondern vielmehr Vorstellungen von Freiheit durch Grenzenlosigkeit und von Möglichkeiten durch den Reichtum der Natur. Endlose Wüsten sind daher kein »weites Land«.
Es liegt nahe, diese Vorstellungen auf die Bibel zurückzuführen, in der Gott den Israelitern verspricht:
»Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, darin Milch und Honig fließt« (Exodus 3,8), gleichlautend auch in der griechischen Septuaginta 1), der lateinischen Biblia Sacra Vulgata 2) und in der englischen Standardbibel 3).
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nach der Christianisierung Europas um das Jahr 1000 die Länder, in denen Milch und Honig fließen konnte, nur noch außerhalb in »heidnischen« Gebieten gesucht werden konnten, also machte man (Waldläufer, merchant adventurer, Missionare) sich auf dorthin:
- Die hochmittelalterliche Landnahme (»deutsche Ostsiedlung«) begann im 12. Jahrhundert östlich von Saale und Elbe;
- 1510 begannen die Konquistadoren die späteren lateinamerikanischen Gebiete zu erobern;
- 1580 begann mit der Expedition des Kosaken
Jermak
die Kolonisation Sibiriens: Go East, ihren Ausgang nahm sie von den Wilden Feldern; - die europäische Besiedlung Nordamerikas zeigte im 16. Jahrhundert erste kleine Versuche; das Go West kam später;
- 1652 wurde die erste Siedlung (Kapkolonie) im südlichen Afrika gegründet;
- 1788 landete die First Fleet mit Siedlern und Sträflingen auf elf Schiffen in Australien.
Die Siedler wurden gelockt von Nachrichten und kamen um zu bleiben. Sie folgten den Spuren Einzelner: Abenteurer, Entdecker, Glückssucher, Outlaws, Waldläufer. Sie alle einte der Glaube an ein Ziel und die Hoffnung auf Milch und Honig in einem Weiten Land, dessen Grenzen sie nicht kannten. Sie fanden Busch und Wildnis, Niemandsland und Hinterland. Ihnen folgten Religion und Gesetz, also die Macht von Kirche und Staat. Die Vorläufer (Pioniere, Voortrekker) bewegten sich an der frontier, der Staat setzte die Grenzen; entgrenztes Verhalten wurde zum Tropenkoller erklärt.