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Inhaltsverzeichnis

Flucht: Reisen in Zeiten der Not und Gefahr

Das unerträgliche Gefühl des Eingesperrt-Seins

von Norbert Lüdtke
erschienen erstmals 1995 als Teil 4 in der Artikelreihe Geschichten des Individuellen Reisens im TROTTER 78 (Deutsche Zentrale für Globetrotter e.V. DZG) sowie 1999 im Archiv zur Geschichte des Individuellen Reisens AGIR

Denn zu bewundern und zu schaun,
Zu wandern, auf ein Nichts gestellt,
Was Gutes bracht's mir nie im Traum -
Könnt's doch nicht lassen um die Welt!
Rudyard Kipling, Stoßseufzer eines Soldaten

1 Vorbemerkung

Während langer Zeiten im 20. Jahrhundert war das Reisen oft undenkbar. Unterwegs waren dann meist Flüchtlinge, Gestrandete, Heimatlose, Soldaten. Wie erging es Reisenden, die im fremden Land vom Krieg überrascht wurden? Gab es freiwillig Reisende in den Kriegsjahren? Wie „reiste“ man auf der Flucht?
Die wohl berühmteste Flucht des 20. Jahrhunderts ist im ersten Kapitel beschrieben: Einzigartig ist, daß gleich fünf der sieben Flüchtenden ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben haben: Heinrich Harrer, Peter Aufschnaiter, Rolf Magener, Friedel Sattler und Hans Kopp.
Im zweiten Kapitel folgen Einzelerfahrungen mit Krieg, Putsch, Internierung, dem Überleben in fremden Ländern und Möglichkeiten zur Heimkehr, basierend auf Reiseberichten des Engländers Chatwin, der Polen Rawitsch und Ossendowski, der Österreicher Fruhmann, Aufschnaiter, Harrer und Kolb, des Schweizers Meiss-Teuffen sowie einiger Deutscher.
Die einzige mir bekannte, freiwillige Reise während eines Weltkrieges wurde von Hans von Meiss-Teuffen unternommen und ist Gegenstand eines eigenen Kapitels.

2 Die Flucht aus Dehra-Dun

„Drei Jahre waren seit meiner Internierung vergangen, und die Erinnerung an die Außenwelt verblaßte allmählich. Man fühlte sich verlassen von aller Welt. … Hitze, Staub, Nichtstun und Stacheldraht - diese Dinge werfen auch den Stärksten um. …Ich hatte mit Fritz Häußer am Tage eine jener verrückten Bergtouren unternommen, die eigentlich nur den Zweck hatten, uns müde zu machen. … Kletterpartien und Märsche bis zu sechzig Kilometer innerhalb der erlaubten Ausgangsstunden, Arbeit und Sport bis zur Erschöpfung - das waren die Mittel, die wir anwandten, um vergessen zu können. Freilich, viele fanden nicht die Kraft zu einer solchen Pferdekur. Sie lungerten Tag und Nacht herum, rührten keine Hand und schimpften auf Gott und die Welt. Ihnen erging es am schlimmsten. Einer nach dem anderen kippte um. Krankheit überfiel ihren widerstandslosen Körper, oder aber ihr Geist verwirrte sich. Erst vor drei Tagen hatte sich einer am Ausgangstor eingefunden. Er war in dem Wahn, der Krieg sei aus, hatte seine Koffer gepackt und versuchte nun dem erstaunten Posten verständlich zu machen, daß er nach Hause wollte …“ 1)

Das britische Internierungslager Dehra-Dun im Norden Indiens, in der Nähe von Mussorie, war während des Zweiten Weltkriegs Sammelplatz aller Internierten zwischen dem Irak und Hongkong. Etwa anderthalbtausend Deutsche - Zivilisten, Reisende, Auslandsdeutsche - waren dort interniert und bildeten die Mehrheit neben etwa 500 Italienern, Bulgaren, Ungarn, Rumänen und Finnen. Etliche versuchten zu fliehen, doch von den etwa siebzig bekannten Ausbruchsversuchen während des Ersten und Zweiten Weltkrieges gelangen nur sehr wenige.

Warum flüchten?

Sattler findet das Lager gut geführt und mit zahlreichen Annehmlichkeiten ausgestattet. Auch Kopp lobt das Lager, die Offiziere behandelten sie gut und menschlich, die Verpflegung war großartig, Schneiderei, Bügelei, Wäscherei und Schuhmacherwerkstatt standen zur Verfügung; ein Orchester spielte auf, Theater wurde gegeben, Filme gezeigt, die verschiedensten Sportarten waren möglich. Deutsche Tropenärzte leiteten ein Hospital und ein Zahnlabor. „Wir durften zweimal in der Woche Spaziergänge außerhalb des Lagers machen, hatten Unterhaltung und Sport. Zweimal wöchentlich spielte ein für uns gebautes und eingerichtetes Kino. Es gab eine große Bibliothek, die Bücher in fast allen Sprachen der Welt umfaßte. Eine Schule, Vorträge aller Art, Theater, Arbeitsräume für jeden nur erdenklichen Handwerksberuf - kurzum, wir hatten alles, was ein zivilisierter Europäer zu seiner Zufriedenheit braucht.“ 2) Weswegen also fliehen? Der Drang zur Freiheit, Abenteuerlust, das intellektuelle Vergnügen, gesetzte Schranken zumindest geistig zu überwinden, der Glaube an eine offene Zukunft - viele Motive waren möglich, jenseits praktischer Erwägungen: „Wenn ich mich trotzdem mit Fluchtgedanken trug, so bedarf das keiner näheren Erläuterung: jeder, der einmal längere Zeit hinter Stacheldraht lebte, wird das verstehen. Das unerträgliche Gefühl des Eingesperrt-Seins, des nutzlosen Ausharrens in einer klimatisch so ungünstigen Zone und auch ein Körnchen Abenteuerlust waren die wichtigsten Beweggründe für meinen Plan…“ 3)

Auch für Hans Kopp war die Sache klar: „Von jeher galt mir Freiheit als das Höchste. Schon als Kind begriff ich etwas von ihrem unschätzbarem Wert und fühlte mich nur dort wohl, wo ich meine eigenen Wege gehen und tun und lassen konnte, was ich wollte. Jedem Zwang verschloß ich mich oder suchte ihm zu entrinnen. Soweit ich zurückdenken kann, beseelten mich Abenteuerlust und eine unbändige Sehnsucht nach Unabhängigkeit, Wesenszüge, die denn auch mein ganzes bisheriges Leben mitbestimmten.“ 4)

Frei - aber in Indien gefangen?

April oder Mai eines jeden Jahres waren besonders günstig für einen Ausbruch. Doch auch jenseits des Stacheldrahtzauns war man nicht frei: Sichere Freiheit gab es erst außerhalb des von Engländern kontrollierten Indiens, und dessen Grenzen zu überschreiten war nicht einfach: Auf zwei von drei Seiten vom Ozean umgeben, boten sich nur wenige Fluchtziele. Da war Goa, eine portugiesische Kolonie südlich von Bombay, aber Goa war eine Sackgasse - man konnte es nur mit dem Schiff verlassen. Alle Häfen rund um den Indischen Ozean wurden von den Engländern kontrolliert, jedes einlaufende Schiff durchsucht. Der Weg nach Afghanistan war durch die Sperrforts am Khyberpass blockiert, außerdem machten aufständische Afridistämme das Gebiet unsicher. Nepal war neutral, lieferte aber Asylsuchende an die Engländer aus. Im Nordwesten lagen Wüsten, im Nordosten Dschungel. So blieb nur Tibet als Fluchtziel und später Burma, als die Japaner dieses Land erobert hatten. Eine Flucht quer durch das dichtbevölkerte Indien erforderte perfekte englische Sprachkenntnisse und reichliche Geldmittel, um nicht aufzufallen.

In Indien reisten Europäer mit Dienern und Trägern, so daß ein Europäer, der sein Gepäck selber trug, schnell auffiel. Und so mißlangen die meisten Fluchtversuche früher oder später, ohne daß eine aufwendige Verfolgung nötig war - die Engländer brauchten nur zu warten. Für die meisten Lagerinsassen wogen solche Überlegungen schwer genug, um jeden Gedanken an eine Flucht zu verbannen. Für andere war es dagegen ein Anreiz, sich etwas Neues auszudenken. Doch die meisten der siebzig Fluchtversuche mißlangen: „Angesichts dieser eindeutigen Sachlage war selbst der englische Lagerkommandant dazu geneigt, in einem wiederaufgebrachten Ausrücker eher einen lästigen Toren denn einen gefährlichen Verbrecher zu erblicken.“ 5)

Vorbereitungen zur Flucht

Geldmangel war ein großes Problem: Heins von Have hatte wie die anderen die Erfahrung gemacht, daß Geldmangel das Risiko der Flucht erhöht, da man unterwegs handeln oder tauschen muß. 6) Eine Art Lagergeld war außerhalb des Lagers wertlos. Indische Rupies erhielt man durch den Verkauf von Wertgegenständen an Inder oder durch Betrügereien auf Kosten der Engländer: So manches Schwein wurde an die Lagerküche geliefert, erreichte sie aber nie und wurde dennoch von den Engländern bezahlt. „Da war zunächst die Beschaffung einer möglichst großen Summe Geldes: Wir beschafften sie uns, indem wir Wein und Schnaps aus Rosinen und Melasse fabrizierten. …“ Rupies zu besitzen war verboten, doch immer kursierte eine gewisse Menge im Lager. Wer indische Banknoten besaß, versteckte oder vergrub sie. Oft machten sich dann Ameisen über die Scheine her und ließen kaum etwas übrig.

Die Suche nach Gleichgesinnten

Die vorsichtige Mehrheit der Lagerinsassen sympathisierte mit der risikobereiten Minderheit und unterstützte deren Ausbruchsversuche. „Es erquickt nun einmal jeden Gefangenen, wenn ein Leidensgefährte die Fesseln sprengt und durchbrennt. Die Sergeanten machen verdutzte Gesichter, wenn sie beim Durchzählen den Verlust entdecken. Die Wachen werden angeschnauzt und verfallen einem Strafgericht. Der Kommandant rast. … So eine Flucht bringt eben Abwechslung und Spannung für alle.“ 7) Andererseits wetteiferten die ausbrechenden Gruppen um den frühesten Fluchtzeitpunkt; jeder hielt seinen Ausbruchszeitpunkt geheim, denn die erste Gruppe hatte die besten Chancen. Vielleicht trug deswegen die Einigung zwischen den Gruppen um Harrer, Kopp, Aufschnaiter und Magener zum Gelingen ihrer Flucht bei. Ede Krämer, der im Vorjahr mit Kopp zusammen ausgebrochen war, erreichte diese Einigung nur unter Druck und auf Drängen Mageners, während sich alle anderen lange dagegen sträubten. Ede Krämer war ein damals in Asien bekannter und erfolgreicher Ringkämpfer, der im Lager die Ringergruppe leitete, zu der auch Hans „Hanne“ Kopp gehörte. Rolf Magener beschrieb Ede Krämer: „Er besaß eine gewisse Schlüsselstellung im Lager, nicht nur als Anführer der Rabauken, sondern als Mittelpunkt aller unterirdischen Betriebsamkeit. Von ihm liefen die Fäden zur Außenwelt, da Inder und Tommies ihn gleichermaßen bewunderten; von ihm wurden auch die Lagerwerkstätten unsichtbar beherrscht, die geheimen Tips vergeben und manches Unternehmen ausgeheckt. Über die Handwerker erfuhr er frühzeitig von bevorstehenden Ausbrüchen, weil Schuster, Schneider und Schlosser bei der Anfertigung von Fluchtgerät mitwirkten.“ 8)

Alle aus der Fluchtgruppe, bis auf Sattler und Magener, hatten bereits einen oder mehrere Fluchtversuche hinter sich: Im Mai 1943 war Heinrich Harrer mit dem italienischen General Marchese ausgebrochen. Auch Peter Aufschnaiter und der Jesuitenpater Carl Calenberg 9) hatten den Ausbruch gewagt, ebenso Ede Krämer und Hans „Hanne“ Kopp. Kopp wird von Magener beschrieben: „Sein wuchtiger Brustkasten hatte ihm den Spitznamen `Geschwollener´ oder auch `Brust mit Beene´ eingetragen, weil seine Beine für den mächtigen Oberkörper zu schwach waren. Er war wohlgelitten, denn wohin er kam, trieb er seinen Ulk und hob mit ausgelassenen Streichen die Stimmung. Man hatte immer den Eindruck, daß er nach einem sehr schweren Gegenstand suche, um dessen Transport zu übernehmen. … Angezogen war er auf Krawall. Mund und Herz saßen ihm auf dem rechten Fleck.“ 10)

Have war als Kaufmann in Batavia tätig gewesen, wurde dort von den Holländern interniert und vor der Landung der Japaner auf Java mit den anderen Deutschen aus Indonesien nach Britisch-Indien gebracht. Dabei unternahm er zusammen mit dem Hamburger Hans Peter Hülsen einen ersten Fluchtversuch, indem sie aus einem fahrenden Zug sprangen. Zunächst erfolgreich, wurden sie dennoch bald gefaßt. Ein zweiter Fluchtversuch der beiden endete kurz vor dem Erreichen der burmesischen Grenze mit dem Tod des Hamburgers. 11) 1945 brach der deutsche Bergsteiger Ludwig Schmaderer aus dem Lager aus, gemeinsam mit seinem Kameraden Herbert Paidar. Sie gingen den gleichen Weg wie Harrer, Kopp, Aufschnaiter ein Jahr zuvor und gelangten nach Schipki. Weil Schmaderer sein Geld allzu offen zeigte, folgten ihm vier Bewohner des Ortes, schlugen ihn zusammen und warfen seine Leiche in den Fluß. Ein Tibeter, der dieses Geschehen heimlich beobachtete, brachte das Verbrechen an die Öffentlichkeit. 12)

Während einige nach mißlungenen Fluchtversuchen aufgaben (Krämer, Marchese) wollten andere daraus lernen: „Nun aber hatten wir die Pionierarbeiten geleistet, kannten die Wege und die Lebensbedingungen des Landes und waren ungleich besser in der Lage, Vorbereitungen für eine zweite Flucht zu treffen. … Zahlreiche Partner boten sich mir an und steigerten die Angebote für meine Führung bis zu 5000 Rupien. Aber am Gelde lag mir nichts. Ich wollte bei meinem nächsten Abenteuer einzig wieder einen sportlich gut durchtrainierten, anständigen Kameraden bei mir wissen.“ 13) Kopps Wahl fällt auf den Mittelstürmer Friedel Sattler, der ihm versprechen muß, sich ernsthaft vorzubereiten. Wieder fängt er an zu organisieren, legt Medikamente auf Seite und läßt sich vom Lagerarzt über deren Anwendung instruieren. Nach und nach wird die Ausrüstung aus dem Lager geschmuggelt und am Tonsfluß versteckt. 14)

Solidarität und Erfolg

Als klar wird, daß ein gemeinsamer Ausbruch für alle Vorteile bietet, plant man die Ausbruchsphase gemeinsam. „Ungelöst war noch das Problem des Herauskommens aus dem Lager. Die Flucht während eines Spazierganges schalteten wir von vornherein aus. Das hätte einen Parolebruch 15) bedeutet, und im Falle des Nichtgelingens langjährige Haft oder Zwangsarbeit nach sich gezogen. Zunächst dachten wir daran, in der Nacht zu fliehen. Der Kommandant war für die Bewachung des Lagers nach Sonnenuntergang nicht verantwortlich, nahm daher auch eine nächtliche Flucht nicht besonders tragisch. Floh aber jemand bei Tag, gab es oft monatelang für die Internierten Ausgangsbeschränkungen und andere, fühlbare Vergeltungsmaßnahmen. Ganze Nächte beobachteten wir den Stand der Posten, ihre Gepflogenheiten und Bewegungen, ihre Ablösung und den automatischen Lichtwechsel der Scheinwerferlampen.“ 16) 17)

Die Gefangenen durften auf sogenannte Paroleausflüge gehen, wenn sie zuvor einen Zettel unterschrieben, daß sie außerhalb des Lagers mit niemandem sprechen würden, keine Verkehrsmittel verwendeten und keinen Fluchtversuch unternehmen würden. Man respektierte die Fairneß der Engländer und hielt sich an das Abkommen, nutzte jedoch die Ausflüge, um zu trainieren, die Gegend für die ersten Marschtage möglichst gut kennenzulernen, um Ausrüstung herauszuschmuggeln und Depots anzulegen. Ein deutscher Arzt im Lager besorgte Arzneien, ein Handwerker fabrizierte einen langen Dolch aus einer alten Autofeder, ein Pater, der bei den Tibetern missioniert hatte, informierte über Gebräuche und Sprache der Tibeter und zeichnete Karten. Aufschnaiter und Harrer besaßen noch die Expeditionsbücher und Karten der Nanga-Parbat-Expedition und nutzten sie zur genauen Planung der Fluchtroute.

Eine Gruppe bestand aus Rolf Magener und Heins von Have, eine weitere aus Peter Aufschnaiter und dem Salzburger Bruno Treipel, die dritte aus Hans „Hanne“ Kopp und Friedel Sattler; Heinrich Harrer ging allein. Als Ausbruchszeit legten sie Ende April fest. Sie wollten das Lager als Reparaturkolonne verlassen. Harrer und Kopp schnitten 30 Meter Stacheldraht aus dem Zaun, wickelten ihn auf eine Rolle und stellten sich aus Bambus eine Leiter her. Ein Schneider hatte die Ausbrecher kostümiert: Magener und von Have sprachen ein ausgezeichnetes Oxford-Englisch und wurden als englische Offiziere ausstaffiert. Sie trugen eine Mischung aus entwendeten und selbstgeschneiderten Uniformteilen inklusive Offiziersstöckchen und Blaupausen des Lagers, die anderen gingen als indische Kulis. Je näher der Fluchtzeitpunkt rückte, desto größer wurden die Ängste: „Was fruchtet jetzt noch grübelndes Abwägen? Von Anfang an stand fest, daß Nachdenken über den Fluchtentschluß in Widersprüche verwickelt. Längst habe ich begriffen, daß zuweilen das Unverständige gerade deshalb getan werden muß, weil es das Vernünftige ist. Der Versuch soll entscheiden. Der entschlossene Versuch. Morgen.“ 18)

Zwei Offiziere und fünf Inder?

Während der größten Hitze und der Mittagsruhe, gegen zwei Uhr am 29. April 1944, war es soweit. „Ein letzter Blick in den Spiegel: Ein Inder, wie er leibt und lebt, sah mich an. Eine zerrissene Pyjamahose, ein schmutziges, ölbeflecktes Hemd, ein vorschriftsmäßig gebundener grau-weißer Turban, die Haut mit einer Permanganlösung 19) braungefärbt, das Weiß der Augen durch Augentropfen bläulich getrübt und ein langer Schnurrbart, in langen Spitzen endend - das war meine vorzügliche Tarnung.“ 20)

Frech durchschritten zwei englische Offiziere mit fünf indischen Kulis das Lagertor, bepackt mit Leiter und Stacheldraht, Pinsel und Teertöpfen, in denen sich Teile des Gepäcks befanden. Niemand hielt sie auf. Kaum außer Sichtweite, entledigten sie sich der Tarnung und spurteten zu ihrem versteckten Gepäck. Harrer, Magener und von Have trennten sich nach kurzer Zeit. Harrer marschierte allein Richtung Tibet, Rolf Magener und Heins von Have, wollten mit der Bahn zur Burmafront und dann nach Japan. Die vier übrigen wollten gemeinsam nach Tibet: Aufschnaiter (damals bereits über vierzig) und Treipel trailten, dann folgten Kopp und Sattler. Schon auf den ersten Kilometern hatte Sattler Schwierigkeiten, sprach von einem Krampf in den Beinen. „Trotz meiner vielen Übungsmärsche vom Lager aus fehlten mir Ausdauer und der lange Atem der Bergsteiger.“ 21) Kopp war da anderer Meinung: „Wie sich dann später herausstellte, war sein Versagen darauf zurückzuführen, daß er nie genügend trainiert hatte. Während wir mit schwer beladenen Rucksack voll Steinen die Berge hinauf- und hinuntergestiegen waren, um uns zu üben, hatte er, an einem Lagerfeuer im Tal sitzend, unseren Anstrengungen zugeschaut.“ 22)

Sie marschierten nur nachts. In zwei Wochen sollte der Weg zur tibetischen Grenze zurückgelegt werden, der Proviant war genau eingeteilt. Tags wurden Ausrüstung, Schuhe und Kleidung repariert und verbessert oder es wurde geschlafen, immer in der Angst, entdeckt zu werden. Die nächtlichen Märsche boten genug Gefahren: Begegnungen mit Bären, die Entdeckung, daß man sein Lager neben dem Loch einer Kobra aufgeschlagen hat, Stürze im Dunkeln an gefährlichen Hängen, Schluchtüberquerungen an einem Drahtseil hängend, das Durchwaten von Bächen auf glitschigen Felsen - alles im Dunkeln.

Dörfer wurden heimlich durchquert: „Lange vorher lagen wir auf der Lauer und warteten ab, bis der letzte Schein eines Feuers oder einer Laterne verlosch. Bei solchen Gelegenheiten tauschten wir unsere benagelten Bergschuhe gegen leichte Turnschuhe aus und versäumten nie, vorher unsere Feldflaschen zu entleeren, um zu vermeiden, daß das Glucksen des Wassers einen Dorfbewohner aufweckte.“ 23)

Heinrich „Heini“ Harrer trifft nach einigen Tagen wieder auf die anderen: „Sein unermeßlicher Ehrgeiz wollte es nicht zulassen, daß wir unter Umständen vor ihm die Grenze erreichten. So war er die beiden letzten Tage und Nächte ununterbrochen auf den Füßen gewesen. Nie mehr hat er uns ganz verzeihen können, daß wir ihm voraus waren.“ 24) Harrer hatte eine andere Route nehmen wollen, sich aber verlaufen und fand erst nach Tagen zur ersten Route zurück.

Sattlers Rückkehr

Sattlers Zustand verschlechterte sich, etwa eine Woche hielt er mühsam mit, war immer der Letzte. In Nelang (3410 m) bleibt er schließlich zurück. Er hat Dysenterie und leidet zunehmend an der Höhenkrankheit. Er verbarg seine Krankheit, so gut es ging, dann kümmerte sich Aufschnaiter um ihn. Fünf Tage lagerten sie dort, doch Sattler entschloß sich zur Umkehr, überließ sein Zelt, einen Teil seines Geldes und überflüssige Ausrüstung den Freunden. Kopp schilderte die Stimmung: „Die Gesichter waren verdrießlich und es schien, als ob der `Deserteur´ die anderen angesteckt habe.“ 25) und „Sein Ausscheiden war zu verschmerzen, aber da er sein Geld wieder zurückbekommen mußte, gab das ein empfindliches Loch in unserer gemeinsamen Kasse.“ 26) Harrer berichtete: „Sattler bekam leider einen Anfall von Bergkrankheit, er fühlte sich elend und den Strapazen nicht mehr gewachsen. Er entschloß sich zur Rückkehr, versprach aber, sich erst nach zwei Tagen zu melden, um uns nicht zu gefährden.“ 27)

In Tibet

Am 17. Mai 1944 erreichten die vier Flüchtenden den Grenzpaß Tsangtschok-La (5030 m). Die tibetischen Bevölkerung reagierte überwiegend mit Nichtbeachtung, Abweisung, Aggression. Man wollte sie nicht im Land haben, ergriff aber auch keine Maßnahmen, sie mit Gewalt abzuschieben. Zu hohen Preisen 28) erhielten sie ranzige Butter und madiges Fleisch und erst, als sie versprachen, sich wieder Richtung Indien, nach Schangtse zu wenden, stellte ihnen der Gouverneur von Tsaparang vier Tragesel zur Verfügung und läßt sie ziehen: „Anfangs wunderten wir uns, daß man uns ohne jede Bewachung, nur in Begleitung eines Eselstreibers, wegziehen ließ. Wir kamen aber bald darauf, daß die in Tibet übliche die einfachste Überwachungsmethode der Welt ist, nämlich den Lebensmittelverkauf an Fremde nur gegen einen Erlaubnisschein zu gestatten.“ 29) So landeten sie am 9. Juni wieder in Indien, diesmal am Schipki-Paß. Treipl sah sein Ziel, Japan, in immer größere Ferne rücken, hatte genug von Tibet und kehrte freiwillig ins Lager zurück. Aufschnaiter begleitete ihn ein Stück und schlug sich dann wieder nach Tibet durch, während Harrer und Kopp gemeinsam durch ein Seitental RichtungTibet wanderten.

Kopp und Krämer hatten bereits im Vorjahr ähnliche Erfahrungen gemacht. Seit Tagen waren sie schon hungrig marschiert und trafen dann auf Menschen: „Aber trotz unseres erbärmlichen Aussehens und des Hungers, der uns in den Augen geschrieben stand, ließen sie uns unbeachtet.“ 30) Sie erhielten nicht einen Bissen, doch zeigte man ihnen bereitwillig den Weg zurück nach Indien.31) Die wochenlange Sorge um Nahrung, das Zwangsfasten und gleichzeitig lange Märsche belasteten nicht nur den Körper, sondern auch die geistige Verfassung. Kopp erinnert sich: „Zu reden gab es auch nichts mehr, wo es kaum etwas zu hoffen gab. Nur ein einziges Mal handelten wir zusammen. Das war, als dicht vor uns ein Tier, ich glaube, ein Hamster, vorüberhuschte und unter einem flachen Stein Zuflucht suchte. Wir stürzten zu der Stelle hin, hoben einen mächtigen Steinbrocken auf, schmetterten ihn mehrmals auf die Deckung unserer Beute, rissen das halbzerquetschte Tier aus der Erde und verschlangen gierig das rohe Fleisch. So seltsam das auch in den Ohren derer klingen wird, die nie erfahren haben, wohin der Hunger einen Menschen bringen kann - seit jener blutigen Mahlzeit fürchteten wir einander. Niemals in jenen grauenvollen Tagen marschierte einer vor dem anderen. Es war unerträglich, den „Feind“ im Rücken zu wissen oder ihm durch Voraustritt irgendeine größere Chance einzuräumen. Schweigend taumelten wir nebeneinander her, immer auf der Lauer, das Messer griffbereit. Eine unbekannte Verwirrung bemächtigte sich unserer Gehirne. Das Zeitgefühl war erloschen, der Wahnsinn näher, als wir ahnten, und die Hoffnung auf Rettung ein Phantom.“ 32) Was Wunder, daß Krämer diesmal nicht mehr mitmachen wollte.

Eine Pille gegen jedes Übel

Kopp und Krämer gaben sich häufig als Ärzte aus, ebenso wie Harrer und Aufschnaiter ein Jahr später. Zur Legitimation genügte der Anblick der mitgebrachten Medikamente und Instrumente. Das *Vertrauen der Bevölkerung ließ sich so rasch gewinnen, viele wollten behandelt werden. Sie erhielten kaum Geld, doch Nahrungsmittel und Unterkunft. „Besonders ein koloriertes anatomisches Bild des menschlichen Körpers erregte gewaltiges Aufsehen. Um einer Verschwendung unserer kostbaren Medizinen zu steuern, hatten wir uns selbst Mittelchen aus einem Mehlbrei bereitet, dem wir durch Atebrin 33) und Salz Geschmack und mit Permanganat 34) Farbe verliehen. Diesen schönen Brei rollten wir dünn aus und schnitten daraus Tabletten, die vorsichtig an der Sonne getrocknet wurden. Dann füllten wir unsere Wundertabletten in Original-Bayer-Ampullen, damit auch niemand auf den Gedanken kommen könnte, uns für Schwindler zu halten. … Da wir kein ausgesprochenes Rheumamittel mit uns führten, kamen wir auf den Gedanken, Butter abzukochen und mit Hilfe einer Tablette Prontosil 35) zu tönen. Die fette Soße gossen wir in eine bunte Leukoplastdose und ließen sie dort erstarren. Mit diesem Balsam massierten wir die schmerzenden Glieder kräftig. Der Erfolg war erstaunlich, denn schon nach einigen Behandlungen mit der Wundersalbe fühlten sich die Patienten bedeutend besser und bezahlten uns gern mit Butter-, Zamba- und Weizengaben.“ 36)

Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt

Am 24. Juni trafen Kopp und Harrer in Tibet wieder auf Aufschnaiter, doch während Kopp sich freute, war Harrer mißmutig und wollte zuerst nicht mit Aufschnaiter zusammen weiterziehen. 37) Harrer dagegen betonte in seinem Buch, daß Aufschnaiter nicht mit ihnen weiterziehen wollte. Und obwohl sich die beiden nicht sehr zugetan sind, werden sie mehrere Jahre mehr oder weniger gemeinsam in Tibet verbringen. Bei Harrer werden Konflikte nicht thematisiert: Wo er im Landschaftlichen schwelgt, beschreibt Kopp Details im Zwischenmenschlichen. Wenn sich Harrer auf ein allgemeines „wir“ zurückzieht, nennt Kopp Namen, legt den Finger auf offene Wunden, auf eigene Unzulänglichkeiten, nennt Disharmonien, Ängste und Mißgeschicke beim Namen. Harrer schönt an diesen Stellen, schweigt oder wird doppeldeutig, überspielt Mißverständnisse und Streit. Während er sagt: „…Aufschnaiter und Treipel waren etwas zurückgeblieben, Kopp und ich bildeten die Vorhut …“ 38), heißt das bei Kopp: „Leider war es in diesen Tagen dann und wann zu kleinen Mißhelligkeiten gekommen, so daß Harrer, als Aufschnaiter und Treipl am nächsten Morgen mit Kochen und Packen nicht rechtzeitig fertig wurden, sich dafür entschied, nicht länger auf sie zu warten.“ 39)

In Gartok erhielten unsere drei Reisenden erstmals einen Reisepaß für Tibet, der die einzelnen Stationen ihrer Reise auswies und für die Ausreise nach Nepal galt. Alle drei schworen, sich daran zu halten und brachen am 13. Juli auf. Mehrere Wochen waren sie nun unterwegs mit Norbu, ihrem tibetischen Begleiter und Aufpasser. Ihr Paß war gültig bis Gyabnak. Im nächsten Ort, in Tradün, wandten sie sich an den örtlichen Bönpo, den höchsten Beamten und handelten um die Erlaubnis, nach Lhasa ziehen zu dürfen. Sie erfuhren weder Ablehnung noch Zusage und durften einen Brief nach Lhasa schreiben, um ihr Anliegen vorzubringen. Sie erhielten eine Unterkunft, reichlich Lebensmittel und eine gewisse Bewegungsfreiheit. Aus Tagen wurden Wochen, aus Wochen Monate. Aufschnaiter hatte mittlerweile fast sein ganzes Geld verbraucht. Er kaufte sich von seinem letzten Geld einige Lastschafe und wollte mit ihnen ins Landesinnere ziehen. Doch schon in der ersten Nacht wurden bis auf eines alle von Wölfen gerissen. Als nach drei Monaten die Antwort eintraf, hatte sich Kopp bereits verabschiedet und war unterwegs nach Nepal. Harrer, der noch über genügend Geld verfügte, blieb mit dem erfahrenen und sprachkundigen Aufschnaiter zurück: „Harrer besaß jedoch bedeutend mehr als ich, und er bot mir an, gemeinsam zu wirtschaften. Ein kleines Einkommen hatten wir aus unserer ärztlichen Tätigkeit, wobei es allerdings keine sensationellen Erfolge zu verzeichnen gab.“ 40)

Warten auf die Gunst des Schicksals

Das Schreiben gab ihnen immerhin die Erlaubnis, noch bis in den Ort Kyirong zu ziehen, nur acht Kilometer von der nepalischen Grenze entfernt. Das nutzten die beiden aus und blieben zehn Monate in Kyirong: „Einen guten Teil unserer Zeit und Energie verwendeten wir für die Beschaffung von Lebensmitteln zu optimal ausgehandelten Preisen und fürs Kochen. Ich muß sagen, daß ich eine solche Existenz gar nicht so unbefriedigend fand. Wir überlegten uns manchmal, wie wir hier einige Jahre verbringen könnten. Für jemanden, der in einer voll ausgefüllten Arbeit drinsteckt, wäre ein solches Dasein wahrscheinlich unvorstellbar gewesen und wäre als Abstieg angesehen worden, für uns jedoch war es besser, zumindest in dieser Weise zu existieren, statt über kommende Höllen brütend vor sich hinzustieren.“ 41)

Harrer und Aufschnaiter legten sich während ihrer Zeit in Kyirong ein Depot außerhalb des Ortes an, um für eine eventuelle Flucht im Falle einer plötzlichen Ausweisung gerüstet zu sein, denn sie wollten keinesfalls nach Nepal. Nachts stahlen sie sich, als „Tote“ verkleidet, aus dem Dorf, denn die Einheimischen hatten Angst vor in der Nacht umherirrenden Gespenstern, und ergänzten ihr Depot.

Über Nepal zurück ins Lager

Kopp war die Warterei zu lang geworden. Er zog am 22. November 1944 über Mustang nach Nepal. Bis nach Pokhara kam er gut, ab dort erhielt er eine militärische Eskorte und Mitte Dezember erreichte er Kathmandu. Hier waren überall Engländer und trotz der offiziellen Neutralität Nepals wurde seinem Wunsch nach Asyl nicht entsprochen. Das entsprach einer Auslieferung. Am fünften Tag seiner Ankunft in Kathmandu empfingen ihn Maharadscha und Premierminister, bestätigten ihm aber nochmals die Ablehnung seines Asylantrages aus politischen Gründen. Am 25. Dezember wurde er wieder in Dehra-Dun eingeliefert. Im April 1945 wurde er dann zusammen mit allen, die bisher einen Ausbruchsversuch unternommen hatten, strafverlegt in das Lager Deoli, etwa neunzig Kilometer entfernt von Kotta. Alle Vergünstigungen, die es in Dehra-Dun gegeben hatte, fielen weg, eine erneute Flucht erschwert. Ende 1945 wurde das Lager aufgelöst.

In Lhasa

Nach zehn Monaten wurden Harrer und Aufschnaiter in Kyirong zur Weiterreise gedrängt; illegal brachen sie Richtung Lhasa auf. Sie erreichten Lhasa erst zwei Jahre nach ihrem Ausbruch aus dem Lager. 65 Pässe zwischen 5000 und 6000 Metern Höhe hatten sie in dieser Zeit überquert. Die eigentliche Reise und Flucht war damit abgeschlossen, denn in Tibet verbrachten Aufschnaiter und Harrer die nächsten Jahre und betrachten es als zweite Heimat.

Die Flucht nach Burma

Magener und Have setzten auf Bluff und Menschenkenntnis statt auf Kondition und Ausdauer. Sie wollten, nachdem sich die ersten Aufregungen infolge ihrer Flucht gelegt hatten, als Engländer auftreten und die offiziellen Verkehrsmittel benutzen. Sie wirkten britisch, trugen Militär-Khaki, beherrschten die Sprache vorzüglich und hatten sich Soldbücher von zwei Soldaten gestohlen und präpariert. Aus englischen Gesellschaftsblättern hatten sie sich eine Legende zusammengebastelt, Namen von Truppenteilen und Offizieren auswendig gelernt. Sechs Tage versteckten sie sich in den Bergen und wagten sich dann zurück in die Ebene. 2.300 Kilometer lagen vor ihnen bis nach Burma.

Sie unterhielten sich ständig nur auf englisch, um gar nicht erst in einer zweiten Sprache zu denken. An ihrer Militär-Khaki-Kleidung hatten sie keine Rangabzeichen. Sie rechneten einfach damit, daß jeder annahm, sie seien vom Militär. Andererseits hätte diese Kleidung aber auch jeder Zivilist tragen können. Ebenso hielten sie es mit ihren gestohlenen Papieren: Sie würden sie gegenüber Zivilpersonen benutzen, nicht aber bei Kontrollen durch die Militärpolizei, um nach einer eventuellen Gefangennnahme nicht zusätzliche Strafen für die Benutzung militärischer Abzeichen und Papiere zu erhalten.

Diese Methode funktionierte gut: mit dem Bus nach Saharanpur, mit dem Zug über Lucknow nach Kalkutta, auf der Straße, in Restaurants und Bahnhofshallen nirgends fielen sie auf. Mit Glück rutschten sie durch eine stichprobenartige Kontrolle der Militärpolizei. Problematisch war allerdings die Übernachtung in der Großstadt: Die großen Hotels waren für Militärs reserviert; diese zu benutzen, fehlten ihnen die geeigneten Papiere. Die Hotels der Einheimischen wurden besonders intensiv von der Polizei kontrolliert, kamen also auch nicht in Frage. Schließlich landeten sie im YMCA, das zwar auch nur Inder beherbergte, aber keine Papiere verlangte. Mit dem Zug ging es weiter nach Goalanda Chat, dann mit dem Schiff nach Chandpur, alles ohne eine Kontrolle. Die erfolgte erst beim Verlassen des Schiffes: Alle Militärpersonen sollten an Bord bleiben. Have und Magener gehen selbstsicher auf die Militärpolizei zu und überzeugten diese durch Vorzeigen ihrer Zivilfahrkarten, daß sie nicht zum Militär gehörten: „Das war wieder so ein Streich nach Haves Geschmack. Er konnte dem Reiz der Lage nicht widerstehen … Furchtlos, und ohne Nerven, mit einem unfehlbaren Instinkt für das gerade noch Mögliche, stand er immer über der Situation. Niemals habe ich ihn aufgeregt gesehen … Hinterher sahen seine Abenteuer immer so aus, als habe er sie vorher genau durchkalkuliert.“ 42)

Nun stiegen sie um auf die Bahn nach Chittagong, mieteten dort einen einheimischen Führer, der sie auf seinem Sampan bis Cox' Bazar ruderte, drei Tage und Nächte versteckt unter dessen Palmendach. Von dort schlugen sie sich nur noch des nachts durch, auf und neben den Straßen durch den Dschungel. Mehrmals liefen sie in den dunklen Nächten in Militärlager, durchquerten sie aber ohne aufzufallen. Immer wieder fanden sie sich in den gefährlichsten Lagen, vertrauten auf ihre Intuition, handelten, ohne zu planen, verließen sich auf ihr Gefühl. Zu vieles geschah zu plötzlich: Da wurden sie in der Nacht mehrfach mit einem „Stop“ angerufen, hörten das Klicken der Gewehrsicherung in ihrem Rücken und gingen dennoch weiter - niemand schoß, niemand kam ihnen nach. Einen anderen Posten, der es wagte, sie nach ihren Papieren zu fragen, schüchterten sie dermaßen ein, daß der nur noch Entschuldigungen stammeln konnte. Dann wollten sie einen Ghurka-Posten umgehen, indem sie einen Hügel erkletterten. In der Mitte des Hangs lösten sich einige Felsbrocken unter ihren Füßen, der Posten guckte nach oben, die beiden winkten kräftig mit ihren Tropenhelmen, der Posten grüßte zurück und alle waren zufrieden.

„Das Ungewisse, das Unbekannte war zu unserem eigentlichen Lebenselement geworden. Nirgends fanden wir sicheren Halt, nirgends eine verläßliche Größe, mit der wir rechnen konnte. Nur selten wußten wir genau, wo wir waren, und selbst dann, wenn wir eine bestimmte Örtlichkeit ausgemacht hatten, blieb uns unsere Lage in bezug auf unser Endziel unklar, denn wo dieses sich befand, konnten wir ja noch gar nicht angeben. … Die Ereignisse waren auf wenige atemraubende Augenblicke zusammengedrängt, auf allerkleinste Zeiteinheiten, zwischen denen lange, qualvolle Pausen, große, leere Zwischenräume lagen. … Jeder Augenblick konnte den ganzen Mann erfordern. Mit dieser Umstellung ging auch die Führung vom Verstand auf den Instinkt über; wir überließen uns unbewußten Reaktionen und Reflexbewegungen. Weil ununterbrochen neue Ereignisse auf uns einstürmten, wären wir ihnen alsbald nicht gewachsen gewesen, hätte nicht unsere eigene Natur durch einen Entlastungsmechanismus Abhilfe geschaffen. Er bestand einmal darin, daß das soeben Erlebte weit in die Vergangenheit zurückgestoßen wurde, beklemmende Eindrücke also ihre lähmende Nachwirkung verloren. … Wir waren noch keine zwanzig Schritt an den Straßenposten vorbei, da waren sie schon aus dem Sinn und vergessen. Und zum anderen wurden wir gegen Gefahren zusehends unempfindlicher; immer gefährlichere Begebenheiten kamen uns harmlos vor …“ 43)

Ihr Weg führte sie durch Dschungel, Sümpfe, über Kanäle und Flüsse, bis sie am 31. Tag ihrer Flucht ahnungslos burmesischen Boden betraten. Japaner nahmen sie einige Kilometer hinter der Front gefangen. Die Freude, es geschafft zu haben, verflog bald, denn für die Japaner waren sie zunächst nichts anderes als englische Spione, und es dauerte Wochen, sie vom Gegenteil zu überzeugen: eine Zeit, die sie in bewachten Hütten, Gefängnis, Lager, Zuchthaus zubrachten. Diese Zeit war nicht weniger belastend als die Wochen zuvor: „Wir mußten uns daher, in dem Bewußtsein, daß das Samuraischwert noch immer über uns hing, in Lammsgeduld fassen - wir, die wir in Wahrheit keinen Funken Geduld mehr besaßen, vielmehr endlich die Früchte der Flucht genießen, uns bewegen, Leute sehen, Deutsche sprechen, kurz, wieder Menschen sein wollten.“ 44) Doch weitere Wochen mit Vernehmungen im Hauptquartier der Kempetai schlossen sich an. Die Ernährung war dermaßen schlecht, daß ihnen büschelweise die Haare ausfielen, Schwerhörigkeit und Nervenschmerzen sich einstellten. Nach drei Monaten wurden sie der Presse vorgestellt, plötzlich, ohne Vorankündigung; man eröffnete ihnen, daß man ihnen nun glaubte, ohne den Umstand zu nennen, der den Gesinnungswechsel bewirkte, und schickte sie nach Tokio, endlich in die Freiheit. Leider teilt Magener nicht mit, wie sich die weitere Zukunft entwickelte.

3 Erfahrungen auf der Flucht

3.1 Der 1. Weltkrieg 1914-1918

Arthur Heye war seit Monaten in Afrika, gerade von einer Malaria genesen und überschritt am 27. Juli 1914 die Grenze zwischen Britisch- und Deutsch-Ostafrika auf dem Weg zum Kilimandscharo, um sich dort einige Zeit zu erholen. 45) »Am Abend des zehnten August lag ich, in zwei Decken gehüllt, in einem Liegestuhl vor der Tür der Petershütte und steckte mir bedachtsam eine Havanna an. … Obgleich auch meine Hände vor Kälte starr und steif waren, öffnete ich den Brief sofort … »Sie werden hierdurch aufgefordert, sich innerhalb von drei Tagen nach Erhalt dieser Benachrichtigung bei der unterzeichneten Amtsstelle zu melden und Ihren Paß und, falls Sie Reichsdeutscher sind, Ihre Militärpapiere vorzulegen. Zu Ihrer Information wird Ihnen mitgeteilt, daß sich das Deutsche Reich und seine Kolonien seit Anfang dieses Monats mit Rußland, Frankreich, Belgien und England im Kriegszustand befindet.«“ 46)

Für Heye, gerade neunundzwanzig Jahre alt, bedeutete das eine radikale Umwälzung seines Lebens: „…von den fünfzehn Jahren, die seit meiner Entlassung aus der Schule vergangen waren, hatte ich vierzehn im Ausland verbracht. Die beiden letzten Jahre war ich drüben in der englischen Nachbarkolonie gewesen, und von den Menschen, die ich dort kennengelernt hatte, war mir überwiegend nur Gutes widerfahren. Sie waren jetzt die Feinde meines Vaterlandes, und es wäre meine Pflicht gewesen, sie zu hassen. Aber - ich konnte und konnte ihnen gegenüber nichts anderes als Dankbarkeit empfinden, und ich fühlte abgrundtiefen Kummer über das, was nun eingetreten war.“ 47)

Nichtsdestotrotz war er am kommenden Tag Soldat, Landsturmmann bei der vierten Schützenkompanie in Tanga. Fast drei Jahre blieb er dann „auf Kriegspfaden“ im Busch unterwegs, wurde am 19. April 1917 angeschossen und gefangengenommen. 48) Im Juni 1917 befand er sich an Bord des englischen Dampfers „Windsor Castle“, auf dem Weg nach Indien, und gelangt wie die meisten in ein Gefangenenlager, vermutlich Ahmednagar. Dort findet er etwa fünfhundert Deutsche, luftige Wohnbaracken, Gärten, Duschen, Sportplätze, sogar eine Musik- und Theaterhalle. Es gibt Sport-, Gesang-, Musik- und Theatervereine, einige Gefangene führen Coiffeursalons, Schuster- und Schneiderwerkstätten. In der Kantine kann man so ziemlich alles kaufen, Alkohol erhält man unter der Hand. Ein Problem ist das Geld: „Den vornehmtuenden Vertretern der großen deutschen Handels- und Baufirmen fehlte es auch offenkundig nicht an Mitteln dazu; bei uns Afrikasoldaten haperte es in dieser Hinsicht jedoch erheblich. Wir besaßen wohl ausnahmslos Löhnungsguthaben von tausenden von Rupien, aber wir besaßen kein bares Geld.“ 49) Heye verdiente sich einiges als Konditor hinzu: „Ich stellte nur eine einzige Spezialität her: Sandtorte eins zu eins. Der Name erklärt sich aus dem Rezept: ein Pfund Mehl, ein Pfund Zucker, ein Pfund Butter und ein Dutzend Eier. Wer von diesem währschaften 50) Erzeugnis drei Scheiben zum Frühstück aß, hatte noch am Abend keinen Hunger. Den Backofen selbst hatte ich mir aus Lehm und einem Haufen Ziegeltrümmer hinter dem Waschhaus erbaut; das Heizmaterial war das landesübliche, nämlich getrockneter Kuhdung.“ 51)

Als ihm das Geschäft vom Kommandanten wegen Feuergefahr untersagt wurde, verlegte er sich auf die Herstellung von Tamarindenmarmelade, einem allerdings wenig begehrten Produkt. „Die Einnahmen schnellten jedoch in äußerst erfreulicher Weise in die Höhe … Eine Anzahl eingeweichter Früchte war mir in Gärung übergegangen; gerade als ich im Begriff stand, das Zeug wegzuschütten, steckte ein hoffnungslos versoffener Barackengenosse seine rote Nase schnüffelnd in den Bottich, kostete das Gebräu und fand den Geschmack so lieblich, daß er es restlos ausbecherte, wobei er immer handfestere Gesänge anstimmte. … Der Absatz wurde aber geradezu reißend, als ich herausfand, daß bei richtiger Behandlung aus dem Zeug sogar ein schäumender Sekt entstand …“ 52)

Das Geschäft war beendet, als eines Nachts eine nach der anderen die unter dem Bett gestapelten und verkorkten Flaschen explosiv ihre Korken durch die Gegend jagten. Eine Geräuschkulisse wie bei einem Schußwechsel, die schnell zwei Engländer mit gefälltem Bajonett herbeilockte. Der findige Heye erteilt nun den Deutschen im Lager Englischunterricht, wobei er einen besonderen Wert auf vielfältige Flüche legte, die die Lagerinsassen mit den Bewachern austauschen konnten. „Monate hindurch gab ich einer Nachmittags- und einer Abendklasse von je zwanzig bis dreißig Teilnehmern Unterricht.“ 53) Den Unterricht mußte er schließlich wegen seines immer schlechteren Gesundheitszustandes aufgeben, verbrachte mehrere Monate im Gefängnishospital und hielt ein ganzes Jahr lang eine Diät aus Schleimsuppen ein.

Nach dem Kriegsende 1918 gab es lange keine Anzeichen für eine Verschiffung nach Hause, die Moral im Lager sank: „Die geistigen Interessen, die zahlreichen Bestrebungen zur Weiterbildung flauten ab, und schließlich hörte sogar die sportliche Betätigung fast völlig auf. Bei vielen machte sich stattdessen dauernde Gereiztheit und Zanksucht und eine Neigung zu alkoholischen Ausschweifungen bemerkbar, andere flüchteten sich in die sonderbarsten sektiererischen Lehren, in okkulten Hokuspokus oder einfach in schiere stumpfe Verzweiflung und Selbstaufgabe - und einige flüchteten aus dem Leben überhaupt. Denjenigen, die freiwillig gegangen waren, sollten im Laufe dieses düsteren Jahres noch viele unfreiwillig folgen. Nachdem schon eine Choleraepidemie auch unter uns mehrere Opfer gefordert hatte, fiel der schwarze Schatten der weltumspannenden Grippe auch über Indien. … [Dann] flammte die dortzulande nie ganz verlöschende tropische Pest, die Bubonenpest 54), wieder auf; ihr auf dem Fuße folgten eine neue Cholerapest und dieser dann noch der Typhus.“ 55) Heye ging es schlecht, obwohl er nicht unter diesen Seuchen zu leiden hatte. Er kam in das Erholungslager Ramandrugh im Süden der Provinz Madras. Dort lernte er den Ethnologen Dr. Schlesinger kennen, der im Himalaya zu ethnologischen Studien unterwegs gewesen war, und dessen Vater Inhaber eines bekannten Frankfurter Bankhauses war. Mit ihm ging er in den fünf Monaten Erholungslager auf insgesamt acht Wochen währende Forschungs- und Jagdausflüge; für zwei Rupien pro Person und Tag meldete der irische Sergeantmajor die beiden jeden Abend als anwesend.

Erst Silvester 1919 werden alle Gefangenen Hals über Kopf nach Bombay und dort auf ein Schiff gebracht und am 24. Februar 1920 landet Heye im Hafen von Rotterdam. Heye trifft auch einen Dr. Söderland, der Redakteur bei dem Versicherungsblatt „Die Mußestunde“ gewesen war und sich in ein buddhistisches Kloster auf Ceylon zurückgezogen hatte. Dort hatte man ihn ausgewiesen, obwohl er bereits mehrere Jahre unter den Mönchen lebte. Vor seiner Internierung war Heye Nachfolger auf dessen Redakteursposten und sollte über seine Reisen schreiben.

August Hauer 56) war Arzt und Leiter des Schlafkrankheitsbezirkes Nianza am Tanganjikasee. Im Juli 1914 begann er eine Rundreise durch seinen Distrikt; am 4. August brachte ihm ein Bote den Brief mit der Nachricht der Kriegserklärung zwischen Deutschland und Rußland. Der Einberufungsbefehl zur 9. Feldkompagnie in Usambara wartete bereits in Gitega. Dort traf er auch auf den aus dem Kongo kommenden „Abenteurer und Elefantenjäger“, den Deutsch-Amerikaner Kramer.
Bis Mitte 1917 war Hauer in den Kampfgebieten Ostafrikas eingesetzt, dann wurde er gefangengenommen und Ende November in das Gefangenenlager in Lindi gebracht. Ein Hospitalschiff brachte ihn nach siebenwöchigem Typhusleiden und abgemagert auf 45 Kilo nach Indien und dort über Karachi ins Gefangenenlager von Ahmednagar, einem der gesündesten, wenngleich äußerst heißen Plätze Südindiens. Hier waren nicht nur die deutschen Soldaten aus Ostafrika, sondern auch Zivildeutsche aus Siam und China interniert. Schon bald sah er, wie eine Gruppe Ausbrecher zurückgebracht wurde, die ein altes, den Engländern unbekanntes Kanalsystem zur Flucht benutzt hatten, sich aber durch ungeschicktes Verhalten nach etwa zehn Tagen in der Freiheit verraten hatten.
Außerdem berichtet er von einer weiteren Flucht, die auch Heye erwähnt: „Eines Morgens fehlte jener schlagfertige Leipziger. In einem Brief, der jedem Melancholiker Ehre gemacht hätte, teilte er dem Kommandanten mit, daß die Quälereien des `schwarzen Peter´ … ihn zum Selbstmord getrieben hätten. Während nun tagelang Busch und Höhlen vergebens durchsucht wurden, saß Herr Hahn zuversichtlich in der Bahn. Bei der Ankunft in Madras … ward er der Polizei nur dadurch verdächtig, daß er das wenigste Gepäck von allen Reisenden trug.“ 57)

Bei Heye heißt der Flüchtige allerdings Blum und die Flucht fand aus Ramandrugh statt, im übrigen gleichen sich die Angaben. Heye traf Blum später nochmals in Deutschland und gibt zahlreiche Details an, so z. B., das Blum zu vier Jahren Militärgefängnis in Poona verurteilt wurde, diese jedoch nicht abzusitzen brauchte und zusammen mit allen anderen Anfang 1920 nach Deutschland überführt wurde. Am 30. Dezember 1919 wurden die internierten Deutschen zurück nach Deutschland geschickt.

Hagenbeck lebte bereits 25 Jahre in Indien, war Importeur, Exporteur, Tierhändler, Pflanzer und nahm unter den Großkaufleuten Indiens einen der ersten Plätze ein: „meine Firma war überall in der Welt bekannt, ich besaß ausgedehnte Pflanzungen, ein prächtiges Heim, ein beträchtliches Vermögen und erfreute mich nicht nur in den Kreisen meiner Landsleute, sondern auch bei den Engländern des besten Rufes und der angenehmsten Beziehungen.“ 58)
Auch in Ceylon glaubte man bis zuletzt nicht an die Möglichkeit eines Krieges. Am 7. August 1914 erhielt Hagenbeck den Ausweisungsbefehl und mußte Ceylon noch am gleichen Tage verlassen, Frau, Familie, Haus, Hab und Gut bis auf einen kleinen Handkoffer zurücklassend und sich zweiter Klasse nach Batavia einschiffend, das damals holländische Kolonie war. Zusammen mit ihm waren auch acht Vergnügungsreisende aus Colombo ausgewiesen worden; vier Österreicher verließen freiwillig die Insel. Er hoffte darauf, bei Bekannten und Freunden unterzukommen, doch hatte man das Gerücht verbreitet, er sei ein Spion. Die Stimmung schlug gefährlich gegen ihn um und er beschloß die Flucht nach Deutschland. Ceylon hatte er ohne Papiere verlassen müssen, doch gelang es ihm, einem holländischen Kolonialsoldaten den Paß abzukaufen und sich als Zwischendeckspassagier einzuschiffen. Leider erkannte ihn einer der patrouillierenden Polizisten und seine Flucht fand schnell, aber folgenlos, ein Ende.

Einige Zeit später flüchtete er zusammen mit einem Österreicher, dem ehemaligen italienischen Konsul in Colombo, in einem kleinen Küstendampfer, der nicht kontrolliert wurde, nach Sumatra. Dort erfuhr er, daß inzwischen alle anderen Ceylon-Deutschen interniert wurden. Unterkunft fand er auf deutschen Schiffen, die, überrascht durch den Krieg, untätig im Hafen der neutralen Holländer lagen. Im Laufe der Zeit knüpfte er Beziehungen an zu einem belgischen Kolonialsoldaten, der ihm einigermaßen ähnlich war: „Wir wurden handelseinig. Der Soldat, der also scheinbar abdankte, besorgte sich außer der Schiffsfahrkarte die nötigen Ausweise, die auch mit seiner amtlich abgestempelten Photographie versehen wurden. Ich erhielt nun die Papiere und das Billet und ersetzte die Photographie des Belgiers durch die meinige. … Als ich im Schutze der Dunkelheit das Haus verließ, sah ich in meiner abgetragenen Uniform, Sandalen an den Füßen, einen Öltuchsack mit den Habseligkeiten über den Schultern, vollkommen wie ein alter, vom Tropenklima zermürbter, stark reduzierter Kolonialsoldat aus.“ 59)
Das setzte natürlich die fließende Beherrschung des Französischen voraus, ein gewisser Akzent wurde dem Belgier zugestanden. Seine Rolle spielte er überaus glaubhaft und bei den verschiedenen Revisionen durch englische Kriegsschiffe brauchte er als „armer Belgier“ seine Papiere niemals zu zeigen. In Italien, damals neutral, verließ er das Schiff, suchte den Konsul auf und erhielt von ihm einen deutschen Paß. Ohne weitere Schwierigkeiten erreichte er Deutschland mit dem Zug. 60)

Carl Richarz, Leutnant zur See, erzählt, wie er zusammen mit 29 anderen Deutschen, Kadetten des Norddeutschen Lloyd-Schulschiffes Herzogin Cäcilie, in Chile nach Wegen sucht, nach Deutschland zu gelangen, um am Krieg teilnehmen zu können. Etwa im Oktober 1916 61) finanzieren sie mit Hilfe von Freunden aus Chile den Ankauf der Tinto, einer 64jährigen, hölzernen Bark mit 460 BRT (Bruttoregistertonnen). Von November 1916 bis März 1917 sind sie unterwegs, umschiffen Kap Hoorn, durchkreuzen den Atlantik und gelangen nach 124 Tagen auf See unbehelligt nach Norwegen.

Werner-Otto von Hentig ist von 1915 bis 1917 in geheimer Mission nach Afghanistan unterwegs, das damals, zwischen den Einflußsphären der Kriegsgegner Rußland und England liegend, geopolitisch wichtig wurde. Seine besondere Aufgabe war es, den Herrscher von Afghanistan zu besuchen und ihn den deutschen Interessen gewogen zu machen. Dabei war Hentig auf sich allein gestellt; seine Expedition wurde jedoch mit 250.000 Reichsmark unterstützt, von denen er letztlich in 26 Monaten 100.000 Mark ausgab und die Hinreise von zwanzig sowie die Rückreise von sechs Personen finanzierte. Nur zwei, allerdings landes- und sprachkundige Europäer nahm er von Berlin mit: den Arzt Dr. Becker, Mitglied des Garde-Jäger-Bataillons, und Walter Röhr, einen Magdeburger Kaufmann, der schon seit seinem siebzehnten Lebensjahr in Persien lebte. Sechs Afridis, Krieger von der indischen Nordgrenze, sorgten für den Schutz der Truppe, außerdem kamen einige Inder mit, darunter ein Prinz. Außerdem stoßen in Persien die Teilnehmer einer zweiten Expedition zu ihnen: sechs österreichische Offiziere sowie der deutsche Offizier Niedermayer und der Südwestafrikaner Wilhelm Paschen, schließlich einige weitere Deutsche 62), Perser und Ungarn.

Getrennt reisen die Expeditionsteilnehmer am 14. April 1915 von Berlin über Wien und durch Rumänien nach Konstantinopel, dann mit der Bahn durch die Türkei, schließlich auf Booten nach Bagdad. Hentig beschreibt die aufreibende Organisation der Fahrt: „Zum Transport unsres Gepäcks hätten wir mindestens 150 Tiere, für Wacht- und Treiberpersonal wie für das Futter weitere hundert Tiere gebraucht. Die Kosten hätten sich auf annähernd zehntausend Mark belaufen. Statt dessen schaffte es der Euphrat in weniger als einem Drittel der Zeit und für etwa ein Zehntel der Kosten … bis zur alten Kaiserstadt Bagdad hinunter.“ 63)

Am 1. Juni 1915 brechen sie erneut auf, ab nun begleitet von Spionen, denn sie befinden sich bereits im englischen Einfluß, nicht aber in deren Machtbereich. Mit Maultieren, Eseln, Pferden und Kamelen ziehen sie durch Persien, getrenntt, in drei Gruppen, meist auf den schwierigsten Strecken, meist durch die trockensten Wüstengegenden, da sie sich zwischen russischen und englischen Einflußsphären möglichst ungesehen hindurchschlängeln müssen. Ein Kamel kostete 2,40 Mark pro Tag, an Verpflegung nochmals 3,20 Mark, während die Menschen bereits mit 1,60 Mark verpflegt wurden. Problemlos war die Strecke von Kirmanschah nach Teheran und Isfahan, schwierig wurden die Wüstenstrecken über Najin nach Tebbes, der heißesten Stadt der Welt, wo sie am 23. Juni 64) ankommen: Einen Monat lang sind sie täglich etwa sechzig Kilometer marschiert, bei sommerlicher Wüstenhitze und all den Problemen, die die Organisation einer so großen Gruppe mit sich bringt. Ohne direkte Feindberührung, jedoch oft in Hör- und Sichtweite feindlicher Patrouillen erreichen sie schließlich Afghanistan bei Doroschk und Tacht-i-Wun am 22. Juni 1915, erreichen Kabul aber erst Ende September. Zehn Monate bleiben sie in Afghanistan als Gast des Emirs und obwohl sie eine recht große Freiheit genießen, gelten sie aus Rücksicht auf die Engländer als Gefangene. In dieser Zeit geht Hentig seiner politischen und nicht näher beschriebenen Aufgabe nach, die im Wesentlichen nur darin bestehen kann, freundschaftliche Beziehungen zu fördern. Nach Abschluß seiner Tätigkeit machten sich Niedermayer und er auf den Rückweg, jedoch in östlicher Richtung und auf getrennten Wegen, vermutlich aus taktischen Erwägungen. Die üblichen Karawanenstraßen wurden von Engländern und Russen kontrolliert, so daß Hentig zusammen mit Röhr, dem Ungarn Jossip, dem Perser Afgher und dem Inder Seyed Achmed eine Route durch den Pamir wählte, durch das nicht deutlich abgegrenzte Land zwischen Rußland und Indien, das so gut wie unvermessen war, kaum Namen trug und daher Sicherheit bot. Am 21. Mai 1916 begann die Reise nach Osten. Hin und wieder begleiteten einheimische Führer die Gruppe, sonst richtete sich von Hentig nach einer Karte im Maßstab 1 zu 7,5 Millionen. Mehrfach von russischen Truppen verfolgt erreichen sie nach mörderischen Strapazen ihr Ziel Yarkent im chinesischen Turkestan. Damit war zwar nur relative Sicherheit erreicht - die Russen hatten auch dort noch einen großen Einfluß und überschritten oft die Grenze - doch mußten sie weitere hundertdreißig Tage durch Wüsten marschieren, zehn, zwölf Stunden täglich: „Von all der Mühsal, wie jeder einzelne dieser Tage sie brachte, kann ich heute noch nicht reden. So viele dumpfe Gedanken, wie sie dabei in ununterbrochener Wiederholung des Gehirns sich bemächtigen, soll man anderen nicht vortragen wollen. Und dann - ich würde daran verzweifeln, einen hinreichenden Begriff von einhundertdreißigmal zehn- bis zwölfstündigen Märschen geben zu können. Acht Tage schreitet man ja, von Hitze und Kälte getrieben, freudig fürbaß. Vier Wochen kann man es, mit einem Ziel vor Augen, noch gut aushalten. Selbst zwei Monate wären noch keine Leistung. Aber dann auch noch nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt zu haben, täglich weiter mit wunden Füßen, zerrissenen Händen, klaffenden Sohlen, verschlissenen Kleidern, ohne etwas Rechtes im Magen, marschieren und frieren, frieren und wieder marschieren zu müssen, auch des nachts keine Ruhe zu finden und nur immer mit wunder Seele an einer ungelösten Rechnung zu rechnen, das darf man nicht vorher schon einmal durchgemacht haben, wenn man der sprungbereiten, gierig lauernden Verzweiflung entgehen will.“ 65)

Erst am 24. Dezember 1916 ist die erste Bahnverbindung erreicht, sie betreten Mientsche. Über Honan, Tschentschou gelangen sie nach Hankau und werden vom deutschen Konsul aufgenommen. Doch drei Monate später erreicht der Krieg auch diesen Winkel der Welt: China hat die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abgebrochen. Als Diplomat hat Hentig eingentlich freies Geleit, doch das ist Theorie: die chinesischen Beamten verzögern die Ausstellung der Reisepapiere immer wieder, die Engländer verweigern sie, die Franzosen reagieren gar nicht, die Amerikaner wollen zunächst, dann wieder nicht. Kurzum: Man sitzt fest. „Die schönen Wege, die im Anfang des Krieges noch Flüchtlingen offenstanden, über Sibirien, den Suezkanal und so weiter, waren so streng überwacht, daß ihre Benutzung, zumal ohne eine lange, gründliche Vorbereitung, nur zu sicheren Entdeckung geführt hätte. Der Krieg mit Amerika stand vor der Tür.“ 66)

Nach der letzten Absage handelt Hentig schnell, taucht noch abends in Shanghai unter und läßt sein Gepäck zurück, besitzt lediglich ein amerikanisches Marine-Hemd, eine Missionars-Jacke und eine Seemannsmütze, um in möglichst unterschiedliche Rollen schlüpfen zu können, und begibt sich als blinder Passagier auf den am 1. April 1917 auslaufenden amerikanischen Dampfer Ecuador. Es gelingt ihm, zwei österreichische Offiziere zu überreden, ihn in ihrer Erster-Klasse-Kabine zu verbergen, dabei faltet er sich täglich von neun bis zwölf Uhr in einen engen Kleiderschrank. Die gefürchteten Kontrollen in Japan sind oberflächlich, die Kabinen werden gar nicht kontrolliert, doch bei der zweiten Landung, diesmal in Yokohama, werden sechs Deutsche gefunden. Bei der Landung in Honolulu verläßt er das Schiff, schwimmend, da alle Ein- und Ausgänge schwer bewacht werden, seit Amerika in den Krieg eingetreten ist. Es gelingt ihm wohl, ungesehen an Land zu kommen, doch zeigt es sich, die Kontrollen in Honolulu sehr streng sind. Schließlich stellt sich Hentig freiwillig dem Generalstaatsanwalt, bekommt ein Ticket nach Amerika und wird bei San Francisco auf der Einwandererinsel Angel Island im Hospital interniert. Auch die Österreicher und die anderen sechs Deutschen befinden sich dort in Internierung ebenso wie die Kapitäne deutscher Schiffe. „Am Tage nach meinem Einzug auf der Engels-Insel fand ein eingehendes Verhör statt. Ich wußte, daß hiervon, wenn nicht alles, so doch außerordentlich viel abhänge. Mein Plan war einfach die Fortsetzung des von mir stets auf der Reise und meist mit erstaunlichem Erfolg innegehaltenen Programms: die Wahrheit und Tatsachen für mich sprechen zu lassen und den Gegner zu fassen, sobald er sich in eine, nur durch Kombinationen gedeckte Stellung begäbe.“ 67)

Zu seiner Überraschung wird er nach einiger Zeit freigelassen, allerdings noch nicht als Diplomat anerkannt, und ständig überwacht. Doch schließlich gelingt ihm auch die Zusicherung freien Geleits. In Kanada kann er sich offiziell auf der norwegischen Halifax nach Bergen einschiffen und trifft sechsundzwanzig Monate nach seiner Abreise aus Deutschland in Norwegen ein.

Die Art der Schilderung hebt sich angenehm von ähnlichen Publikationen aus den Kriegsjahren ab. Hentig bekennt sich als Deutscher, schildert seine Erlebnisse jedoch ohne jeden Hurra-Patriotismus. Erfahrungen, Empfindungen und Einstellungen werden meist ohne übertreibenden Zierrat vorgetragen, bekennend, aber nicht mit missionarischem Eifer. Dadurch ist der schmale Band auch heute noch kurzweilig zu lesen. Vieles wird nur kurz vorgetragen, wo der Leser Lust auf mehr bekommt, das Prosaische kommt zu kurz. Hentig weist alle Eigenschaften eines Globetrotters auf, wir würden ihn heute gar als Abenteurer einstufen, doch genau das widerspricht seinem Bild: „…ich hoffe dadurch nicht in den Ruf der Abenteuerlichkeit zu kommen …“ 68) Hentig war Adliger, Akademiker, Soldat, Diplomat. Zwar war er auch in der Wanderbewegung aktiv, doch mußte sich der Abenteurer unterordnen, Pflicht, Selbstdisziplin, Gehorsam bestimmten sein Verhalten auch fern der Heimat. Dafür spricht auch der Titel seiner 1963 veröffentlichten Biographie: „Mein Leben, eine Dienstreise.“

Ein wenig hat er diesen Zwist nach dem Ende seiner Zentralasien-Durchquerung in Hankau formuliert: „Mit den unvergessenen Erfahrungen des Menschen, der früher einmal unter Kulturverhältnissen höherer Ordnung gelebt hat, aber mit dem Gemüt des Primitiven empfand ich die Wohltat der geschützten Zimmer, den Alleinbesitz eines Raumes, das Bewußtsein, das ein zum Nomadisieren gezwungener Ackerbauer bei der Rückkehr auf den eigenen Grund und Boden haben muß. … Ein Bedauern bleibt schließlich zurück, daß man sich nicht die Einfachheit in Lebensweise und Kleidung bewahren darf, daß man fürchten muß, durch die Mannigfaltigkeit der Kulturbedürfnisse wieder unfreier, abhängiger zu werden. Als wirklicher, recht irdischer Vorteil bleibt freilich übrig, daß man nicht jeden Morgen die gesamte Habe zu packen braucht …“ 69)

3.2 Der 2. Weltkrieg 1939-1945

Herbert Pritzke war Arzt und wurde 1944 nach Afrika beordert, zum Rommel-Korps. Nach seinem ersten Fluchtversuch aus englischer Gefangenschaft verlegte man ihn in das berüchtigte Lager 307 bei Fanara in der Suezkanal-Zone, ein Entkommen von dort war unmöglich. So begann er, Wadenkrämpfe zu simulieren und erreichte bald sein Ziel, die Verlegung ins Hospital nach Fayed. Er wurde an den Krampfadern operiert und kaum zu Kräften gelangt, floh er, 18 Monate nach Kriegsende.
Ausgerüstet war er mit einem zwei Meter langen Zeltstock, der ihm mit seinen eisenbeschlagenen Spitzen als Waffe dienen sollte. Aufpassen mußte er aber auch vor den anderen Internierten: 100 Zigaretten Belohnung gab es, wenn eine Flucht verraten wurde. Gefährlich waren die „knüppelbewaffneten deutschen Lagerwachen, meist Fallschirmjäger, die für dreißig Pfennig am Tag ihre eigenen Kameraden bewachten und robuste Methoden anwandten, um den Ertappten das Heimweh aus den Knochen zu prügeln, ehe sie vom Wachsergeanten die Belohnung in Zigaretten einkassierten.“ 70) Doch so lange nach Kriegsende war die Aufmerksamkeit der Wachen gering, und nur ein Zaun war zu überwinden. Seine Fluchtroute war ihm klar: „Ich folgte dem klassischen Fluchtweg der deutschen Kriegsgefangenen: zunächst drei Stunden in genau westlicher Richtung, um aus der britischen Kanal-Enklave herauszukommen, dann abschwenken nach Nordwesten bis an den Süßwasserkanal, der von Ismailia nach Kairo führt.“ 71)

Drei Tage lief er ohne Wasser, dann brach er zusammen. Beduinen fanden ihn, gaben ihm Wasser und bei den Beduinen blieb er, als sie seine Qualitäten als Arzt entdeckten. Der nur geduldete Flüchtling wurde zum Hakim Alemanni mit Ruf und Ansehen. Als solcher praktizierte er in einem Beduinenzelt, ließ sich Medikamente und Geräte aus Ismailia beschaffen und baute sich eine kleine, mobile Praxis auf. Rezepte für Patienten unterschrieb er mit „Le docteur inconnu.“ Als Dank für die Gastfreundschaft wurde von ihm die Unterstützung illegaler Geschäfte erwartet und Pritzke beteiligte sich daher am Haschisch-Schmuggel. Der Diebstahl einer Kiste mit Morphium aus einem englischen Lager schlug allerdings fehl.
Etwa ein Jahr blieb er bei den Beduinen, lernte deren Sprache, kleidete sich wie sie, paßte sich an, auch wenn es ihm hin und wieder schwerfiel: „Ich war bevorzugter Gast. `Hier ist etwas Gutes für dich, Salameh!“ sagte der Onkel und hielt mir mit seinen schmutzigen Fingern ein Auge des Hammels hin. Kaum eine Situation im Krieg hatte mich soviel Todesverachtung gekostet wie das würgende Hinunterschlucken solcher Gastbrocken. … Der Onkel jedoch, der mich ins Herz geschlossen hatte, streifte sich die Ärmel hoch, beugte sich so weit vor, daß sein Bart beinahe mit dem Gericht in Berührung kam, griff ein paarmal ein Stück Fleisch heraus und prüfte es, ob es auch gut genug war für den Gast; aber jedes Stück warf er wieder zurück, bis er endlich vom Besten das Allerbeste für mich gefunden hatte. … Es war ein Stück Schwanzfett, mit dem ich den ganzen aufdringlichen Geruch des Fettschwanzhammels in die Nase bekam. Um den Fettklumpen gekrümmt, sah ich die unsagbar dreckige Hand, vom Fettklumpen weg rann die Brühe über den nackten haarigen Arm … Die Natur sorgte dafür, daß ich das Schwanzfett nicht mehr zu essen brauchte und auch das Hammelauge wieder zurückbekam, nachdem es sich in meinem aufgewühlten Inneren nur eine Weile hatte umsehen dürfen.“ 72)

Erst Ende 1947 durfte er die Beduinen verlassen und ging nach Kairo. Seine Versuche, sich einen Paß und eine Fahrkarte nach Europa zu organisieren, scheiterten kläglich, er mußte erneut untertauchen und fiel in die Hände der Muslim-Bruderschaft von Hadji Khaled, die ihm eine neue Identität verschafften.
Als Gegenleistung verpflichtete er sich als Söldner im Palästina-Krieg mit dem Einsatzort Jaffa. Weder Israelis noch Araber waren militärisch organisiert, so daß dieser Krieg eher aus Provokationen, Unruhen und Guerilla-Aktionen bestand. Ende April 1948 brach die Jaffa-Front zusammen und Pritzke floh mit zwei Kameraden nach Beirut; die Überfahrt bezahlten sie mit ihren Waffen.

Dort erhielt er von der saudi-arabischen Regierung das Angebot, die Leitung des Krankenhauses im Gesundheitsamt von Hofuf zu übernehmen, nahm an und praktizierte bis September 1952 in Hofuf, ging dann zurück nach Beirut, ließ sich dort als Kinderarzt nieder und legte im November 1952 das libanesische Staatsexamen für Medizin ab. Erst damit wurde es ihm möglich, einen libanesischen Paß zu beantragen und erstmals seit seiner Flucht 1947 hatte er wieder gültige Papiere. Ein Besuch im heimatlichen Berlin zeigte ihm schnell, daß er dieses Leben nicht mehr führen konnte und er entschied sich erneut für Beirut: „Heute habe ich hier meine Heimat, eine schöne Heimat, Freunde und Anerkennung, Arbeit und berufliche Möglichkeiten, die ich mir in einer neuen Umgebung erst wieder erkämpfen müßte.“ 73)

Flucht aus Holland

Geld und Beziehungen machen das Leben und auch die Flucht leichter, schützen aber nicht vor Exil und Internierung. Diese Erfahrung machte Wolfgang Gans Edler Herr zu Putlitz, deutscher Botschafter in Den Haag bis zu seiner Flucht 1939. Über Nacht mußte er Holland verlassen, da es die Gestapo auf ihn abgesehen hatte. Dank hoher Freunde in der englischen Botschaft wurde er über Nacht nach England ausgeflogen. Dort wurde ihm das Leben aber nicht leicht gemacht: alte Freunde mieden ihn, neue ließen sich nicht finden. Der Haß auf die Deutschen war zu groß. Jahrelang war er an der Botschaft in Washington gewesen, doch auch dort wollte man nichts mehr von ihm wissen. Nicht einmal ein Einreisevisum in die USA erhielt er. So flüchtet er auf das damals noch britische Jamaica. Man war freundlich und er erhielt ein eigenes Haus, doch ein hoher Zaun und die Wachmannschaften machten deutlich, daß dies als Internierung anzusehen war, wenn auch auf hohem Niveau. Aus Langeweile wandte er sich an amerikanische Verleger und bot ihnen an, ein Buch zu schreiben. Der Verleger Levine sprang darauf an und verschaffte dem Herrn zu Putlitz endlich das begehrte amerikanische Visum. Damit hatte auch die Internierung ein Ende und Putlitz fand sich in New York wieder.

Das Ende einer Bergfahrt

Friedrich Kolb und Ludwig Krenek waren mit vier englischen Freunden im Himalaja unterwegs. Am 10. September 1939 sandte ihnen ein Polizeioffizier per Bote in die Berge hinein folgende Nachricht: „Meine Herren, ich muß Sie bitten, ohne Verzögerung nach Manali zurückzukehren, um sich dort beim Polizeiinspektor zu melden. Ich ermahne Sie in Ihrem eigenen Interesse, dieser Bitte nachzukommen. Sie beugen damit der Notwendigkeit vor, Ihre Anwesenheit durch drastischere Mittel zu sichern. Sie müssen sich klar darüber sein, daß das Britische Weltreich sich im Kriege mit dem Deutschen Reich befindet, Sie daher Angehörige eines feindlichen Staates sind.“ 74) Für kurze Zeit landeten beide im Militärgefängnis von Lahore, kamen dann ins Internierungslager Ahmednagar und trafen dort auf „drei Mitglieder der deutschen Nanga-Parbat-Expedition sowie zwei Bayern, die mit einem Schweizer in Sikkim gewesen waren.“ 75) Einer der Bayern war ein Bäcker, der einige Jahre später nach einem Fluchtversuch von Dörflern wegen seines Geldes erschlagen wurde, vermutlich Schmaderer (s. Kap. 1). Die beiden lernten Hindustani und andere Sprachen. Später kamen sie nach Deolali, dann nach Dehra-Dun. Sie unternahmen keinen Fluchtversuch und wurden bereits 1944 entlassen, da sie außerhalb des Lagers als Lehrer tätig waren.

Glück gehabt?

Walter-Eberhard Freiherr von Medem begab sich noch im März 1939 auf eine Weltreise: durch Italien, Äthiopien, Ostafrika, Japan, Korea, China und die Südsee ging die Fahrt. Er hielt sich am 23. August wieder in Hongkong auf, als zwei englische Kriminalbeamte mit den Worten in sein Hotelzimmer eintraten: „Ihren Paß, Sie sind verhaftet, folgen Sie zur Polizei.“ 76) Eine Kontaktaufnahme mit dem deutschen Generalkonsulat wurde verhindert, jedoch konnte von Medem den Portier in der Eingangshalle noch entsprechend beauftragen. Es folgten Verhöre über seine Absichten, die von Medem mit dem Hinweis auf seine ordnungsgemäßen Papiere und seine Weltreise konterte. Seine Papiere seien allerdings nicht zu finden, wurde ihm entgegnet. Glücklicherweise konnte er das gültige Ticket für seine bereits gebuchte Schiffspassage am nächsten Tag vorzeigen und noch ließen die Behörden mit sich handeln. „Man kann es auch Ausweisung nennen, immerhin besser, als interniert zu werden. … Ich erkannte plötzlich, was die englische Geheimpolizei schon wußte, den bevorstehenden Kriegsausbruch!“ 77)

Die weitere Heimreise nach Deutschland konnte nur entweder über Amerika erfolgen oder durch Sibirien, denn der Suezkanal wurde von den Engländern kontrolliert. Noch im August hatte Deutschland einen Pakt mit Rußland geschlossen und so erhielt von Medem ein Visum beim russischen Botschafter, eben weil er deutscher Offizier war. Unterwegs traf er auf andere heimreisende Deutsche: „In Harbin 78) fanden sich fünf deutsche Männer, ein deutsches Professorenpaar, das aus Amerika kam, und die Frau eines deutschen Diplomaten zusammen …“ 79)

Der Legion entkommen

Philip Rosenthal war schon als Kind nach England gekommen, besaß aber noch die deutsche Staatsbürgerschaft. Er hatte sein Studium in Oxord beendet und war mit einem Freund in Frankreich unterwegs, wollte dort zunächst seine Mutter in ihrer Villa in Juan-Les-Pins besuchen, dann zu Fuß und per Anhalter durch den Balkan und die Türkei bis nach Persien. „Danach wollte ich sehen, was sich weiter ergab. Was jedoch kam, war der Krieg. Wie so viele Menschen konnten wir nicht begreifen, daß der Krieg da war; was man nie erlebt hat, kommt einem irgendwie nicht recht möglich vor.“ 80) Er wollte nicht ins faschistische Deutschland zurück, in England und Frankreich war er Ausländer. So beschloß er kurzerhand, sich der Fremdenlegion anzuschließen. Doch die bot nicht das, was er sich vorgestellt hatte: Anstatt gegen das NS-Regime kämpfen zu dürfen, muß er in der Sahara Sand schaufeln.

1940 erklärte Frankreich den Waffenstillstand. Damit fehlte ihm dann auch die letzte Perspektive. „Ich hatte nie ein Abenteuer in der Legion, bis ich versuchte, von ihr wegzukommen; aus dem einfachen Grunde, daß es kein Abenteuer ist, mehr Arbeit unter häßlicheren Bedingungen und mit weniger Lohn und weniger Anerkennung zu leisten als die meisten Arbeiter der Welt. Auch kann selbst das Kämpfen kein Abenteuer sein, wenn es zur Dauerbeschäftigung wird. Abenteuer bedeutet, aus der Routine rauszukommen, und nicht, sich in einer zu befinden, die besonders gräßlich ist.“ 81) Dreimal versuchte er aus der Legion zu fliehen, erst der letzte Versuch gelang. Er hatte sich Geld gespart, einen gefälschten Urlaubsschein ausstellen, gute Zivilkleidung schneidern lassen und läßt sich am Tag seiner Flucht rasieren und maniküren - sein Plan beruhte darauf, nicht wie ein Legionär auszusehen. Über Fes, Meknes und Rabat gelangte er nach Casablanca und da jedes Hotel Ausweise verlangte, nahm er erst spät abends Quartier, trug einen falsche Namen ein und wechselte das Hotel früh am nächsten Morgen, da erst dann die Papiere zur Polizei gebracht wurden. Tagelang suchte er Möglichkeiten, außer Landes zu gelangen: Doch weder im Prostituierten-Milieu noch bei der amerikanischen Botschaft noch im Hafen bot sich eine Chance. Der amerikanische Konsul schlug ihm ernsthaft vor, nach Britisch-Gambia mit dem Fahrrad zu fahren. Dann lernte er einen entlassenen Legionär kennen und erschwindelte sich mit dessen Entlassungsschein bei der Polizei einen neuen Personalausweis auf den baskischen Namen Thomas Bartolomeo Echevarria. Die neue Identität hielt künftig allen Überprüfungen stand, nur das Land verlassen konnte er auch damit nicht. Bei einem solchen Versuch wurde er verhaftet, kam zunächst ins Gefängnis, dann ins Lager, wurde aber nicht als entlaufener Legionär erkannt. Erst im September 1942 gelang es ihm mit Hilfe von Freunden und Beziehungen, in einem kleinen Fischkutter Marokko zu verlassen und nach Gibraltar überzusetzen.

3.3 Mitten im Putsch

An einem ruhigen Sonntagmorgen fuhr der Engländer Bruce Chatwin mit einem afrikanischen Freund durch die Straßen von Benins Hauptstadt. Vor immer lauter werdendem Geschützfeuer flüchteten sie in Nebenstraßen. Doch Chatwin wurde für einen Söldner gehalten, da er Armeehosen trug, Menschen schlugen auf sie ein. Dann zogen ihn Polizisten aus der Menge, legten ihm Handschellen an: „Zu ihrer eigenen Sicherheit“ und brachten ihn zur Wache. Seinen Freund sah er nicht mehr wieder.

Dort ging es drunter und drüber: Zunächst beschimpfte ihn ein Unteroffizier als Söldner und nannte seinen Füllfederhalter eine getarnte Waffe. Dann schützte ihn ein Oberst einige Stunden, mußte aber bald selber fliehen, während Chatwin vom Unteroffizier wieder arrestiert wurde. Später erschien ein neuer Oberst, diesmal eine Frau. Chatwin mußte sich bis auf die Unterhose ausziehen, über den Hof gehen und sich dort mit erhobenen Händen an eine Wand stellen, das Gesicht zur Wand. Umdrehen war verboten, sprechen war verboten. Die Soldaten trieben ihr Spiel, bis er in der Mittagshitze ohnmächtig zusammenbrach. Abends erhielt er seine Kleider zurück, doch die Euroschecks fehlen.

Ein belgischer Gefangener, der zu viele Fragen stellte, wurde zusammengeschlagen. Ein Missionsarzt, ebenfalls gefangen, erlag einem Herzschlag. Ein weiblicher Feldwebel nahm ihm die Fingerabdrücke ab, brach ihm fast den kleinen Finger und zerquetschte ihm mit dem Stiefel einen Zeh, als er vor Schmerz aufschrieh. Über Nacht wurden die neun Gefangenen in ein kleines Büro gequetscht, wer einschlief, wurde mit Tritten geweckt. Chatwins Rücken war von der Sonne verbrannt und mit Blasen übersät, der gequetschte Zeh hatte sich entzündet. Am nächsten Morgen kam der französische Konsul, schwitzend vor Angst und sich nur um die Ernährung der Gefangenen kümmernd. Chatwins Bitte, den englischen Konsul über seine Lage zu informieren, lehnte er ab. Mittags wurden die Franzosen auf freien Fuß gesetzt, etwas später erschien der von ihnen informierte deutsche Botschaftsrat und bewirkte auch Chatwins Freilassung. Der kramt dort einen seiner beiden versteckten Euroschecks hervor, holt sich Geld und verkriecht sich auf dem Zimmer. Irgendwann tritt ein Soldat ein und verlangt Geld, Chatwin gibt es ihm und der Soldat verabschiedet sich höflich.

3.4 Entkommen aus Sibirien

Kurt Aram hatte Pech: Zusammen mit seiner Frau war er auf dem Weg von Istanbul über Tiflis nach Eriwan und Wan. Er hatte den kürzeren Weg über Batum am Schwarzen Meer gewählt und befand sich in Rußland, als am 1. August 1914 Deutschland Rußland den Krieg erklärte. Während der nächsten Tage wollte niemand diese Nachricht glauben, man bestätigte sich gegenseitig, daß das doch gar nicht sein könne - auch der deutsche Konsul hatte keine offiziellen Nachrichten erhalten. Und doch - das Verhalten wurde distanzierter, die Menschen auf der Straße gingen den Deutschen aus dem Weg. Das Hotel London, in dem sich Aram befand, gehörte einer seit vielen Jahren dort lebenden Deutschen, einer Frau Richter aus Mainz. Dann wird die Kriegserklärung zwischen England und Deutschland bekannt, die Engländer ziehen aus dem Hotel aus, auch die Holländer verlassen das sinkende Schiff, distanzieren sich von der kriegerischen Nation. In ganz Rußland werden dann die Deutschen und Deutschstämmigen im Alter von 17 bis 50 Jahren interniert und Kurt Aram landet mit seiner Frau in Sibirien. Dort finden sich in erster Linie Geschäftsleute wieder, nur wenige Reisende sind darunter. Alle Kosten der Internierung, Essen und Trinken, warme Kleidung für Sibirien, sogar die zehntägige Bahnfahrt ins sibirische Gouvernement Watka haben die Gefangenen selbst zu bezahlen, wer kein Geld hat, leidet Hunger, friert, ist obdachlos. In den ersten Tagen hätte Aram noch ausreisen können, doch fehlte ihm der Paß, der noch zur Anmeldung bei der Polizei lag. Diese hatte aber wohl schon frühzeitig Order, die Pässe zurückzuhalten. Die zweite Bedingung war Geld, denn mit zunehmender *Krise stiegen die Kosten für Fahrten und notwendige Bestechungen. Dennoch gelang Aram nach fünf Monaten die Ausreise mittels überlegter Tricks, Beziehungen zu bekannten Russen, Geld und der notwendigen Beherrschung des Russischen. Diese zweite Phase ist unter Reiseaspekten interessanter als die erste, da sie zeigt, unter welchen besonderen Bedingungen in Krisenzeiten eine Reise organisiert werden muß: Aram erhält nach allerlei Manipulationen einen Auslandsreisepaß für sich und seine Frau, den er fortan nicht mehr aus der Hand gibt. Baldmöglichst läßt er sich eine beglaubigte Kopie anfertigen. Außerdem versucht er trotz seines Passes möglichst wenig aufzufallen: „Reisende sind von vornherein verdächtig.“ 82) Er rechnet vielmehr mit der Willkür der Behörden, die, wenn sie ihn erst einmal als „feindlichen“ Deutschen erkannt haben, ihn erneut internieren. Sein Auslandspaß verschwände dann in irgendeiner Schublade. Das bedeutet für ihn, der recht gut russisch spricht, schnell zu sein und möglichst keinen Kontakt mit anderen Leuten zu haben. Also kauft er eine Fahrkarte erster Klasse, da in diesen Abteilen nur zwei Personen Platz haben, und verläßt es außer zum Umsteigen nicht. Für die mehrtägigen Bahnfahrten setzt das eine ausreichende Verpflegung voraus. Schwierig wird es in Petersburg: Dort müssen sie übernachten, da der nächste Anschlußzug erst am folgenden Tag fährt. Alle Hotels verlangen jedoch den Reisepaß und auf dem Bahnhof patrouillieren Soldaten. Glücklicherweise können sie bei einem Russen, den Aram von einer früheren Reise her kennt, unterkommen. Auf der letzten Etappe, von Petersburg nach Raumo, wird der Zug dann doch noch kontrolliert. Auch Aram und seine Frau werden gründlichst durchsucht: Leibesvisitation, ausziehen, die Sohlen werden von den Schuhen getrennt. Alles Schriftliche wird beschlagnahmt, der Baedeker ebenso wie das (leere) Notizbuch. Nur fünfzig Rubel erhalten sie pro Person zurück, der Rest wird konfisziert. Auch hier hofft er zu Recht, daß man sich seinen Paß nicht genauer ansieht, nicht sieht, daß er aus einem Lager kommt. Denn mittlerweile sind fast nur noch Ausländer im Zug; es sind zu viele, um sie alle gründlich zu kontrollieren. Die Hoffnung erfüllt sich und drei Tage nach der Abfahrt von Petersburg befinden sich beide an Bord einer schwedischen Fähre.

Slavomir Rawitsch, Leutnant der polnischen Kavallerie, wurde nach dem Zusammenbruch der polnischen Armee am 19.11.1939 von den Russen gefangengenommen, er war gerade 24 Jahre alt. Verhöre, Einzelhaft und Folter in den Gefängnissen von Minsk, Charkow und in der Lubjanka in Moskau gingen seiner Verurteilung voraus, die für ihn fünfundzwanzig Jahren Zwangsarbeit in Sibirien vorsah. Ende November 1940 wurde er zusammen mit etwa 60 anderen Verurteilten in einen Viehwaggon gesperrt, der für 8 Pferde vorgesehen war. Es war so eng, daß sich niemand setzen kann. „Die ganze Nacht und den ganzen folgenden Tag über durften wir die Waggons nicht einmal verlassen. … Die Männer mußten sich im Stehen entleeren. Der Gestank war unerträglich.“ 83) Mitte Dezember kamen sie in Irkutsk an, 5000 Männer wurden auf einem Kartoffelfeld versammelt. Nach drei Tagen gab es Winterkleidung, dann wurden sie in einer Reihe aneinander gekettet. 1.600 Kilometer Fußmarsch lagen vor ihnen. Ihr Ziel, das Lager 303 am Nordufer der Lena, etwa 350 Kilometer südlich von Irkutsk, erreichten sie nach zwei Monaten, im Februar 1941.

Vom ersten Tag an beschäftigte sich Rawitsch mit Fluchtgedanken, suchte vorsichtig tastend nach geeigneten Fluchtkameraden und fand schließlich sechs Fluchtwillige: den Amerikaner Smith, einen Ingenieur, den man wegen Spionageverdacht zu zwanzig Jahren Arbeitslager verurteilt hatte; Eugen Zavo, einen dreißig Jahre alten Jugoslawen, der zuletzt als Buchhalter tätig gewesen war; Anastasi Kolomenos, einen blonden Hünen, 27 Jahre alt, der in Litauen einen Hof gehabt hatte; Sigmund Makowski, 37 Jahre alt und Hauptmann der polnischen Armee; Zacharius Marchinkowas, einen knapp dreißigjährigen Architekten aus Litauen und schließlich Anton Paluchowitsch, 41 Jahre alt, einen polnischen Kavallerie-Feldwebel. Sie entschieden sich für eine Flucht nach Süden, Richtung Mongolei und weiter zum Himalaya. Dies ist mit 1.500 Kilometern zur mongolischen Grenze der zwar längste, aber auch der sicherste Weg, da wenig bevölkert und wenig kontrolliert.

Ihre Fluchtvorbereitungen waren relativ bescheiden, da die Umstände kaum mehr zuließen: Von ihrer Tagesration (1 kg Brot) trockneten sie täglich ein Viertel auf einem Ofen; organisierten sich ein wenig Mehl und Salz, Graupen und Tabak; jeden Tag stahlen sie von den zahlreichen Pelzen, die die sowjetischen Soldaten zum Trocknen aufhängten, ein Stück, und schneiderten sich daraus warme Kleidung, Mokassins, Gürtel, Riemen, Gamaschen und Balaklava-Fellmützen 84); sie konnten eine Axt erbeuten und Rawitsch schmiedete sich ein Messer aus den Resten einer gebrochenen Säge; aus Holz geschnitzte Löffel und ein einziger Aluminiumbecher bildeten das gesamte Kochgeschirr. Interessant ist ihre Methode, sich mangels Streichhölzern eine Art Feuerzeug zu basteln: „Man verwendete das schwammartige Gubkamoos, das sich von den Bäumen abreißen läßt. Zum Feueranmachen braucht man dann nur noch einen gebrochenen Nagel und ein Stück Feuerstein. 85) Das trockene Gubka, das wir alle vorrätig bei uns hatten, entzündete sich am Funken des Feuersteins und brannte, wenn es angeblasen wurde, mit schwelender Flamme.“ 86) Im April 1941 waren die Vorbereitungen abgeschlossen und in einer Nacht, als dichter Schneefall jede Sicht nahm und ihre Spuren rasch verdecken würde, entkamen die sieben über die gestaffelte Befestigungsanlage. Als besonderen Trick zogen sie ein Schaffell hinter sich her, damit sollte die Witterung der Hunde vom Menschen abgelenkt werden.

Aus Angst vor Entdeckung liefen sie die ersten Tage nur nachts und gruben sich tags in Schneehöhlen ein. Zeitweise mußten sie in einem Meter tiefem Neuschnee spuren und erst, als sie tagsüber marschierten, erhöhten sie ihr Tagespensum auf bis zu fünfzig Kilometer. Manchmal konnten sie den kargen Speisezettel etwas aufbessern, so, als sie ein Loch in einen zugefrorenen Fluß hackten: „Das Wasser quoll als Fontäne in die Höhe und strudelte eisig um unsere Füße. Und siehe da - vier Fische, so groß wie Heringe, kamen an die Oberfläche. Aufgeregt wie Schuljungen stürzten wir uns auf unsere Beute.“ 87) Ein andermal gelang es ihnen, einen sibirischen Hasen zu fangen. Rawitsch war der einzige, der sich auf Weidmannskunst und Jägerkniffe verstand, alle anderen waren Städter. Neun Tage nach ihrem Ausbruch erreichten sie die Lena, scheuen aber weiterhin die Begegnung mit Menschen: „Die wenigen Straßen, auf die wir stießen, überquerten wir nur nach eingehender vorheriger Erkundung. Manchmal sahen wir nachts in der Ferne die Lichter eines Dorfes oder einer kleinen Stadt und am Tage die Umrisse von Häusern und rauchende hohe Schornsteine. In solchen Gegenden bewegten wir uns besonders vorsichtig.“ 88) Während die Wochen vergehen, schlich sich der Frühling ins Land, das Eis auf den Flüssen wurde dünner und machte oft das Durchschwimmen der Flußmitte nötig. Auf Höhe des Baikalsees schloß sich ihnen ein siebzehnjähriges polnisches Mädchen, Kristina, an, das ebenfalls ausgerissen war.

In der zweiten Juni-Woche überschritten sie die mongolisch-russische Grenze und bewegten sich auf die Kentei-Shen-Berge zu: in sechzig Tagen hatten sie zweitausend Kilometer zurückgelegt. Weiterhin waren die Lebensmittel knapp, oft hungerten sie tagelang. Vor Verlassen der Sowjetunion gruben sie auf einem Acker einen Zentner Frühkartoffel aus, manchmal fanden sie Pilze und einmal hatten sie das Glück, einen Hirsch erlegen zu können, der sich mit dem Geweih in der Krone eines umgestürzten Baumes verfangen hatte.

In der besiedelten äußeren Mongolei trafen sie auf gastfreundliche Bewohner, die ihnen öfters mit Lebensmitteln aushalfen. Zunehmend wurde die Gegend karger und sandiger, ein Anzeichen für die nahende Wüste Gobi, die sie zu Fuß durchquerten, ohne eine andere Ausrüstung zu haben als bisher: ihr einziges Vorratsgefäß für Wasser bildete der Aluminiumbecher, die einzigen Lebensmittel bestanden in einer Anzahl getrockneter Fische, die am fünften Tage alle waren. Erst am siebten Tag erreichten sie halb verdurstet eine Oase und konnten doch nicht bleiben, da sie keine Lebensmittel mehr hatten. Am sechsten Tag nach Verlassen der Oase starb Kristina an Erschöpfung, am zehnten Tag starb auch Makowski, erst am dreizehnten Tag stießen sie wieder auf eine karge Quelle. Nun erst kamen sie auf die Idee, die recht häufig vorkommenden Schlangen zu fangen und zu essen. Wieder folgten acht Tage ohne Wasser, bevor sie die Berge erreichten. Drei Wochen später, Anfang Oktober, trafen sie in der Provinz Kansu wieder einen Menschen, einen Schäfer, der sie üppig bewirtete. Weiterhin blieb das Essen karg, nur alle paar Tage trafen sie auf Hirten. Straßen und Wege gab es nicht, sie gingen einfach in eine bestimmte Himmelsrichtung und versuchten, mit den Hindernissen fertig zu werden. Nach einer der vielen Nächte in den tibetischen Bergen stellten sie morgens fest, daß Marchinkowas nachts gestorben ist, ohne daß sie die Ursache erkennen konnten. Ende Januar überschritten sie irgendwo westlich von Lhasa den Brahmaputra. Auf der letzten Etappe des Weges stürzt Paluchowitsch in eine abgrundlose Schlucht.

Zu viert begegneten sie wenige Tage später einer indischen Militärpatrouille, achtzehn Monate nach ihrem Ausbruch aus dem sibirischen Lager, und wurden nach Kalkutta gebracht. Dort bricht Rawitsch zusammen und wacht erst vier Wochen später wieder auf. Nach ihrer Genesung trennten sich die vier, Rawitsch wird zu den im Mittleren Osten kämpfenden, polnischen Truppen überstellt. 89)

4 Weltreise im Weltkrieg

4.1 Freiheit auf den Meeren

Hans von Meiss-Teuffen war meines Wissens der einzige, der sich während des Zweiten Weltkrieges freiwillig auf eine Weltreise begab. Der Schweizer Meiss-Teufen macht siebzehnjährig in Berlin und später in London eine Banklehre, und hat statt des Bildes einer Frau die Karte Afrikas auf seinem Schreibtisch stehen 90). Sechs Jahre verharrt er in der Bank, mit zwei Urlaubswochen im Jahr 91). Er beschreibt sich als „kleinen, dicken, phlegmatischen Jungen“. 92) Ostern 1934 kündigt er, als ihm der Personalchef einen Urlaub nicht gewähren will, und erhält 42 Pfund ausgezahlt, sein ganzes Vermögen 93). Mit dem Vater einer Freundin, Lord Henry, fährt im Sommer zwei Wochen kreuz und quer durch Frankreich. Ein Leben, das ihm so gut gefällt, daß er sagt: „Nie mehr in meinem Leben werde ich in einem Büro sitzen.“ 94)

I am sailin' ...

Afrika lockt ihn. In Brindisi, wo er eigentlich auf den Dampfer nach Griechenland wartet, kauft er spontan die „Santa Barbara“, ein sechs Meter langes Fischerboot 95). Damit fährt er, zum Entsetzen der italienischen Fischer, über Korfu und Korinth, zunächst nach Athen und trifft dort einen „jungen Burschen im typischen Kostüm des deutschen Wandervogels - offenes Hemd, kurze Kordhose und Sandalen an den nackten Füßen … Karl erschien wie verabredet am Samstagnachmittag mit Rucksack und daran anhängendem Kochgeschirr. Ein echter Wandervogel!“. 96) In Syros verkaufte er die „Santa Barbara“ und beteiligt sich mit dem Erlös fünzigprozentig an der „Austria“, einem sloopgetakelten Siebentonnenboot. Mit an Bord sind „Ein schmächtiger Bursche mit einem Menjoubärtchen, das mich sogleich gegen ihn einnahm“, ein Österreicher namens Pirkhahn, „der zweite namens Antezzi, war schon ein älterer Jahrgang. … Der dritte war ein erst achtzehnjähriger Schuljunge… Tiroler und wurde Hem genannt.“ 97) Ein wenig Geld verdient er sich mit dem Schreiben von illustrierten Artikeln für Schweizer Zeitungen. 98) In Beirut trennt er sich von den Österreichern, die „Austria“ wird verkauft, er erhält 150 Pfund und kauft sich für 85 Pfund ein kleineres Boot.

Illegal in Palästina

Am 19. Oktober 1935 betritt er illegal Palästina, gibt sich als Jude aus und arbeitet dort einen Winter lang. Im nächsten Jahr fährt er über Port Said und durch den Suez-Kanal nach Port Sudan. Dort verkauft er sein Schiff für 175 Pfund (wieder einmal ein gutes Geschäft) 99), da es ihm für das Rote Meer als zu leicht gebaut erscheint. Auf einer arabischen Dhau fährt er die alte Handelsroute über die südarabischen Länder nach Karachi und Bombay. In Bombay kauft er sich die „Ibis“, eine Fünftonnen-Ketsch 100) mit Hilfsmotor und fährt auf die Seychellen, wo er sich als Perlentaucher versucht. Das Ergebnis deckt gerade die Kosten, und er fährt weiter nach Madagaskar. Im Hafen sinkt ihm das Schiff. Das nimmt er als Zeichen, Afrika auf dem Landweg kennenzulernen und macht sich auf den Weg in die Kupferminen von Rhodesien. Es folgten fünf schwere Monate als Verwalter der Gemüsefarm Tambowa ohne Verdienst unter der Fuchtel einer „ewig nörgelnden, unzufriedenen, bissigen, keifenden Frauensperson“.101) Dann wird er Lastkraftwagenfahrer, Aufseher auf einer Orangenfarm, Leiter eines Straßenbaus und arbeitet in der Kupfermine als Sprengmeister. Aus der Idee, genügend Geld für eine eigene Farm zu verdienen, entwickelt sich ein gutgehendes Hotel, nebenbei florieren die Orangenplantage, der Heilkräuter- und Obstgarten, 35 Gebäude werden mit der Zeit errichtet. Da ihn das noch nicht auslastet, beginnt er zunächst Lehrfilme, dann Filme über die Kultur und das Leben der Schwarzen zu drehen.

Kriegsdienst in Helvetia

Mit drei Wochen Verspätung hört er vom Kriegsbeginn in Europa im August 1939. Im Dezember ist er auf dem Rückweg in die Schweiz. Seine Zeit als Soldat der Schweizer Armee hat nach einigen Monaten und zwei Malariaanfällen ein rasches Ende. Mehrere Monate hält er dann Vorträge vor Soldaten über seine Reisen. „Doch die Sehnsucht nach Afrika, nach meiner Farm und dem damit verbundenen Leben ließ mich erst von Konsulat zu Konsulat laufen, um zu versuchen - Krieg oder nicht Krieg -, wieder zum Luapula zurückzukehren. Überall begegnete ich dem gleichen leicht spöttischen Achselzucken: 'Lieber Mann! jetzt im Krieg?' So sinnt er auf andere Möglichkeiten, „der Flut grausigster Kriegsnachrichten“ zu entfliehen, kauft sich in Cannes wieder ein Boot, die „Bonne Chance“. Zwei Wochen Instandsetzungsarbeiten sind bereits investiert, als ihm die französische Polizei das Auslaufen verbietet. So heißt es diesmal mit Verlust verkaufen. Schließlich findet er im spanischen Muros, an der Atlantikküste, erneut ein Boot, eine 45 Fuß lange Jolle mit fünf „Zimmern“, Kabine, Kombüse, Bad, WC, Mannschaftslogis, Vorratsraum. Nach siebenwöchigen Arbeiten sticht er im Oktober 1941 in See, Ziel: Lissabon. Schon zwei Tage später stoppt ihn ein englisches Kriegsschiff, ein Kreuzer: Nach einer Paßkontrolle darf er weitersegeln. Wieder einen Tag später besucht ihn ein deutsches U-Boot. Nach seiner Ankunft in Lissabon ist er auf der ersten Seite des „Diario de Notizias“: „… der Besitzer habe schon öfters seine Reisen im eigenen Boot durchgeführt, und man dürfe es ihm nicht übelnehmen, wenn er auch in Kriegszeiten diese ungewöhnliche Art des Reisens vorzöge … Solange seine eigenen und die Schiffspapiere in Ordnung seien, könnten ihm keine kriegführenden Mächte der Welt verwehren, die Meere zu befahren. … Trotz dieses taktvoll-freundlichen Artikels … wurde ich in Lissabon … öfters spöttisch gefragt, ob ich zumindest selbst wüßte, für welche Seite ich spionierte.“ 102) Auch alle finanziell hochdotierten Angebote potentieller Mitfahrer lehnt er kategorisch ab, um sich nicht in Auseinandersetzungen verwickeln zu lassen. Bis Gibraltar wird er noch von fünf englischen Schnellbooten kontrolliert. Im November 1941 ist er in Tanger und feiert seinen dreißigsten Geburtstag.103) Casablanca, Gran Canaria, Port Etienne (Mauretanien), Dakar, Bathurst (Gambia) heißen die weiteren Anlegehäfen. In Bathurst muß er drei Wochen bleiben, bis aus London bestätigt wird, daß Meiss-Teuffen „OK“ sei.

Schiffbruch und Landurlaub

In der vierten Nacht nach dem Auslaufen aus Freetown in Sierra Leone erlitt er Schiffbruch. Mit seinem Beiboot rettet er sich an Land, kann noch seine Papiere, Geld, Wasser und Lebensmittel an sich raffen, bevor die „Ruetli 650“ endgültig in der Nähe des Ufers sinkt. Mit einigen Tauchgängen holt er am nächsten Tag die wichtigsten Sachen aus dem Schiff heraus. Dann ging er zu Fuß nach Freetown: „Mit einem improvisierten Rucksack auf dem Rücken, der nur Konserven und Trinkwasser in Flaschen enthielt und der mir in der Nacht als Decke diente, begann ich den Hundertmeilenmarsch.“ 104)

Acht Tage lief er, elf Monate saß er in Freetown fest, dann, im März 1943 konnte er auf einem Frachter nach Kapstadt fahren. Dachte er. Denn nach zwei Tagen drehte der Frachter und fuhr stattdessen nach England. Nach einigen Tagen erfolgte ein Luftangriff, tags drauf kamen die U-Boote. Ein Treffer an der Steuerbordseite ließ den Frachter sinken, Meiss-Teuffen und einige andere retteten sich auf ein Rettungsfloß, dabei gingen auch seine letzten Habseligkeiten verloren. Aus Seenot gerettet, werden die Schiffbrüchigen nach England gebracht: Dort ist er auch als neutraler Ausländer den dortigen kriegsbedingten Arbeitspflichtgesetzen unterworfen. Er verbringt den Rest des Krieges als Lastkraftwagenfahrer und verdient genug, um sich bei Ende des Krieges wieder ein Sieben-Tonnen-Segelboot, eine 35-mm-Filmkamera, Leica und Rolleiflex, Sextant und Chronometer kaufen zu können. Als lukrativen Nebenjob hatte er das Handdrucken von Kopftüchern, Schals und Stoffen für Damenkleider begonnen. Schon seine ersten vier „Schöpfungen“ waren so gut, daß sie von einer Stoffdruckfirma in Manchester angekauft wurden. „Das Hinüberwechseln vom schlechtbezahlten Chauffeur zum gutbezahlten, schöpferisch schaffenden Künstler war wohl das Eigenartigste im oftmaligen Auf und Ab meines Lebens.“ 105)

Alles im Lot auf'm Boot

Er kaufte sich im Juli 1945 ein Schiff, die „Speranza“, und verließ Ende August England über die Themse, als erster privater Schiffsführer nach dem Krieg, dabei Spezialkarten der Royal Navy benutzend, die die noch existierenden Minenfelder enthielten. Er hatte versprechen müssen, die Karten nach Passieren der Minenfelder sofort zu vernichten. In Lissabon überwinterte er an Bord seines Schiffes: „Am Nachmittag kamen meist Bekannte, die ihren Bekannten das Schiff zeigen wollten, und abends mußte im neu angeschafften Smoking zu einer der vielen Einladungen gegangen werden, wo alte Bestellungen [für bedruckte Tücher] abgeliefert und neue Aufträge angenommen wurden. Gesellschaftliches Leben war für mich zur Notwendigkeit geworden. … Nach den schweren Winterregen … drehte ich … einen Dokumentarfilm über Kork. Mehr als eine Woche verbrachte ich in den ausgedehnten Korkwäldern im Süden Portugals.“ 106) Zwei weitere Filme haben den Stierkampf und einen „Spaziergang durch Lissabon“ zum Thema.
Am 11. März 1946 segelte er schließlich weiter. Drei Wochen blieb er in Tanger, ebenso lange in Gibraltar, und hielt dort Vorträge über Einhandsegeln vor den englischen Offizieren und Kadetten. Den vorläufigen Abschluß seiner zwölfjährigen Vagabundenzeit auf dem Meer bildete die Überquerung des Atlantiks in der Rekordzeit von 58 Tagen über Neufundland und Neuschottland. Es schlossen sich drei Jahre in Amerika an und im April 1949 finden wir ihn in Alaska überwinternd und dieses Buch schreibend. Drei Vortragsreisen durch die USA und Deutschland folgten 1949/50.

Meiss-Teuffen war unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg unterwegs, lange Zeit während des Krieges und unmittelbar nach dessen Ende wieder. Nirgends erwähnt er die Begegnung mit anderen Reisenden; das Maß der Aufmerksamkeit, das ihm unterwegs zuteil wird, läßt ihn als Reisenden einzigartig dastehen. Eine Kombination seltener Eigenschaften und Umstände war nötig, um während des Krieges zu reisen: Neben einem starken Wandertrieb gehörte dazu die Zugehörigkeit zu einer anerkannt neutralen Nation, die Freistellung von der Armee und ein hohes Maß an Selbstbestimmung bezüglich Ziel und Routenwahl, wie es wohl nur auf dem Meer möglich ist, unterstützt durch das Talent, in jeder Situation Geld zu verdienen, und sich in nahezu jedem Land in der Landessprache unterhalten zu können.

4.2 Unfreiwillige Weltreisen

Auch Flieger müssen fliehen

Gunther Plüschow war Offizier und bei Kriegsanfang als (einziger) Marineflieger in der damals deutschen Kolonie Tsingtau in China eingesetzt. Das Ultimatum der Japaner vom 15.8.1914 ging den Kampfhandlungen voraus. Kurz vor dem Fall der Stadt hatte Plüschow den Auftrag, das Flugzeug in Sicherheit zu bringen und sich selbst abzusetzen. Er flog, so weit er kam, und landete am 6.11.1914 auf einem Acker in der Nähe der chinesischen Stadt Hai-Dschou, ließ den Motor bei den Behörden in Sicherheit bringen und entging, obwohl auf neutralem Gebiet, selbst nur durch Flucht einer Internierung in Nanking. Damit begann sein Leben als Reisender, der sich irgendwie nach Deutschland durchzuschlagen versuchte. Freunde halfen ihm, sich als Nähmaschinenfabrikant McGarvin in Schanghai nach Amerika einzuschiffen. Bei den Kontrollen in fünf angelaufenen japanischen Häfen halfen ihm der Schiffsarzt, eine vorgetäuschte Krankheit und die luxuriöse Erste-Klasse-Umgebung - die Papiere wurden nicht kontrolliert. In Honolulu und San Francisco stürzten sich die Reporter auf ihn, seine Flucht und seine Fliegereinsätze hatten sich bereits herumgesprochen. Aber trotz ihrer Neutralität im Krieg hatten Presse und Öffentlichkeit Partei ergriffen gegen Deutschland, Plüschow bekam das zu spüren.
Schwierig war es, einen Platz auf einem Schiff nach Europa zu bekommen. Das gelang ihm erst mit einem gefälschten Paß, der ihn als Schweizer ausgab, und ihm die Passage auf einem italienischen Schiff ermöglichte. Bei der Durchfahrt durch die Meerenge von Gibraltar wurden sie von Engländern kontrolliert: „Der englische Offizier ließ sich auf nichts mehr ein, er sagte bloß, es seien bereits so viel Schweizer durch Gibraltar durchgefahren, so viele gäbe es in der ganzen Welt nicht.“ 107)

Fünf „Schweizer“, darunter auch Plüschow, wurden verhaftet und interniert, nachdem sie nicht in der Lage waren, mit einem echten Schweizer Schwyzerdütsch zu reden. Wenig später wurden alle Lagerinsassen nach England überführt. Während die Behandlung in den Überführungslagern sehr schlecht war, besserten sich die Umstände erheblich, nachdem Plüschow in das Offizierslager von Dorchester kam: freie Bewegung innerhalb aller Gebäude und des Geländes, Sportmöglichkeiten, eigene Wäscherei und Schneider; ein Streichquartett und ein Gesangverein wurden gegründet. Die Gefangenen erhielten ein Gehalt von einhundertzwanzig Mark monatlich, abzüglich sechzig Mark für Verpflegung. Die Post von Deutschland funktionierte tadellos, außerdem konnte man sich Geld und Pakete schicken lassen. Allerdings durfte man nur begrenzt nach Deutschland schreiben.
Mit der Zeit packte ihn die Gefangenenkoller: „Die Krankheit der furchtbarsten Verzweiflung, der vollständigsten Hoffnungslosigkeit.“ 108) Er blieb aufmerksam, sammelte Informationen und plante die Flucht mit einem Kameraden. Am 4.7.1915 meldeten sie sich krank und bei der abendlichen Musterung legten sich zwei informierte Kameraden stellvertretend für die Flüchtigen ins Bett. Nachts überkletterten sie, geschützt mit Lederhandschuhe, Ledergamaschen und Wickelgamaschen, die zwei elektrisch gesicherten Stacheldrahtzäune und eine Mauer und befanden sich (vorläufig) in Freiheit. Als wichtigste Ausrüstung hatten sie sich Rasierapparate, Nähnadeln, Kragen, Schlips und eine Kleiderbürste mitgenommen - gepflegte Menschen fallen weniger auf! So erreichten sie London, allerdings auf getrennten Wegen, doch sein Kamerad wurde noch in den ersten 24 Stunden gefaßt. Anderntags hingen überall Steckbriefe und Plüschow entschied sich für ein neues Image: Hut, Kragen, Schlips und Mantel flogen ins Wasser, die blonden Haare wurden mit Vaseline, Schuhwichse und Kohlenstaub schwarz, „die Hände sahen bald aus, als wenn sie niemals mit Wasser in Berührung gekommen wären, und zu guter Letzt wälzte ich mich auf einem Kohlenhaufen tüchtig herum, und schon war der streikende Dockarbeiter G. Mine fertig. … Mit meiner Mütze frech im Genick, vor Schmutz starrend, die Jacke offen, den blauen Seemannssweater und als einzige Zierde den Kragenknopf zeigend, mit den Händen in den Taschen, pfeifend und spuckend und mich überall herumlümmelnd, wie ich es zu tausenden Malen in allen Hafenstädten der ganzen Welt gesehen hatte, trieb ich mich tagelang in London herum, ohne auch nur jemals den leisesten Verdacht bei irgendeinem Menschen zu erwecken, daß ich etwas anderes sei, als wonach ich aussah. Darauf beruhte mein ganzer Plan.“ 109) Er übernachtete im Hafen in einem Holz- und Gerümpellager und wartete auf einen passenden Dampfer mit Ziel Holland. Das dauerte einige Tage, in der Zwischenzeit suchte er ein verlassenes Ruderboot und an anderer Stelle passende Ruder, um nachts zu einem Dampfer hinüberwricken 110) zu können. Einmal an Bord der „Prinzeß Juliana“ gelangte er so nach Vlissingen, von da aus mit dem Zug nach Deutschland. Neun Monate dauerte die Odyssee von Tsingtau nach Goch am Niederrhein.

Noch ein Flieger auf der Flucht

Erich Killinger 111) verbrachte seine Ferien mit Hochtouren in den Tiroler Bergen, als ihn im Juli 1914 auf einer Berghütte der Befehl erreichte, sofort in die Marineschule Flensburg zurückzukehren. Von Danzig aus unternahm er zunächst Aufklärungsflüge über der Ostsee und später Bomberflüge - beim Flug am 6. April 1915 wurde er abgeschossen, von Kosaken gefangengenommen und über Libau und Wilna in die Festung Petersburg gebracht, bis ihm dort eröffnet wurde, daß er in die Bergwerke von Sachalin geschickt würde. 112) Nach dreiwöchiger Eisenbahnfahrt war jedoch erst einmal im Lager Omsk die Reise beendet. Vier Wochen später ging es weiter in das Lager Nischne-Udinsk. Killinger beginnt sich Karten für eine spätere Flucht zu besorgen, und zwar auf eine sonderbare Weise: „Da bei den zu der Front abrückenden Russen viele nur widerwillig zum Militärdienst gezwungen worden waren, kamen öfters während unseres Transportes Leute zu uns an den Zug und baten um eine Bumaga, d.h. wir sollten ihnen auf einem Zettel bestätigen, daß sie gute, friedfertige Leute seien. Mit diesen Zetteln gedachten sie dann überzulaufen und sich gute Behandlung in der Gefangenschaft zu sichern. Dieser Tauschhandel stand in voller Blüte…“ 113) Killinger und seine Zimmerkameraden gaben im nächsten Lager täglich eine Lagerzeitung heraus, natürlich illegal. Gedruckt wurde mittels Leim und Gelatine auf einem Kuchenblech. Der Lagerkommandant verbot nicht nur die Zeitung, sondern unterschlug auch eine große Summe der für die Gefangenen vorgesehenen Gelder. Nachdem sich die Gefangenen beim Gouverneur beschwert hatten, bekamen sie zwar Recht, aber kein Geld, sondern wurden, um den Mantel des Vergessens über die Angelegenheit zu decken, nach Wladiwostok verlegt.

Flucht aus Sibirien

Killinger beschloß, nach sechs Monaten Kriegsgefangenschaft während der Fahrt zu fliehen. An der Abzweigung bei Kaidalowskoje, kurz hinter Charbin, dort, wo sich die nördliche und die südliche Linie der Transsib trennen, sprangen er und drei Kameraden aus dem Zug. Ihre Flucht wurde sofort bemerkt, der Zug hielt, die vier liefen, was die Beine hergaben. Es war bereits September, die ersten Schneefälle machten eine Verfolgung schwierig und so entkamen sie im sumpfigen Gelände.

In einem Rucksack trugen sie einige bescheidene Vorräte mit sich: Brot und Wurst mußten erst im Mund aufgetaut werden, bevor man sie beißen konnte; Schnee diente als Wasserersatz und kühlte den Körper zusätzlich aus; Mäntel, Schals und Handschuhe hatten sie nicht mehr. Wege gab es nicht, Pfade mieden sie aus Angst vor unerwarteten Begegnungen. Erst als die Vorräte zu Ende gingen und der Hunger sie dazu brachte, eine Kerze zu essen, suchten sie auch abseits liegende Gehöfte auf: „Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen, mit Gebärden unsere Wünsche darzutun, hatten wir bald herausgefunden. daß man zunächst das Vertrauen dieser Leute gewinnen mußte, was am schnellsten durch Erregung ihrer Neugier geschah. Wenn Obermaschinist L. seine schon lange verrostete Taschenuhr herauszog, die wir dann interessiert betrachteten, dann reckten sich die Hälse, und jeder schob den anderen nach vorn, um hinter dessen Rücken auch einen Blick auf diesen Zauberapparat zu erhaschen. … und wenn erst einige Minuten verstrichen waren, dann war ein ganz Kühner uns meistens schon so nah auf den Leib gerückt, daß er mit spitzen Fingern unsere noch nie gesehenen Gegenstände berühren konnte. Jetzt schnell die Uhr eingesteckt, denn nun wollten alle anderen auch anfassen, und das mußte vermieden werden, denn der erste war doch nun ein Held in den Augen der anderen, und das mußte er bleiben. Sollte er doch jetzt von uns dadurch ausgezeichnet werden, daß wir uns gerade in seiner Hütte aufzuwärmen gedachten.“ 114)
Die Leute waren gutmütig und gastfreundlich, auch wenn den Flüchtenden nie ganz geheuer war bei dem, was sie aßen: „Der anfängliche Widerwille gegen die uns unbekannten Gerichte, die wir möglichst heiß aus kleinen Näpfen schlürften, war bald überwunden, denn sehen konnte man ja doch nicht, was man aß, da es keine Beleuchtung gab, und zu riechen war auch nicht viel, dafür sorgten schon der beißende Rauch des Feuers, der Geruch des Unrats auf dem Boden und nicht zuletzt die Ausdünstungen der Gastgeber. … Wir wurden nach der größten Hütte geführt und bekamen Tee. Eigentlich ist das ja nicht der richtige Ausdruck für das Getränk, das uns da gereicht wurde, aber da das Zeug heiß und grün gefärbt war, nannten wir es eben Tee. Dann gab es in kleinen Näpfen etwas, was zunächst langen Regenwürmern glich; beim Kosten stellte sich aber, Gott sei Dank, heraus, daß es doch etwas anderes sein müsse. Was es wirklich war, weiß ich heute noch nicht; jedenfalls haben wir's gegessen.“ 115)

Nach etwa vierzehn Tagen gelangten sie in eine kleine Stadt namens Mompanse und schlugen von dort den Weg nach Kirin ein, einer Stadt, die an dem Fluß Sungari liegt, etwa in der Mitte zwischen Mukden 116) und Charbin 117). In Kirin angekommen, wurden sie von einem der beiden dort ansässigen Deutschen freundlich bewirtet. Dieser erzählte, daß bereits ein halbes Jahr vorher elf deutsche und österreichische Offiziere die Flucht auf der gleichen Route versucht hätten, jedoch nur vier hätten Kirin lebend erreicht und wären nun in Tientsin interniert.

Auf einem Karren versteckt schaukelten Killinger und seine Kameraden in den folgenden vierzehn Tagen nach Mukden. Dort begaben sie sich zum deutschen Konsulat und erfuhren, daß ihre Flucht in sämtlichen russischen Zeitungen bekanntgegeben und Steckbriefe erlassen worden seien. Ihnen wird empfohlen, getrennt weiterzureisen. In Tientsin bieten ihm Deutsche Unterkunft und Hilfe an, so daß er sich erholen kann, dann fährt er über Nanking nach Shanghai, immer weitergereicht an dort jeweils ansässige Deutsche.

Von China nach Amerika

Dann beginnt die Vorbereitung für die Flucht aus China: Ihm bleibt nur die Passage mit einem Schiff über Japan nach Amerika, denn sich durch Zentralasien nach Persien durchzuschlagen, ist zu aufwendig und zeitraubend; die Fahrt mit dem Schiff um Indien wiederum ausgeschlossen wegen der zahlreichen englischen Kontrollen. Killinger entscheidet sich, eine französische Identität anzunehmen: „Jetzt hieß es, sich einen französischen Paß zu besorgen; Anzüge, wenn möglich mit französischen Firmen im Futter; Koffer, denen man an ihren aufgeklebten Zetteln, wie: „Hotel du Louvre, Lyon“, „Hotel de la Paix, Paris“, ansah, daß sie viel in Frankreich gewesen waren. Ein paar französische Briefe, Fotografien und Zeitungen mußten ebenfalls beigebracht werden.“ 118)
Er verbessert sein Französisch und Englisch, läßt sich in Sprachstunden seinen Akzent austreiben, paukt die bei Seeleuten üblichen Redewendungen. Dann besorgte er sich Kataloge, Geschäftspapiere und Briefbogen einer Schweizer Maschinenfabrik. Einen abgelaufenen französischen Paß kaufte er auf dem Schwarzmarkt, den Stempel des französischen Vizekonsuls in Che-foo schnitzte ein Chinese aus Holz, die Unterschrift des Vizekonsuls wurde durchgepaust, eine passende Legende für seinen Lebenslauf und seine jetzige Reise zurechtgestrickt. Am 1. Januar 1916 verließ er mit einem japanischen Dampfer Shanghai.
Während der einen Monat dauernden Passage suchte er sich mit möglichst vielen Passagieren bekanntzumachen, um in deren Reisegruppen „unterzutauchen“. Doch die Fahrt nach San Francisco verläuft gefahrlos. Ein Schiff nach Europa konnte er nur in New York finden und machte sich mit der Eisenbahn auf den Weg.

Von New York nach Norwegen

Wieder einmal war ein neuer Paß nötig: Wenn er sich als Franzose ausgeben würde, holten ihn die Engländer vom Schiff und schickten ihn nach Frankreich, damit er seine Militärpflicht erfüllte. Und als Schweizer? „Aber gerade als Schweizer Staatsangehöriger hatte man bei den Engländern mit einer besonders scharfen Kontrolle zu rechnen, da sich alle diejenigen, die eine fremde Sprache nicht fließend beherrschten, notgedrungen die Schweizer Staatsangehörigkeit zulegen mußten. … Da kam mir ein erleuchtender Gedanke: ich stamme einfach aus der französischen Schweiz und spreche gar nicht Deutsch.“ 119)
Die französische Schweiz kannte Killinger gut aus seiner Schulzeit und war dort bei dem Geistlichen Pasteur Epars in Pension gewesen - diesen gab er nun als Vater an. Seine Lebensgeschichte plante er detailliert. Anhand einiger Nachschlagewerke und Baedeker konnte er Straßennamen und Hausnummern angeben, die stimmten. In diesem Lebenslauf war er mit sechzehn Jahren als Taugenichts durchgebrannt und zur See gefahren: „Aus alten Schiffsregistern wurden jetzt ein paar kleinere unbekanntere Handelsdampfer herausgesucht und Jeans Seefahrtszeit rekonstruiert. Das war gar nicht so einfach, denn vom Jahr 1906-1912 mußte der Verbleib meines Jean lückenlos nachgewiesen werden. Die Namen der verschiedenen Schiffe, auf denen ich Dienst haben wollte, die Reiserouten, Kapitäne, Größe und Aussehen der Dampfer, womöglich Ladung, die wir an Bord hatten, Hafenplätze, wo wir anlegten, alles mußte den Tatsachen entsprechen….“. 120)

Abends läßt er sich von Freunden ins Kreuzverhör nehmen, bis er alle Angaben widerspruchsfrei beherrscht. Auch sein Äußeres trimmt er auf Matrose: „… ich brachte mir an mehreren Stellen der Finger kleine Verletzungen bei und hielt dann die Hände in Petroleum, in dem vorher rostige Eisenstücke gelegen hatten. Die Finger schwollen natürlich sofort an, und der Rost setzte sich in den Ritzen der Haut fest. Dies Verfahren wirkte vorzüglich. Nach wenigen Tagen schon hatte ich eine richtige Seemannsfaust. … Auch mein Gebiß paßte schlecht zu einem Matrosen. Früher hatte ich einmal durch einen Sturz mit meinem Flugzeug einen Vorderzahn eingebüßt, der mir durch einen goldgefaßten Stiftzahn ersetzt worden war. Der mußte natürlich entfernt werden. Kurzerhand schlug ich ihn mir aus. Die Zahnlücke machte sich recht gut … Verschiedene Backenzähne waren mit Goldkronen überkapselt, die mehr nach vorn gelegenen konnte man beim Sprechen leicht sehen; ich riß die goldenen Kronen ab. Die weiter rückwärts liegenden schmierte ich mit Teer ein. … Haare und Augenbrauen wurden tüchtig mit Fett eingerieben, das zuvor mit Kohlenstaub gemischt war.“[95] Killinger trug nur amerikanische Kleidungsstücke. Das Foto einer älteren Frau wurde sachgemäß zerknittert und beschmutzt und stellte seine Mutter dar.

Auf dem norwegischen Dampfer Storfjeld heuerte er an, indem er abends zuvor einen Matrosen so vollaufen ließ, daß der am nächsten Morgen nicht erwachte, während Killinger „zufällig“ zur Stelle war und sich vom Kapitän nach langem Feilschen überreden ließ, mitzufahren. Es folgten vier Wochen harte Arbeit, schwerer Seegang und eine mehr als schmutzige Umgebung. Vor Erreichen der englischen Küste wurden sie von englischen Schiffen in den Hafen von Kirkwall begleitet. Dort begann die Untersuchung, vor der er sich bereits die ganze Zeit fürchtete: Die Koje wird genau untersucht und alles, was sich darin befindet; die Papiere wurden mit der Lupe studiert; im Kreuzverhör wurde der Lebenslauf überprüft. Als er das Verhör hinter sich hatte und gerade den Raum verließ, rief ihm jemand - auf Deutsch - hinterher: „Halt, Sie haben etwas vergessen.“ Ein beliebter Trick, auf den er aber nicht hereinfiel. In der nächsten Nacht wird er unsanft geweckt, doch Killinger reagierte nur mit den Worten „Damned! Stop it!“ Viele verfallen aufwachend in ihre Muttersprache.
Fast ein Jahr nach seiner Gefangennahme betrat er norwegischen Boden, fühlte sich in Sicherheit. Auf der deutschen Botschaft glaubte man ihm seine Geschichte nicht, gab ihm jedoch Geld für eine Fahrkarte nach Warnemünde. Dort angekommen, wurde er gleich verhaftet, man hielt ihn für einen russischen Spion, bis ihn ein Kamerad aus der Fliegerstaffel identifiziert. Am 6. März 1916, elf Monate nach seiner Gefangennahme, vier Monate nach seiner Flucht aus Sibirien ist er wieder zu Hause.

5 Bedingungen und Verhalten in Zwangssituationen

Selbstbestimmung und Objekt

Zweimal im 20. Jahrhundert unterbrachen Kriege weltweit die Kontinuität des Gewohnten, einmal vier, dann noch einmal sechs Jahre lang, gefolgt von Jahren nur langsamer Normalisierung im Schatten der Kriege. Reisende bewegen sich immer außerhalb der Normalität und des Alltags, doch in den Zeiten der Not und des Krieges, finden sie sich in außergewöhnlichem Maße staatlichen Zwängen und menschlicher Willkür ausgesetzt. Extremsituationen werden zur alltäglichen Routine, zum permanenten Existenzkampf.

„Join the army, see the world, meet another people and kill them“ - dieser satirisch verfremdete Werbespruch für die US-Army aus der Zeit des Vietnamkrieges deutet Ähnlichkeiten zwischen Soldaten und Reisenden an. Beide sind unterwegs in der Welt, treffen Menschen und sehen die Welt. Survivaltechniken und Ausrüstung entstammen oft militärischer Forschung und Entwicklung. Auch Rudyard Kipling sieht solche Ähnlichkeiten (siehe oben).

Wichtiger als die unterschiedlichen Ziele ist das Maß der Selbstbestimmtheit, das Soldaten und Reisende unterscheidet. Der wirklich Reisende „kämpft“ zwar mit äußeren Zwängen - er sucht sie jedoch durch Form und Stil seiner Reise selber aus und bestimmt so den Rahmen der Unwägbarkeiten und den Grad des Risikos. Seine Handlungen sind ausschließlich dem eigenen Willen und Wollen unterworfen; ob er damit sein Ziel erreicht, ist eine sekundäre Frage. Dagegen ist der Soldat nahezu ausschließlich befehlsgeleitet, ein eigener Wille unerwünscht. Und während der Reisende seine Reise jederzeit abbrechen kann, wird Desertion beim Soldaten mit dem Tode bestraft.

Reisende werden in Kriegszeiten wie Soldaten, Gefangene, Spione behandelt (Aram, Harrer, Sattler). Reisende sind in Kriegszeiten nun einmal häufig nicht mehr selbstbestimmt, Zwänge bestimmen ihr Dasein, Unterordnung ihr Verhalten. Sie sind Befehlen unterworfen, ihre Handlungsfreiheit ist marginalisiert, die Reise nicht mehr abbrechbar, wenngleich meist beendet.

Ein Flüchtiger wandelt auf der Grenze zwischen beiden Extremen. Have bemerkt das bereits auf der Flucht: „Erst jahrelang als Gefangener reines Objekt, das alles mit sich geschehen läßt, dann plötzlich, das Geschick an sich reißend, selbstbestimmter, eigenmächtiger Akteur! Aber welch labiles Gleichgewicht zwischen eigenem Handeln und den sich darbietenden, entgegenkommenden Situationen!“ 121)

Andererseits wurden hin und wieder aus Soldaten Reisende, die auf sich allein gestellt eigene Entscheidungen treffen mußten. Gunther Plüschow und Erich Killinger sind nach ihrer Flucht fast ein Jahr unterwegs, Werner-Otto von Hentig reist freiwillig in geheimer Mission. Dabei kann der Eindruck des Reisens so stark sein, daß aus zwangsweise Reisenden später freiwillig Reisende wurden: Plüschow nahm seinen Abschied und war bis 1931 immer wieder auf langen Reisen, ebenso Colin Ross, der im Ersten Weltkrieg als Kriegsberichterstatter tätig war.

Bei Kriegsausbruch in Feindesland

Anzeichen für einen bevorstehenden Krieg gab es 1914 und 1939, doch wurden sie von vielen Menschen ignoriert, aus Leichtsinn, Dummheit, Realitätsverlust oder Naivität. Ihr Alltag verlief weitgehend normal, das Säbelrasseln der Diplomaten berührte anscheinend ihr Leben nicht. Sowohl die Kriegserklärung an Rußland 1914 als auch der Einmarsch in Polen 1939 erfolgten für den überwiegenden Teil der Bevölkerung überraschend, ebenso die darauffolgende Eskalation. 122) Wer sich dann auf Reisen im „falschen“ Land befand, war plötzlich ein Feind. Kurt Aram wird verhaftet von Soldaten, mit denen er am am Abend vorher zusammen gegessen und getrunken hatte. Heinrich Harrer wird geholt, während er mit englischen Offizieren in Kalkutta gemütlich zusammensitzt und Tee trinkt. Hans Kopp trifft es auf einer irakischen Baustelle, Heins von Have während seiner Tätigkeit als Kaufmann in Batavia, Kolbe bei einer Bergtour.

Wer sich derart unvermittelt in Feindesland wiederfand konnte mit etwas Glück, Papieren, Geld und schneller Entschlußkraft noch in neutrale Länder ausreisen. Walter-Eberhard Freiherr von Medem hat soviel Glück, als er kurz vor der Kriegserklärung Englands noch an Bord eines deutschen Dampfers kommt. John Hagenbeck empört sich über seine Ausweisung aus Ceylon, wo er schon viele Jahre lebte, doch die zurückgebliebenen Deutschen wurden entgegen aller Zusagen interniert. Nur selten gelang es Reisenden, im jeweiligen Aufenthaltsland zu bleiben und normal zu leben: Hans Helfritz war zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in Südamerika, blieb dort zwanzig Jahre und nahm die chilenische Staatsangehörigkeit an. Solches gelang am ehesten in südamerikanischen Ländern.

Wer es nicht schaffte, sich rechtzeitig abzusetzen, dem drohte neben dem Unwillen der Bevölkerung Hausarrest, die Internierung in Gefängnis, Zuchthaus oder Konzentrationslager. Concentration camps gab es bei den Engländern bereits im Ersten Weltkrieg - allerdings waren diese nicht mit den Konzentrationslagern der Deutschen im Zweiten Weltkrieg zu vergleichen. Auch die Vichy-Regierung im besetzten Frankreich richtete Konzentrationslager ein: „In diesen Lagern … werden gespeist, gekleidet und zu nützlicher Arbeit angehalten alle jene unerwünschten und nicht anpassungsfähigen Elemente, die sich anders nicht weiterhelfen könnten: alle jene, die sonst in die Fremdenlegion eingetreten wären, Landstreicher und Heruntergekommene, die sich verelendet in den Städten herumtrieben, potentielle Verbrecher und unerwünschte Ausländer.“ 123) 124)

Die Lagersysteme glichen sich überall auf der Welt und machten den Internierten das Leben mal mehr, mal weniger schwer. Zunächst einmal waren es tatsächlich „Konzentrationslager“: Wer sich in den englischen Kolonialgebieten Afrikas oder Asiens befand, kam mit ziemlicher Sicherheit in eines der indischen Lager, nach Ahmednagar oder Dehra-Dun, lediglich in Ägypten scheint es zusätzliche Lager der Engländer gegeben zu haben. Die Russen brachten die Internierten hinter den Ural, also nach Sibirien, dort konnte man in einem der vielen Lager zwischen Omsk und Sachalin landen, die teils Arbeitslager waren, teils mußten sich die Internierten in normalen Dörfern einquartieren 125). Die Franzosen waren nach dem Waffenstillstand 1942 Erfüllungsgehilfen des deutschen NS-Regimes und besaßen Lager in Marokko und Westafrika. Erwähnt wird, daß auch die Holländer Internierungslager hatten: Max Dauthendey (*25.7.1867 in Würzburg), Weltreisender und berühmter Verfasser von Erzählungen und Romanen zu Anfang dieses Jahrhunderts, starb 1918, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs in niederländischer Internierung in Malang auf Java. Franzosen und Russen führten überwiegend Arbeitslager, die Engländer unterschieden zwischen gut geführten Lagern (z.B. Dehra-Dun), härteren und Straflagern (z.B. Deoli). Man konnte sich also durchaus verschlechtern oder verbessern. Franzosen und Engländer hatten auch Erholungslager (z.B. Ramandrugh) für solche Internierten, die schwer erkrankt waren.

„An sich ist ja eine Flucht nichts Unanständiges, nichts , das gegen die sittlichen Gebote der Menschheit verstößt, im Gegenteil, sie gilt als ehrenhaftes Unterfangen und wird selbst vom Völkerrecht gebilligt; aber die Tatsache, daß man von den Behörden verfolgt, als außerhalb des Gesetzes stehend und vogelfrei behandelt wird, verleiht der Flucht fälschlicherweise den Charakter einer Rechtsübertretung. Und weil man wie ein Krimineller gejagt wird, nimmt man unwillkürlich einige Züge und Gewohnheiten desselben an. Man hat das immerwährend schlechte Gewissen des Missetäters und seinen Blick; es zieht einen zu denselben Stätten, welche Verbrecher unmittelbar nach der Tat zu besuchen pflegen; man freut sich diebisch darüber, wenn man jemanden hereinlegt, und verfällt der Faszination des Unerlaubten.“ 126) Magener hat sicher recht und bringt die Situation auf den Punkt. Obwohl die Flucht völkerrechtlich erlaubt ist, ist der Internierte kaum in einer Situation, die es ihm erlaubt, sein Recht wahrzunehmen. Er muß fürchten von anderen Internierten verraten zu werden, weil diese eventuell unter Strafen zu leiden haben; der Zivilbevölkerung können Belohnungen für Ergreifung Flüchtiger gezahlt bzw. Sanktionen für die Unterstützung abgedroht werden. Wieder ergriffen, drohen dem Internierten zunächst vier Wochen Einzelhaft, bei Wiederholung eine Verlegung ins Straflager. Vor einer Ausübung des „Rechts auf Flucht“ kann nur gewarnt werden.

Bei Kriegsausbruch im neutralen Ausland

Weltweit besteht nach einer Mobilmachung für jeden Deutschen die Pflicht, sich bei der nächsten deutschen Behörde zu melden, bei Konsulaten oder Botschaften. Wer seinen Wohnsitz im neutralen oder befreundeten Ausland hatte, bekam dort seinen Gestellungsbefehl zugestellt. Arthur Heye befand sich allein im Grenzgebiet zwischen Kenia und Tanzania, Hauer ist im Gebiet um den Tanganjikasee unterwegs, dennoch erreichen sie Boten mit dem Befehl, sich sofort bei der nächsten deutschen Behörde zu melden. Gustav Fruhmann, einen Österreicher, erreichte der Einberufungsbefehl in Südafrika: „Als Österreicher, der im Auslande lebte, hatte ich mich nämlich bei meinem Konsulat zur ärztlichen Untersuchung für den Militärdienst zu stellen und, wenn ich tauglich befunden wurde, einzurücken.“ 127) Fruhmann war tauglich, gab im Februar 1899 seine Stelle auf, fuhr nach Kapstadt und schiffte sich nach Europa ein. Grundsätzlich galten für Deutsche im Ausland die gleichen Pflichten wie für die Deutschen im Heimatland. Zwischen allen Stühlen aber saß jemand wie Philip Rosenthal, der als Kind in den 30er Jahren mit seinen Eltern nach England emigriert war. Obwohl er immer noch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, kam eine Rückkehr jedoch keinesfalls in Frage.

Reisende befanden sich in einer der drei folgenden Situationen:

  1. Sofortige Heimreise bzw. vorher eine Kontaktaufnahme mit Konsulat oder Botschaft.
  2. Internierung in feindlichen Ländern mit der Möglichkeit, sich bestmöglich zu arrangieren oder die Flucht zu planen.
  3. Bitte um Asyl in einem neutralen Land mit dem Risiko der Ausweisung in das zuletzt bereiste Land oder das Heimatland.

Wer konnte reisen?

Bei der ersten und zweiten Situation war es mit der Freiheit des Reisens dann auf einige Zeit vorbei, in der dritten Situation war zumindest ein fremdes Land zum „Gefängnis“ geworden. Nur für wehruntaugliche Bürger (z.B. Kurt Faber) und Frauen der kriegführenden Nationen bestand zumindest theoretisch die Möglichkeit zu reisen, und dann nur in befreundeten Ländern. Selbst offiziell neutrale Länder waren häufig nicht wirklich souverän in ihrer Neutralität; so wurde Kopp von Nepal an die Engländer ausgeliefert. Im während des Ersten Weltkriegs neutralen Amerika war die öffentliche Stimmung sehr gegen die Deutschen eingestellt, so daß man dort als deutscher Reisender auch kein leichtes Leben hatte. Colin Ross, bekannter Reiseschriftsteller und Viel-Reisender, verstand sich so gut mit den Machthabern des Dritten Reiches, daß er 1944 durch die besetzten Gebiete in Marokko, Algerien und Tunesien reiste und den Krieg als Retter heruntergekommener Gebiete feierte 128) Auch dies dürfte nur ein Einzelfall gewesen sein.

Weitergehende Reisefreiheit hatten Bürger der neutralen Länder und so ist es kein Zufall, daß das einzige Beispiel eines freiwillig während des zweiten Weltkriegs Reisenden von einem Schweizer stammt (Hans von Meiss-Teuffen). Da aber auch diese Länder eine Armee unterhielten, mußte man schon wehruntauglich sein. Probleme der Grenzüberschreitung, der schnell wechselnden Machtverhältnisse, Willkür von Vollzugsbeamten, Devisenschwierigkeiten lassen sich am besten auf den Meeren „umschiffen“. Außerhalb der Dreimeilenzone befindet man sich in internationalen Gewässern, außerhalb aller Grenzen. Und in den Hafen einlaufend, gelten die Planken des Schiffes als exterritorialer Boden. Diese Vorteile nutzte Meiss-Teuffen ebenso wie die deutschen Schiffe, die sich zu Anfang des Krieges in holländische Häfen in Asien geflüchtet hatten.

Bei einigen der durch Krieg jahrelang von der Heimat ferngebliebenen Deutschen hatte die lange Abwesenheit den Effekt, daß sie sich nach der Heimkehr in Deutschland nicht mehr wohlfühlten: Pritzke ist nur kurz in Berlin und geht dann wieder nach Beirut, um sich dort niederzulassen; Kopp verläßt Deutschland nach knapp zwei Jahren wieder, arbeitet und wohnt im Ausland; Peter Aufschnaiter kehrt über Jahrzehnte hinweg nur zu kurzen Urlauben nach Österreich zurück. Harrer wohnt zwar in Österreich, ist aber jedes Jahr unterwegs, ähnlich halten es Ross und Plüschow.

Strategien der Flucht

Voraussetzung ist auf Seiten des Flüchtenden zunächst einmal der unbändige Wille zu fliehen verbunden mit dem Glauben an Erfolg. Nur die wenigsten Internierten haben diesen Impetus. Als von Dehra-Dun alle bisherigen Ausbrecher in ein Straflager verlegt werden, sind dies neunzehn Männer von knapp zweitausend Internierten! Die Mehrheit fand für sich andere Lösungen 129).
Rawitsch unterschiedet bei den Internierten verschiedene Typen: „Da waren zunächst die Organisationstalente, Männer, die automatisch unsere Lebensbedingungen so zu verbessern suchten, daß möglichst viele die ungewöhnlichen Strapazen überstanden. Dann gab es Kameraden - ich gehörte zu ihnen -, die dazu bestimmt schienen, nicht zu unterliegen. Und wieder andere, in denen der letzte Funke von Hoffnung fast erloschen war … Sie starben ohne einen Laut … Am meisten bewunderte ich die Spaßmacher. Wenn wir der Verzweiflung nahe waren, ermunterten sie uns wieder. … Nichts konnte diese Menschen erschüttern, nichts sie zum Schweigen bringen. Ich danke ihnen noch heute für das befreiende Lachen … das sie uns entlockten.“ 130)

Zweite Voraussetzung ist eine sehr gute körperliche und seelische Konstitution mit Reserven für lange Strapazen. Wichtig ist es, ein Ziel zu haben, das motiviert und Sicherheit bietet, das es zu erreichen lohnt. Unabdingbar sind fast immer ausreichende Geldmittel, notfalls Tauschobjekte, ausreichende Papiere, notfalls gefälscht oder gestohlen sowie die möglichst perfekte Beherrschung mindestens einer fremden Sprache, sei es die des Gegners oder die des Ziellandes. Mögliche Krisensituationen müssen vorher oft durchgespielt werden, Verhaltensalternativen bereitstehen, so daß schnell reagiert werden kann. Glaubwürdige Legenden, Geschichten über Woher und Wohin, Begründungen für Geldmangel, Sprachschwierigkeiten oder schlechte Kleidung müssen fertig bereitliegen. Zweifel darf beim Gegenüber gar nicht erst aufkommen.

Der Fluchtweg richtet sich nach den Gegebenheiten der Umgebung und den eigenen Möglichkeiten unter Berücksichtigung der Erfahrungen vorheriger Ausbrecher. Hier ist der Phantasie keine Grenze gesetzt. In der ersten Fluchtphase, bevor die Kontrollen greifen, legten die Flüchtenden eine so große Strecke wie möglich zurück oder tauchten so lange unter, bis sich die Kontrollen wieder nachließen.

Schlußendlich geht es um eine passende Ausrüstung, die einerseits die Grundbedürfnisse (Essen, Trinken, Schlafen, Wärme) befriedigt und andererseits dem Stil des Ausbruchs angepaßt ist. Plüschow hat sich für London zwei Verkleidungen ermöglicht: zuerst als gut gekleideter Gentleman, dann als heruntergekommener Dockarbeiter; Magener und von Have reisten offen in halbmilitärischer Kleidung nach Burma, Kopp und Krämer gingen als Missionare durch Indien. Alles ist möglich: nicht die Wahl der Rolle ist entscheidend, sondern die Glaubwürdigkeit, mit der sie eingenommen wird.
In jedem Fall müssen Ausstattung, Verhalten und die Erwartungen der Umwelt fein aufeinander abgestimmt sein. Ob man sich für ein unauffälliges Mimikry, wie Magener und von Have, oder für die Ablenkung durch Auffallen, wie Kopp und Krämer, entscheidet, hängt sicher von der Persönlichkeit des Einzelnen ab. Blum soll dadurch aufgefallen sein, daß er für einen weißen Reisenden zu wenig Gepäck hatte und ohne Diener reiste. Wer nicht völlig autark ist, tut gut daran, seine Fähigkeiten zu verkaufen, um sich unterwegs die Sympathie der Bevölkerung, Lebensmittel oder Unterkunft zu erwerben. Bei den meisten Fluchten bewährte sich besonders der Beruf des Arztes, der mehr oder weniger erfolgreich auch mit geringen oder improvisierten Mitteln praktiziert werden kann. Unterkunft und Papiere sind nahezu untrennbar miteinander verbunden; wer ohne Papiere untertauchen will, kann das nur in der freien Natur oder in Bordellen oder im Untergrund.

Selbst wenn die Flucht gelingt, befindet man sich meist noch nicht in Sicherheit: Magener und von Have benötigen einen Monat für ihre Flucht durch Indien, verbringen danach aber drei Monate in japanischen Gefängnissen, bevor sie die Japaner davon überzeugen können, daß sie tatsächlich Flüchtlinge und keine Spione sind. Killinger muß beim deutschen Konsul in Tientsin ein Verhör über sich ergehen lassen, bevor man ihm glaubt. Wille und Phantasie, Geld und Papiere heißt die Zauberformel. Wem es an dem einen mangelt, muß dies mit den anderen drei kompensieren.

6 Biographien

Biographische Angaben sind überwiegend den Reiseberichten entnommen. Diese herauszufinden bzw. abzuleiten bedurfte detektivischer Kleinarbeit. Einige Male lieferte das „Deutsche Biographische Archiv (Neue Folge)“ wertvolle Hinweise. Literaturangaben entstammen dem Gesamtverzeichnis deutschsprachiger Bücher (GV).

Kurt Aram

(Pseudonym für Hans Fischer) * 28.1.1869 in Lennep, + 10.7.1934. Autor weniger Reisebücher sowie geistreicher und fesselnd geschriebener Unterhaltungsliteratur, etwas romantisierend und teils mit sensationellem Aufputz. Seine Romane stellen oft Episoden aus dem eigenen Leben dar. Redakteur, Schriftsteller und Journalist beim „Berliner Tageblatt“.

  • (1.) Oh Ali! Roman. Th. Knaur Nachf., Berlin. 1927, 320 S., 8°
  • (2.) Bolschewiki. Ein Schauspiel aus Rußland in 3 Akten und 6 Aufzügen. °, W. Borngräber, Berlin (1919), 171 S., 8
  • (3.) Der Goten Glück und Ende. 3 Bücher der Einkehr und Erhebung, den Quellen nacherzählt. Volksverband d. Bücherfreunde, Wegweiser. 1925, 456 S., 8°,
  • (4.) Baronin Horn. Roman. G. Müller, München. 1912, 320 S.
  • (5.) Jugendsünden. W. Vorngräber. Leipzig. 1918, 296 S., 8°
  • (6.) Leda. Roman aus dem Nahen Osten. Dt. Buch-Gemeinschaft. Berlin. 1926, 318 S., 8°.
  • (7.) Magie und Mystik in Vergangenheit und Gegenwart. Albertus. Augsburg. 1929, 626 S., 8°.
  • (8.) Magie und Zauber in der alten Welt. Deutsche Buch-Gemeinschaft. Berlin. 1928, 380 S., 8°.
  • (9.) Mit 100 Mark nach Amerika. Erlebnisse. F. Fontane. Berlin. 1912, 189 S.
  • (10.) Die Ölmühle. Kürschners Bücherschatz Nr. 907.
  • (11.) Der Schatten. Engelberts allgemeine Roman-Bibliothek. 31. Jg. Bd. 13/14.
  • (12.) Nach Sibirien mit 100.000 Deutschen. Vier Monate russische Kriegsgefangenschaft. Berlin: Ullstein 1915. OBrosch, 247p, kl. 8°
  • (13.) Die vornehme Tochter. W. Vorngräber. Leipzig. 1902.
  • (14.) Der elfenbeinerne Turm. Roman. Schles. Vlgs.-anst. Berlin. (1915), 278 S., 8°
  • (15.) An den Ufern des Araxes. Ein deutscher Roman aus Persien. Vita. Charlottenburg. 1911, 403 S.
  • (16.) Welko, der Balkankadett. Eine Erzählung aus dem Balkankriege 1912/13. Ullstein. Berlin. 1914, 228 S.
  • (17.) Unter Wolken. W. Vorngräber. Leipzig. 1900
  • (18.) Der Zar u. seine Juden. K. Curtius. Berlin. 1914, 192 S.
  • (19.) Der Zylinder des Straßenfegers und andere Erzählungen. Kürschners Bücherschatz Nr. 888

Peter Aufschnaiter

*2.11.1899 in Kitzbühel, + 12.10.1973 in Innsbruck. Sein Vater war der Tischlermeister Peter, seine Mutter die Katharina Seiwald. Mit 12 Jahren begann er das Skilaufen und lernte unter anderem bei dem Skipionier Franz Reisch. Er besuchte die Volksschule, dann das Realgymnasium (ab 1911). 1917 mußte er seinen Militärdienst bei den Tiroler Kaiserjägern leisten und kam an die Dolomitenfront. Von November 1918 bis August 1919 war er in Riva am Gardasee interniert. Er studierte landwirtschaftliche Chemie und Agrarwissenschaft in Innsbruck und München und schloß als Diplom-Ingenieur ab. Das Klettern lernte er im Wilden Kaiser. Ab 1921 war er im Akademischen Alpenverein München und unternahm viele Erst- und Zweitbegehungen. Er war ein Sprachgenie und lernte bereits in seiner Schulzeit Englisch, Italienisch und Hindi. Wegen seiner Sprachkenntnisse konnte er an Paul Bauers berühmten Expeditionen zum Kangchendzönga (1929, 1931) teilnehmen. Der Himalaja und besonders Tibet hatten es ihm angetan und er sollte nie mehr ganz von ihnen wegkommen. Die 5. Nanga-Parbat-Expedition 1939 leitete er selbst. Es gab fünf Nanga-Parbat-Expeditionen von 1932 bis 1938, und alle folgten der gleichen Route. Im Frühjahr 1939 zog eine kleine Expedition im Auftrag der Deutschen Himalajastiftung aus, um eine neue Route durch die Diamirflanke zu erschließen. Geleitet wurde sie von Peter Aufschnaiter aus Kitzbühel, die drei weiteren Teilnehmer waren Heinrich Harrer aus Graz, Hans Lobenhoffer aus Bamberg und Lutz Chicken aus Bozen. Sie fanden einen möglichen, wenngleich schwierigen und gefährlichen Weg. Während die Gruppe im August 1939 nach Karachi reiste und von dort die Heimreise antreten wollte, brach der Krieg aus. Am 3. September wurde Aufschnaiter von sechs Polizisten und einem ihm bekannten Polizeioffizier in seinem Hotelzimmer verhaftet. Über das Lager Ahmednagar wurden sie in das Lager Dehra-Dun bei Mussorie in Nordindien gebracht. Am 29.4.1944 brachen Aufschnaiter und sechs andere aus dem Internierungslager Dehra-Dun aus. Harrer und Aufschnaiter erreichten Lhasa erst zwei Jahre später, am 15.1.1946. Fast sieben Jahre lang arbeitete Aufschnaiter dann für die tibetische Regierung, vor allem in der Landwirtschaft, vergrößerte aber auch das Kraftwerk und erstellte einen Stadtplan von Lhasa. Mit diesen Tätigkeiten wurde Aufschnaiter tibetischer Staatsbeamter und verlor die österreichische Staatsbürgerschaft. Diese erhielt er erst im Juli 1972 wieder zugesprochen. Am 20.12.1950 verließ er Lhasa, da die Chinesen mit der Besetzung Tibets begonnen hatten, überschritt aber erst im Januar 1952 die Grenze nach Nepal. Vom 19. März bis 23. September arbeitete er kartographisch für die nepalische Regierung, wurde dann aber auf Betreiben der Armee ausgewiesen. Im Januar 1953 begann er in New Delhi mit karthographischen Arbeiten für die indische Armee, die er fast vier Jahre lang durchführte. Zwischendurch war er immer wieder im Himalaja unterwegs, bestieg Berge oder führte ausgedehnte Korrespondenzen, unter anderem mit Sven Hedin. Während seiner Zeit in New Delhi traf er auch Hans Kopp wieder (s. Kopp). 1956 trat Aufschnaiter eine Stelle bei der F.A.O. (Food and Agrar Culture Organization) in Nepal an und erhielt einen nepalischen Paß. Bis zuletzt übernahm er Arbeiten für die nepalische Regierung, doch erforderten zunehmend Schwierigkeiten mit seiner Gesundheit immer häufigere Aufenthalte in Europa und Behandlungen in Sanatorien. 1973 starb er und ist in seiner Heimatstadt Kitzbühel begraben. Peter Aufschnaiter hatte Skrupel, sich zu verkaufen, blieb lieber bescheiden im Hintergrund: „Nicht scheinen, sondern sein“ war sein Wahlspruch. Seine Tugenden waren Bescheidenheit, die Fähigkeit, Enttäuschungen durch innere Stärke zu überwinden und das ständige Bemühen, seine Kenntnisse anderen Menschen durch praktische Arbeit dienstbar zu machen. Er liebte die Natur und die Einsamkeit. Seine Habseligkeiten hatte er in den besten Zeiten in 17 Koffern untergebracht und immer lebte er unter einfachsten Bedingungen.

  • (1.) Escape to Lhasa. In: The Himalaya Journal. Clarendon. Oxford. Vol. XIV (1947), S.116-120
  • (2.) Diamir Side of Nanga Parbat, Reconnaissance 1939. In: The Himalaya Journal. Clarendon. Oxford. Vol. XIV (1947), S.110-115
  • (3.) Himalaja im Karakorum. In: Der Kampf um die Weltberge. T. Herzog (Hrsg.) München 1955.
  • (4.) Once More: The Yeti. In: East and West. G. Tucci (Hrsg.) IsMeo. Rom. Vol. 22, No. 1-2, S. 115-117, 1972
  • (5.) Prehistoric sites discovered in inhabited regions of Tibet. In: East and West. G. Tucci (Hrsg.) IsMeo. Rom. Vol. 7, No. 1, S. 74-88, 1956
  • (6.) Peter Aufschnaiter. Sein Leben in Tibet. Martin Brauen (Hrsg.) Steiger. Innsbruck. 1983. 17x25cm, OBrosch, 207p, zahlr. Abb. i. Text u. a. Tfll.

Ludwig „Lutz“ Chicken

Im Frühjahr 1939 zog eine kleine Expedition im Auftrag der Deutschen Himalajastiftung aus, um eine neue Route zur Besteigung des Nanga Parbat durch die Diamirflanke zu erschließen. Geleitet wurde sie von Peter Aufschnaiter aus Kitzbühel, die drei weiteren Teilnehmer waren Heinrich Harrer aus Graz, Hans Lobenhoffer aus Bamberg und Lutz Chicken aus Bozen. Sie fanden einen möglichen, wenngleich schwierigen und gefährlichen Weg. Während die Gruppe im August 1939 nach Karachi reiste und von dort die Heimreise antreten wollte, brach der Krieg aus. Am 3. September wurden sie verhaftet und über das Lager Ahmednagar sie in das Lager Dehra-Dun bei Mussorie in Nordindien gebracht. Promovierte 1947 an der medizinischen Fakultät München zum Thema „Die Krankheitsindizien im Internierungslager Premnagar“ und hat dabei wohl seine Erfahrungen als Internierter verarbeitet.

  1. Die Krankheitsindizien im Internierungslager Premnagar/Britisch-Indien
    (Beobachtungen über die im Internierungslager Premnagar, Britisch-Indien, vorkommenden Krankheiten mit Berücksichtigung des Alters, der Landart und des Klimas.) Dissertation. München 4.12.1947
  2. Durchs Jahrhundert. Mein Leben als Arzt und Bergsteiger
    Autobiographie Red. Hans Heiss
    Edition Raetia, Bozen 2003, 135 S.

Gustav Fruhmann

Am 24.10.1896 hatte Fruhmann seine Kellnerausbildung abgeschlossen und verläßt Wien achtzehnjährig. Er will die Welt sehen, die angebotene Stelle bei Sacher sagt er ab. Mit einem Billett dritter Klasse und 120 Gulden fährt er nach London. Der Stelle in London folgt eine auf einem Dampfer nach Südafrika und er macht die Reise zweimal, geht heimlich von Bord und bleibt in Südafrika, bis er 1899 den Einberufungsbefehl bekommt. Zurück in Wien sagt man ihm, man hätte dieses Jahr schon genügend Rekruten, er könne wieder gehen. Einem Engagement auf einem Dampfer im Mittelmeer entflieht er in Istanbul. „Ich bin schon ein unruhiges Blut, das nicht lange an einem Ort bleiben kann, ich bin das, was man auf wienerisch einen 'Strabanzer' nennt, eigentlich schon ein Weltstrabanzer.“ [102] 1900 geht er zur Weltausstellung nach Paris, überwintert dann in Ägypten und findet sich im Sommer wieder in Ostende. Es folgt der Sprung über den Ozean und Arbeitsstellen in den USA und Kanada. Dann ist er wieder in Ägypten, diesmal als Speisewagenkellner, und Manager auf dem Dampfer von Khartum nach Juba im Sudan. Einige Monate verbringt er auf Urlaub in Wien, „aber gegen Amerika und Ägypten kam mir hier alles klein und eng vor.“ [103] Dann geht es wieder hin und her: Ägypten, Österreich, erneut Ägypten und wieder Österreich. Er heiratet und geht mit seiner Frau nach Ägypten, um dort eine Existenz zu gründen. Ein Jahr halten sie es aus, dann folgt eine Stelle in Triest, und bald darauf gehen sie nach Amerika. Während des Ersten Weltkriegs sind sie wieder in Österreich.

  1. Im Frack um die Welt. Erlebnisse eines Oberkellners in 4 Erdteilen. Velhagen & Klasing, Bielefeld, 1937. 13x 20 cm, OLn, 184p, Frontispiz (30.000 Ex. bis 1944)

Heinrich Harrer

*6.7.1912 Hüttenberg in Kärnten, Sohn eines Postbeamten, evangelisch, studierte in Graz Geographie und Leibesübungen. Er begann mit etwa 17 Jahren Ski zu fahren und Berge zu erklettern. 1936 nahm er als Mitglied der österreichischen Ski-Mannschaft an den Olympischen Winterspielen teil; 1937 wurde er Weltmeister im Abfahrtslauf bei den akademischen Meisterschaften. Von Sven Hedin erbat er sich das einzige Autogramm seines Lebens, als dieser in Graz einen Vortrag hielt. Gemeinsam mit Andreas Heckmair, Ludwig Vörg und Fritz Kasparek bezwang er am 24.7.1938 als erster die Eiger-Nordwand, zwei Wochen nach seiner Abschlußprüfung an der Universität. Im Dezember 1938 heiratete er Lotte Wegener, die jüngste Tochter des Forschers und Grönlandreisenden Alfred Wegener. Mit ihr hat er einen Sohn, Peter. Die Ersteigung der Eiger-Nordwand bringt ihm die Möglichkeit zur Teilnahme an der Nanga-Parbat-Expedition der Deutschen Himalaja-Stiftung 1939, zusammen mit Aufschnaiter, Lobenhoffer und Chicken. Am 1.9.1939 waren deutsche Truppen in Polen einmarschiert, am 3.9. hatte England den Deutschen den Krieg erklärt. Zurück vom Gipfel saß Harrer gerade mit englischen Offizieren in einem Garten in Karachi und trank Tee, als 20 Inder auftauchten, ihn verhafteten und ins Internierungslager Ahmednagar brachten. Ein erster Fluchtversuch von Harrer und Lobenhoffer scheitert schon nach wenigen Minuten. In Dehra Dun angekommen, lernte Harrer Tibetisch, Hindi und Japanisch und bereitete seine Flucht vor. Am 29.4.1944 brachen Harrer und sechs andere aus dem Internierungslager Dehra-Dun aus. Harrer und Aufschnaiter erreichten Lhasa erst zwei Jahre später, am 15.1.1946, in den nächsten Jahren arbeitet er für die tibetische Regierung. Im Sommer 1952 ist Harrer wieder in Österreich. Nach seiner Rückkehr aus Tibet 1951 unternahm er Vortragsreisen in Europa und Amerika, dann eine Expedition ins Amazonasgebiet, kletterte 1954 in Alaska, bestieg 1957 den Ruwenzori in Ostafrika. 1958 wurde er österreichischer Golfmeister. Später war er über ein Jahrzehnt Präsident des österreichischen Golfverbandes und blieb danach dessen Ehrenpräsident. Er wohnte 1955 in Kitzbühel (Reichstraße 6). 1961/62 war er neun Monate in West-Neuguinea und kam mehrere Male nur knapp mit dem Leben davon: Für ein Interview unterbrach er seinen Flug - das Flugzeug zerschellte beim Weiterflug an einem Berg, nachdem er ausgestiegen war. Er stürzte einen Wasserfall von der Höhe eines sechsstöckigen Hauses herab und überlebte, zählte aber 32 kaputte Knochen. Ganz unabenteuerlich lernte er seine zweite Frau auf dem Golfplatz kennen und heiratete Carina von der Heydt am 10.8.1962 in Kitzbühel. 1966 reist Harrer in das Gebiet der Xingu-Indianer in Brasilien und noch im gleichen Jahr nach Surinam, diesmal zusammen mit dem belgischen König Leopold. In den nächsten Jahren folgten expeditionsartige Reisen, u.a. nach Französisch-Guayana (1969), Borneo, Sarawak, Andamanen, meist zusammen mit dem belgischen König. Immer wieder aber unternahm er „normale“ Reisen in die Länder des Himalaja, jährlich besuchte er den Dalai Lama. Einer seiner häufigsten Sätze ist: „Ganz sicher bin ich erst, wenn ich die Technik hinter mir gelassen habe und mich auf Expeditionen nur noch auf meine eigenen Kräfte verlassen kann.“ Mit 72 Jahren nahm er noch an allen großen Langläufen, wie dem Engadin-Marathon oder dem Lienzer Dolomitenlauf teil. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit produzierte er von 1963 bis 1984 41 Filme für das Fernsehen.

  • (1.) Sieben Jahre in Tibet. Mein Leben am Hofe des Dalai Lama. Ullstein. Wien. 1952. 266 S. (9 deutsche Ausgaben, weltweit 40 Auflagen, ca. 3,5 Millionen Exemplare)
  • (2.) Die weisse Spinne. Die Geschichte der Eiger-Nordwand. Ullstein. Wien. 1959. Ullstein. Wien. 1958. 228 S. (6 Ausg.)
  • (3.) Ich komme aus der Steinzeit. Ewiges Eis im Dschungel der Südsee. Ullstein. Berlin. 1963 251 S., 8° (5 dt. Ausg.)
  • (4.) Thubten Dschigme Norbu. Tibet, verlorene Heimat. Ullstein. Wien. 1960, 283 S. (2 dt. Ausg.)
  • (5.) Tibetausstellung. Sammlung Heinrich Harrer. Veranstaltung durch d. Österreich. Kulturvereinigung im Museum für Völkerkunde, Wien. Gistel. Wien. 54 S.
  • (6.) Meine Tibet-Bilder. Text von Heinz Woltereck. Heering. Seebruck/Chiemsee. 1953 (2 dt. Ausg.)
  • (7.) Huka, Huka. Bei den Xingu-Indianern in Südamerika. Ullstein. Berlin. 1968. 131p, 8°, 20 farb. Abb. a. Tfll.)
  • (8.) Geister und Dämonen. Magische Erlebnisse in fernen Ländern.
  • (9.) Die Götter sollen siegen. Wiedersehen mit Nepal.
  • (10.) Heinrich Harrers Impressionen aus Tibet. Sammlung Harrers im Völkerkundemuseum der Universität. 240 S.
  • (11.) Unter Papuas. Mensch und Kultur Neuguineas. Pinguin. Innsbruck. 1976. (3 Ausg.)
  • (12.) Die letzten Fünfhundert. Zwergvölker auf den Andamanen-Inseln.
  • (13.) Ladakh. Götter und Menschen hinterm Himalaja. 168 S.
  • (14.) Tips, Tabellen und Geschichten für die Jugend.
  • (15.) Die Lust am großen Abenteuer. Heinrich Harrer als Mensch und Forscher. 64 S.
  • (16.) Unterwegs - Handbuch für Reisende. Mitarb. v. A. Thorer u. K.R. Walddorf. Brockhaus. Wiesbaden. 1980. 166p, 8°
  • (17.) Geheimnis Afrika.
  • (18.) Der Himalaja blüht.
  • (19.) Ladakh.
  • (20.) Rinpotsche von Ladakh.
  • (21.) Wiedersehen mit Tibet.

Heins von Have

Etwa um 1910 geboren. Lebte bis zum Ausbruch des Krieges in Batavia und war dort als Kaufmann tätig, wurde von den Holländern interniert und vor der Landung der Japaner auf Java mit den anderen Deutschen aus Indonesien nach Britisch-Indien gebracht.. Er hatte schon bei seiner Ankunft in Dehra-Dun den Ruf eines tollkühnen Ausbrechers. Zusammen mit dem Hamburger Hans Peter Hülsen unternahm er einen ersten Fluchtversuch, indem sie aus einem fahrenden Zug sprangen. Zunächst erfolgreich, wurden sie dennoch bald gefaßt. Ein zweiter Fluchtversuch der beiden endete kurz vor dem Erreichen der burmesischen Grenze mit dem Tod des Hamburgers. Am 29.4.1944 brachen Have und sein Freund Magener sowie fünf andere aus dem Internierungslager Dehra-Dun aus. Nach 31 Tagen überschritten sie die Grenze nach Burma und verbrachten dann nochmals einige Monate in Haft, bis sie die Japaner davon überzeugt hatten, daß sie keine Spione waren. Keine Buchveröffentlichungen.

Werner-Otto von Hentig

* 22.5.1886 in Berlin. Sein Vater war Staatsminister, seine zweite Frau eine Luise von Mach, mit ihr hatte er vier Kinder. (Sein Sohn Hartmut von Hentig ist heute ein berühmter Erziehungswissenschaftler in Bielefeld.) Er besuchte das Gymnasium in Gotha und die Universitäten in Grenoble, Königsberg, Berlin und Bonn. 1909 promovierte er zum Dr. jur. et rer. pol. und trat in den diplomatischen Dienst ein, wurde Attaché in Peking, Konstantinopel und Teheran. 1915 bis 1917 war er in besonderer Mission nach Afghanistan unterwegs, danach Pressechef an der deutschen Botschaft in Konstantinopel. Er trat nach dem Umsturz aus dem Reichsdienst aus, engagierte sich bei der Rettung deutscher Kriegsgefangener aus Sibirien, wurde dann erneut Geschäftsträger des Reiches zunächst in Estland, dann auf dem Balkan und schließlich in Posen. In den zwanziger Jahren wurde er in der deutschen Jugendbewegung aktiv. 1937-1939 leitete er die Orientabteilung im Auswärtigen Amt in Berlin.

  • (1.) Heim durch Kurdistan. Ritt u. Reise von Persien zur Ostfront 1914. Voggenreiter. Potsdam. 1943. 124 S., 8° (2 Ausg.)
  • (2.) Ins verschlossene Land. Ein Kampf um Mensch und Meile. Voggenreiter. Potsdam. 1928. 192 S., 8° (7 dt. Auflg., Über 200. Tsd. Ex. i. d. 1. Aufl.)
  • (3.) Mein Leben, eine Dienstreise. Vandenhoek u. Ruprecht. Göttingen. 1962. 507 S., 8° (2 dt. Aufl.)
  • (4.) Der Nahe Osten rückt näher. List. 1940. 117 S., 8°

Arthur Heye

Artur Heye (*4.11.1885 in Leipzig) entstammt einer Arbeiterfamilie, besucht die Volksschule, dann ein halbes Jahr die Fortbildungsschule. Im Alter von vierzehn Jahren (1899) entflieht er seinem Stiefvater und ist zunächst ein halbes Jahr auf Wanderschaft, bevor er in Antwerpen auf der Dreimastbark Luise Henriette anheuert, die allerdings bereits am 25. April 1900 vor der westafrikanischen Küste sinkt. Nach seiner Rettung fährt er auf dem Vollschiff Black Swan um Kap Horn zu den Galapagos und ist Weihnachten 1901 wieder zurück in Antwerpen. Dann heuert er auf dem Dampfer Westfalen als Heizer an, schippert über Indien nach Südostasien und ist am 27. April 1901 in Genua. In Hartlepool mustert er ab und fährt auf dem Vollschiff Gwendolin im Juni/Juli nach Florida. Dort flüchtet er nach einer Auseinandersetzung mit dem Steuermann vom Schiff und ist als Junge zwei Monate auf einer Jacht in der Karibik unterwegs. An einer fiebrigen Krankheit sterben fünf der sieben Besatzungsmitglieder, Heye selbst überlebt, ist wochenlang erblindet und gewinnt auch später nur etwa ein Drittel der Sehkraft zurück. Als Kohlenzieher auf dem Dampfer Dolly Dane fährt er zurück nach Europa und ist Anfang 1902 in Hamburg. Nach einem kurzen Heimatbesuch wird er Heizer auf dem Dampfer Kaiser Wilhelm II., verschwindet aber am 16.10.1902 in Hoboken von Bord. Drei Jahre betätigt er sich in etwa zwanzig Berufen und zieht weitere zwei Jahre als Tramp durch die USA. Nach dem Tode seines Stiefvaters heuert er als Heizer auf dem Passagierdampfer Potsdam an und trifft nach 10 Jahren Abwesenheit wieder in Deutschland ein. Dort bietet sich ihm die Gelegenheit zu ersten Veröffentlichungen. Nach einigen Monaten treibt es ihn im Herbst 1909 wieder in die Welt; zu Fuß wandert er nach Italien und setzt auf der Baron Call nach Ägypten über. Dort verbringt er drei Jahre, während derer er im Winter in einem Sanatorium arbeitet und im Sommer bei den Beduinen lebt. 1912 folgt wieder ein kurzer Heimaturlaub, dann bricht er im Oktober erneut auf, wandert durch die Schweiz, über Mailand, Florenz, Rom, Neapel nach Palermo. Wird auf einer Jacht nach Barcelona mitgenommen, durchstreift Spanien über Madrid, Sevilla und Granada, setzt nach Marokko über, zieht mit einer Eselskarawane durch das Rif-Gebirge, Algerien und Tunesien und erreicht Ägypten. Von dort reist er über den Sudan nach Äthiopien, doch muß er die Reise verschiedener Unglücke wegen abbrechen. Über den Jemen und Somalia erreicht er 1913 Britisch-Ostafrika und betätigt sich dort als Tierphotograph. Einige Monate hält er sich in Uganda und dem östlichen Kongo auf. Im August 1914 erhält er seinen Gestellungsbefehl und ist drei Jahre Soldat und Unteroffizier während des 1. Weltkriegs in Ostafrika. Im Juni 1917 bringen ihn die Engländer als Kriegsgefangenen nach Indien, per Schiff von Daressalam aus. Bis 1920 lebt er im Gefangenenlager. Es folgt eine längere Zeit in der Heimat, die mit Schreiben und Vorträgen ausgefüllt ist. 1921 ist er in Italien, 1922/23 verbringt er sieben Monate in Ägypten, die Sommer 1923 und 1924 wieder schreibend in der Schweiz und Italien. 1925/26 ist er in Ostafrika und dreht einen Film, im März 1926 ist er wieder in Deutschland. Im Juli 1928 heiratet er. 1929/30 ist er mit seiner Frau in Brasilien unterwegs, leidet jedoch wie schon seit Jahren an einer chronischen Gallenerkrankung, zusätzlich an einem Magengeschwür. 1932-1933 lebt er in Alaska. Aus politischen Gründen verlegt er seinen Wohnsitz dann in die Schweiz, nach Ascona. Nach 1940 erscheinen die Bände der Wilden Lebensfahrt, von neueren Reisen berichtet nur der 1939 erschienene Band „Mit Trappern, Fischern, Goldsuchern in Alaska“. Falls danach weitere Reisen stattgefunden haben, so hat Heye nichts davon publiziert. In einem Band schreibt er jedoch, daß er bei der Niederschrift bereits 16 Jahre mit seiner Frau Ruth verheiratet ist. Das muß also 1944 sein, nur etwa drei Jahre vor seinem Tod. Er stirbt am 1.11.1947 in Ascona in der Schweiz.[104]

  • (1.) Vitani. Kriegs- und Jagderlebnisse in Ostafrika 1914-1916. Leipzig, Grunow (DEA 1921) in 4 Auflagen bis 1931
  • (2.) Hatako. Das Leben eines Kannibalen. Berlin, Safari-Vlg. (DEA 1921) in zwei Auflagen und vier Ausgaben bis 1945
  • (3.) Wanderer ohne Ziel. Von abenteuerlichem Zwei- und Vierbein. Berlin, Safari-Vlg. (DEA 1922) in zwei Ausgaben
  • (4.) Unterwegs. Die Lebensfahrt eines romantischen Strolches. Berlin, Safari- Vlg. (DEA 1925), 30 Auflagen in 5 Ausgaben bis 1948, darunter auch „Wilde Lebensfahrt Bd. 13“
  • (5.) Allah hu akbar. Unterwegs im Morgenlande. Berlin, Safari Vlg. (DEA 1926) 5 Aufl. u. 3 Ausg.bis 1961
  • (6.) Meine Brüder. Bilderbuch einer langen Fahrt durch befremdliche Länder und Zeiten Berlin, Safari-Vlg., (DEA 1926), 2 Aufl. u. sechs Ausgaben bis 1951
  • (7.) Pech. Afrikanische Zufälle Berlin, Safari-Vlg. (DEA 1927) in zwei Auflagen
  • (8.) Brennende Wildnis. Bilderbuch e. langen Weges durch befremdliche Länder u. Zeiten. Berlin, Safari-Vlg. (DEA 1927)
  • (9.) Filmjagd auf Kolibris und Faultiere. Nach brasilianischen Tagebuchblättern eines Kurbelmannes. Berlin, Safari-Vlg. (DEA 1929) in 2 Ausgaben
  • (10.) Millionen am Amazonas. Ein Roman. Berlin, Safari-Vlg. (DEA 1930)
  • (11.) Tiere, wie ich sie sah. Aus Urwald und Steppe. Berlin, Safari Vlg. (DEA 1933)
  • (12.) Amazonasfahrt. Erlebnisse in Brasilien. Zürich, Büchergilde Gutenberg 1944 in 2 Ausg. bis 1950
  • (13.) Ein Leben unterwegs. Berlin, Safari-Vlg. (DEA 1948) in 2 Ausgaben bis 1950
  • (14.) In Freiheit dressiert. Zürich, Albert Müller, 160 S., Ln (=Wilde Lebensfahrt Bd. 1) zwei Aufl. u. zwei Ausg. bis 1961
  • (15.) Allahs Garten. Erlebnisse im Morgenland. Zürich, Albert Müller, 1961, 188 S., 2 Bl., Ln, (=Wilde Lebensfahrt Bd. 2)
  • (16.) Hinein nach Afrika. Zürich, 1940, 160 S., Ill., in zwei Auflagen (=Wilde Lebensfahrt Bd. 3)
  • (17.) Die Wildnis ruft. Zürich, Albert Müller, 1941, 164 S., Ln (=Wilde Lebensfahrt Bd. 4) in 2 Aufl. bis 1943
  • (18.) Steppe im Sturm. Zürich, 1942, 159 S., Ln. (=Wilde Lebensfahrt Bd. 5)
  • (19.) Ewige Wanderschaft. Zürich, Müller, 1942, 154 S., 3 Bl., Ln (=Wilde Lebensfahrt Bd. 6) in 2 Ausgaben
  • (20.) Im letzten Westen. Mit Trappern, Fischern, Goldsuchern in Alaska. Zürich, Müller, 32 Tfll., 304 S., Ln, 5 Aufl. bis 1953
  • (21.) Hatako-Mariani. Das Leben eines Kannibalen. Zürich, Müller, 1945, 192 S., Ln (=Wilde Lebensfahrt Bd. 11)
  • (22.) Unterwegs. Rüschlikon-Zürich, Müller, 170 S., Ln., (=Wilde Lebensfahrt Bd. 13)
  • (23.) Amazonasfahrt. Erlebnisse in Brasilien. Rüschlikon-Zürich, Müller, 1950, 302 S., Ln., (=Wilde Lebensfahrt Bd. 19)

Oskar und Anita Iden-Zeller

  • (1.) Im Fischerboot zum sibirischen Eismeer. Eine Fahrt mit jakutischen Fischern zum Lenadelta. (Auskopplung aus: Weg der Tränen.) Bilder v. Ernst Liebermann. Enßlin u. Laiblin. Reutlingen. 1932. 32 S., 8° (2 Aufl.)
  • (2.) Das Dorf Myßkowo. Novelle. Reclam. Lpz. 1929. 76 S.
  • (3.) Nomaden der Tundra. J. Beltz. Langenfeld. 1933. 38 S., kl. 8°. (3 Aufl.)
  • (4.) In Steppe und Urwald Ostsibiriens. J. Beltz. Langenfeld. 1933 kl. 8°. (2 Aufl.)
  • (5.) 12000 Kilometer durch Sibirien. Reclam. Lpz. (2 Ausg.)
  • (6.) Sibirische Skizzen. (Co-Autor: Egon Frh. von Kapherr). Diesterweg. Frankfurt/M. 1928. 32 S., 8°.
  • (7.) Der Weg der Tränen. 11 Jahre verschollen in Sibirien. 1926-1929. 512 S. Reclam. Leipzig. 8° (8 Aufl., 3 Ausg.)
  • (9.) Auf einsamen Wegen in Nordost-Sibirien. (Schaffsteins grüne Bändchen 39)

Erich Killinger

* 21.11.1893 in Schönau im badischen Wiesental. Sein Vater Emil war Geheimer Regierungsrat, seine Mutter hieß Elisabeth Helfrich. Er besuchte das humanistische Gymnasium, machte das Abitur am Kings College in London, studierte Jura und Nationalökonomie an den Universitäten in Heidelberg, Hamburg und Berlin. 1913 trat er in die kaiserliche Marine ein und war bis Frühjahr 1914 auf der SMS Vineta in Westindien und Südamerika unterwegs. Vom August 1914 bis März 1915 flog er Einsätze in der Ostsee, wurde dann abgeschosssen und geriet in russische Gefangenschaft. Es folgten Flucht und Heimkehr und von 1916 bis zum Kriegsende war er Marineflieger in Flandern. 1920-22 besuchte er Java und Sumatra, 1925 China und Japan. Er blieb ledig und wohnte 1928 in Heidelberg (Anlage 45).

  1. Flucht um die Erde. Abenteuer des Ostseefliegers im Weltkrieg. Berlin: Ullstein 1934. 12,5×19,5cm, OLn, 225p, ca. 20 Abb a. 16 Tfll, Abb. i. Text

Fritz Kolb

Dr. phil, Fachlehrer an Wiener Vorstadtschulen, ist während der Ferien als Bergführer tätig. Ab 1937 plant er mit seinem Kollegen Ludwig Krenek eine Himalayafahrt. Sie treiben vier Engländer auf, die es sich etwas kosten lassen, von den beiden geführt zu werden. Da aber alle recht wenig Geld haben, wird die Fahrt sehr spartanisch geplant: Zelt, drei Sherpas statt zwanzig, Schiffsanreise statt Flug usw. Kolb darf nur 150 französische Franken oder zehn Reichsmark ausführen - recht wenig für drei Monate! Im August 1939 reisten sie von Venedig ab und erreichten Mitte des Monats über Bombay, Amritsar, Kangra und, Kailang den Fuß des Mulkila (6517m). Nach dem Kriegsausbruch dauerte es bis Ende September, um aus den Bergen in die größeren Städte zurückzukommen. Dort wurden sie verhaftet und kamen über Lahore und Deloali nach Dehra Dun. 1944 konnten sie als Lehrer außerhalb des Lagers unterrichten und wurden deshalb entlassen. 1945 und 1946 machte Kolb von seinem jetzigen Wohnort Madura in Südindien weitere Reisen in den Himalaya, erst nach Garhwal, dann nach Padar. Eine Rückreise nach Europa mit dem Schiff war nicht möglich, da alle Schiffe für ein Jahr ausgebucht waren, denn auch die Engländer wollten nach Hause. Im Juli 1946 konnte er endlich seine Frau nach Indien holen, die er seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte.

  1. Third Choice - Adventures in the Padar Region. In: The Himalaya Journal. Clarendon. Oxford. Vol. XIV (1947)
  2. Einzelgänger im Himalaya. Bruckmann. München. 1957. OLn, 176p, 8°, 16 SW-Tfll., 3 Kt.

Hans „Hanne“ Kopp

Geboren vermutlich nach 1900 im Buschland Südwestafrikas, wo der Vater als Eisenbahningenieur der Otawi-Bahn tätig war. Kopp ist Abenteurer seit der Kindheit: „…. die kleine Schule des Städtchens Karibib, in die man mich später schickte, sagte mir wenig zu. Ich mied sie nach Möglichkeit, saß lieber in irgendeinem Versteck, um die Pfeifen und den Knaster der Einheimischen zu probieren, oder machte die Umgebung unsicher … Ja, einmal floh ich, nachdem ich eine durchaus gerechte Strafe empfangen hatte, und trieb mich mit den Ovambos drei Monate im afrikanischen Busch herum.“ [105] 1919 wird sein Vater ausgewiesen und die beiden ziehen nach Berlin, Mutter und Schwester waren bereits gestorben. Er läßt sich als Elektrotechniker ausbilden, doch es hält ihn nicht in Berlin: „Das Verlangen nach Weite und Ferne war nicht zu dämmen, und insgeheim reifte mehr und mehr der Plan, so bald als möglich ins Unbekannte aufzubrechen. Von meinem ersten selbstverdienten Geld kaufte ich mir ein Motorrad mit Seitenwagen, und an einem schönen Herbsttag ging es ohne Abschied fort, in den Süden, in die Welt … Eine Zeit vieljährigen Umherschweifens und beruflichen Abenteuers, die mich durch mancherlei europäische Länder führte und viel Interessantes kennen lehrte, nahm ihren Anfang.“ [106] Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges traf ihn fünfzig Kilometer von Bagdad entfernt, auf einem Bauplatz in der Wüste, und über die Stationen Basrah und Ahmednagar brachte man ihn ins Lager Dehra-Dur. „Sein wuchtiger Brustkasten hatte ihm den Spitznamen 'Geschwollener' oder auch 'Brust mit Beene' eingetragen, weil seine Beine für den mächtigen Oberkörper zu schwach waren. Er war wohlgelitten, denn wohin er kam, trieb er seinen Ulk und hob mit ausgelassenen Streichen die Stimmung. Man hatte immer den Eindruck, daß er nach einem sehr schweren Gegenstand suche, um dessen Transport zu übernehmen. … Angezogen war er auf Krawall. Mund und Herz saßen ihm auf dem rechten Fleck.“ [107] Seinen ersten Fluchtversuch unternimmt er zusammen mit dem Ringer Ede Krämer am 30.4.1943, versteckt in einer Fuhre Mist. Sie gelangen nach Tibet, doch schiebt man sie wieder ab. Zurück in Indien lassen sie sich in einem kleinen Dorf Missionarskutten schneidern, üben einen würdevollen Gang, rasieren sich eine Tonsur und gaben sich fortan als österreichische, aus Tibet kommende Mönche aus. So schafften sie es immerhin, unerkannt bis Delhi zu kommen. Daß sie dort festgenommen wurden, verdankten sie dem Verrat eines Bekannten aus alten Tagen, dem sie sich anvertrauten. Die zweite Flucht erfolgte am 23.4.1944 zusammen mit Friedel Sattler im Anschluß mit Heinrich Harrer, Peter Aufschnaiter, Rolf Magener, Heins von Have, Bruno Treipl. Kopp gelangt durch Tibet bis nach Nepal, wird aber von der nepalischen Regierung an die Engländer ausgeliefert und ist am 25.12.1944 wieder in Dehra-Dun. Im April wurden alle bisherigen neunzehn Ausreißer in das Lager Deoli, etwa neunzig Kilometer von Kotta entfernt, strafversetzt. Ende 1945 wird das Lager aufgelöst und im Januar 1946 ist Kopp in Berlin. „Erschütternd war dieses Wiedersehen mit der grauenvoll zerstörten Stadt, die Begegnung mit all den bleichen, abgehärmten Menschen und die Bekanntschaft mit der bitteren Not damals bei uns. Das Fernweh packte mich stärker noch als zuvor; ich setzte alle Mittel daran, wieder in die Welt hinauszugelangen.“ [108] Ab 1948 ist er bereits wieder in Indien, mit einem Einjahresvertrag und arbeitete dort als Angestellter beim größten Dammbauprojekt Indiens am Sutlej-Fluß. Dort blieb er wohl mehrere Jahre, denn zwischen 1953 und 1956 traf ihn Peter Aufschnaiter in New Delhi und 1954 zog Kopp nochmals die tibetische Höhenstraße entlang, diesmal im Frieden und ohne gehetzt zu werden. Dafür aber schon mit der Kamera, vielleicht angesichts seines Buches, das 1955 erschien. Um 1983 lebte Kopp in Kanada. [109]

  1. Sechsmal über den Himalaya. Fluchterlebnisse eines Deutschen in Indien und Tibet. Hermann Klein, Freiburg /Br., 1955. 13x21cm, OLn, 242p, 20 SW-Abb. a. 16 Tfll.

Edmund „Ede“ Krämer

Ein damals in Asien bekannter und erfolgreicher Ringkämpfer. Er liebte das Abenteuer und ging keiner Auseinandersetzung aus dem Weg, mischte bei allem mit, was nicht ganz legal war. Keine Buchveröffentlichungen

Hans Lobenhoffer

Im Frühjahr 1939 zog eine kleine Expedition im Auftrag der Deutschen Himalajastiftung aus, um eine neue Route zur Besteigung des Nanga Parbat durch die Diamirflanke zu erschließen. Geleitet wurde sie von Peter Aufschnaiter aus Kitzbühel, die drei weiteren Teilnehmer waren Heinrich Harrer aus Graz, Hans Lobenhoffer aus Bamberg und Lutz Chicken aus Bozen. Sie fanden einen möglichen, wenngleich schwierigen und gefährlichen Weg. Während die Gruppe im August 1939 nach Karachi reiste und von dort die Heimreise antreten wollte, brach der Krieg aus. Am 3. September wurden sie verhaftet und über das Lager Ahmednagar sie in das Lager Dehra-Dun bei Mussorie in Nordindien gebracht. Keine Buchveröffentlichungen.

Rolf Magener

1910 geboren in Odfessa, 2000 in heidelberg gestorben. Magener hatte ein College in England besucht, war für seine Firma, die IG Farbenfabriken, bei der er auch eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen hatte, viel in London, Indien und anderen Ländern Asiens unterwegs gewesen, und sprach perfekt Englisch. Er promovierte am 14.7.1937 an der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät in Frankfurt/Main in Betriebswirtschaft. Danach war er in Bombay tätig, bis er dort am 3. September 1939 verhaftet wurde und ins Lager Dehra Dun bei Mussorie in Nord-Indien kam. Er entkam zusammen mit von Have, Harrer, Aufschnaiter, Sattler und Kopp und schlug sich zusammen mit Have nach Burma durch, wo er sich in die Hände der Japaner begab. 31 Tage brauchten sie bis zur burmesischen Grenze, doch mehrere Monate waren nötig, um die Japaner zu überzeugen, daß sie keine Spione waren. 1947 war er wieder in Deutschland und arbeitete dort für die BASF.

  1. Die Chance war Null. Ullstein. Wien (2 Aufl., 17 Tsd., 1954 u. 4 weiteren Ausg. 1956 (Lizenzausg.), 1961 (Buchclubausg.), 1963 (Sonderausg.), 1976 (Taschenbuch)

Walter-Eberhard Freiherr von Medem

* 4.5.1887 in Liegnitz, gstorben 1945. Verheiratet mit Dorothee, Gräfin von Rothkirch und Trach, Vater einer Tochter (Mechthild, *1915) und eines Sohnes (Eberhard, *1913). Hauptmann, Redakteur bei der „Ostpreußischen Zeitung“, Chefredakteur der „Allensteiner Zeitung“, dann Chefredakteur des „Tag“ (Scherl Vlg., Berlin).

  • (1.) Blick in die weite Welt. Limpert. Berlin. 1940. 317 S., 8°. (2 Aufl.)
  • (2.) Kabinenjunge Werner Franz vom Luftschiff „Hindenburg“. Nach Erzählungen und Aufzeichnungen von Werner Franz. Schneider. Berlin. 1940. 111 S., 8°. (54. Tsd. Ex.)
  • (3.) Fliegende Front. Wehrmacht. Berlin. 1942. 118 S., gr. 8°.
  • (4.) Kampf gegen das System als Chronist 1926-1932. Schlieffen. Berlin. 1937. 331 S., gr. 8°
  • (5.) Seldte, Duesterberg. Kittler. Berlin. 1932. 112 S., 8°.
  • (6.) Stürmer von Riga. Geschichte eines Freikorps. Schneider. Leipzig. 1935. 96 S., 8°. (2 Aufl.)
  • (7.) Abenteuer in der Wüste. (Co-Autor von Max Kirsch)

Hans von Meiss-Teuffen

* 25.11.1911. Verbrachte seine Kindheit in der Schweiz und in Wien, Banklehre in Berlin (2 Jahre) und London. Ein Onkel war Bankdirektor, ein anderer Präsident einer Bank; beide boten ihm mehrfach Posten an, die er aber ablehnte zugunsten eines ungebundenen Lebens. Nach sechs Jahren Banklehre beginnt er seine Lehre als Vagabund im Sommer 1935. Sein erstes Schiff, die „Santa Barbara“, bringt ihn von Brindisi nach Griechenland, die Beteiligung an einem zweiten, der „Austria“, bis Beirut (September 1935), ein drittes, die „L'Enchanteresse“ vorerst bis in den Hafen von Haifa. Dort betritt er am 19.10.1935 illegal palästinensischen Boden. In Kiriat Chaim gibt er sich als Jude aus und verbringt dort arbeitend acht Monate, bevor er sich wieder auf den Weg macht, diesmal nach Port Sudan (1936). Die Überfahrt nach Indien erfolgt auf einer arabischen Dhau, von Bombay nach Madagaskar ist er wieder auf eigenem Schiff, der „Ibis“ unterwegs und versucht sich eine Zeitlang als Unternehmer im Perlentauchergeschäft auf den Seychellen (September 1936). Die Ibis sinkt im Hafen von Madagaskar und es folgen Zeiten in Rhodesien als Verwalter einer Gemüsefarm, (Dezember 1936-April 1937), Lastkraftwagenfahrer, (Mai), Aufseher auf einer Orangenfarm, Leiter eines Straßenbaus, (5 Monate bis Februar 1938), Sprengmeister in einer Kupfermine. (März 1938-Oktober 1938). Ab Juni 1938 führte er mit großem Erfolg ein selbsterbautes Hotel mitten im Busch, 130 Meilen von der nächsten Stadt und baut dieses Projekt bis August 1939 immer weiter aus. Wegen des Zweiten Weltkriegs fährt er im September 1939 in die Schweiz, meldet sich zum Militärdienst, wird jedoch bald dienstuntauglich geschrieben wegen seiner Malaria. Im Oktober 1941 sticht er wieder in See, mit der „Rütli 650“ aus dem spanischen Hafen Muros an der Atlantikküste. Lissabon, Tanger, Casablanca, Gran Canaria, Port Etienne, Dakar, Bathurst und Freetown sind die Stationen entlang der Atlantikküsten, doch im April 1942 läuft er auf ein Riff, sein Schiff sinkt und er rettet sich nach Freetown, wo er bis März 1943 bleiben muß. Auf der Rückreise nach England wird der Frachter versenkt, auf dem er sich befindet, ein Kreuzer rettet die Schiffbrüchigen. Bald darauf ist er in England und muß als Arbeitspflichtiger bis Kriegsende Lastwagen fahren. Im Juli 1945 kauft er sich erneut ein Schiff, die „Speranza“, segelt die vertraute Route bis Casablanca und überquert den Ozean in der Rekordzeit von 58 Tagen, landet am 29. Juli 1946 in New London. Bis 1950 bleibt er in Amerika, unternimmt dort und in Deutschland mehrere Vortragsreisen. Meiss-Teuffen scheint ein richtiges Sprachgenie zu sein. Neben Deutsch, Schwyzerdütsch und Französisch, den Schweizer Landessprachen, spricht er auch englisch, liest lateinische Bücher, kann sich passabel mit erkennbarem Akzent auf Arabisch unterhalten, lernt etwas Hebräisch und in Rhodesien Chinyjanja, die Sprache der Einheimischen.

  1. „Ziel im Wind.“ (a. d. Engl.) Ullstein. Wien 1951 (2 Auflagen), 360 S., 8° und ebd. 1954 (gekürzte Ausg.), 191 S., 8°
  2. „Postlagernd USA.“ Ullstein. Wien. 1956, 350 S., 8° (=Abenteuer des Lebens)

Antoni-Ferdinand Ossendowski

* 27.5.1876 in Witebsk (Polen), sein Vater Martin war Arzt, seine Mutter hieß Wiktoria Bortkiewicz. Die uradlige polnische Familie stammte ursprünglich aus Ossendowice. Er besuchte das Gymnasium, ging dann an die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Petersburg und erwarb dort ausgezeichnete Kenntnisse der Kohlengruben und Goldfundstellen Sibiriens. Frühzeitig war er gezwungen, sich das Studium selbst zu finanzieren. Zahlreiche Forschungsreisen führten ihn nach Sibiren und in die Mongolei. Im russisch-japanischen Krieg war er Dezernent für Brennstoffversorgung der russischen Armee. Später wurde er als Professor für organische Chemie an das Polytechnikum des Instituts Petersburg gerufen, außerdem war er im Beirat der Regierung. 1905 wurde er in die russische Revolution hineingerissen, am 15.1.1906 verhaftet und zum Tode verurteilt, später jedoch zu einer zweijährigen Haftstraße begnadigt. Obwohl parteilos, geriet er immer wieder in politische Auseinandersetzungen. Verheiratet war er mit Zofia Iwanowska, einer Violin-Virtuosin. Er war Mitglied zahlreicher geographischer Gesellschaften, des PEN-Clubs und des Touring-Clubs. 1935 wohnte er in Warschau (Zgoda 8).

  • (1.) Flammendes Afrika. Quer durch Marokko. (Übertr. a. d. Engl. v. C. H. Pollog) G. Reissner. Dresden. 1926. 334 S., 8°, 40 Bildtfll. (2 Ausg.)
  • (2.) Unter dem Gluthauch der Wüste. Quer durch Algerien und Tunis. (Übertr. a. d. Engl. v. O. Marbach) G. Reissner. Dresden. 1927. 324 S., 8°, 40 Bildtfll. (3 Ausg.)
  • (3.) Tiere, Menschen und Götter. W. v. Dewall (Hrsg.) Frankfurter Societätsdruckerei. Ff./M. 1924. 369 S., 8°. (3 Ausg.)
  • (4.) In den Dschungeln der Wälder und Menschen. Man and mystery in Asia. W. v. Dewall (Hrsg.) Frankfurter Societätsdruckerei. Ff./M. 1924. 399 S. (2 Ausg.)
  • (5.) Japanische Erzählungen. (A. d. Poln.) Eurasia. Wien. 1924. 217 S., kl. 8°.
  • (6.) Im Land der Bären. (A. d. Poln.) Stuffer. Baden-Baden. 1938. 86 S., 8°. Zeichn. v. O. Starke. (2 Ausg.)
  • (7.) Lenin. Ein biographischer Roman. Sieben Stäbe. Berlin. 1930. 437 S. 8°
  • (8.) Die Löwin. Ein marokkanischer Roman. Reissner. Dresden. 1929. 312 S., 8°. (2 Ausg.)
  • (9.) Hinter Chinas Mauer. Roman. Reissner. Dresden. 1929. 312 S., 8°. (2 Ausg.)
  • (10.) Schatten des dunklen Ostens. Ein Stück Sittengeschichte des russischen Volkes. Eurasia. Wien. 1924. 168 S., 8°
  • (11.) Schattenbilder aus dem neuen Rußland. Phaidon. Wien. 1928. 255 S., kl. 8°
  • (12.) Sklaven der Sonne. Eine Forschungsexpedition ins dunkelste Afrika. Reissner. Dresden. 1928. 467 S., 8°, 24 Abb.
  • (13.) Tagebuch e. Schimpansin. Phaidon. Wien. 1929. 234 S.
  • (14.) Im sibirischen Zuchthaus. From President to Prison. W. v. Dewall (Hrsg.) Frankfurter Societätsdruckerei. Ff./M. 1925. 427 S., 8°.

Ossendowski veröffentlichte etwa 60 Bände, von denen hier nur die in Deutschland erschienenen aufgeführt sind. Über den Wahrheitsgehalt seiner sibirischen Erlebnisse wurde intensiv debattiert:

  1. Thomas Neuhaus: Tibet in the Western Imagination. Palgrave Macmillan, Basingstoke 2012, 126 ff.
  2. Wolfgang Nastali: Ursein, Urlicht, Urwort: die Überlieferung der religiösen „Urquelle“ nach Joseph Schneiderfranken Bô Yin Râ. Lit, Münster 1999, S. 71 Anm. 84
  3. Sven Anders Hedin: Ossendowski und die Wahrheit. F.A. Brockhaus, Leipzig 1925.
  4. Um Ferdinand Ossendowski: Ferdinand-Antoni Ossendowski. Zur Authentizität, Prüfer und Zeugen, Nachwort. Frankfurter Societätsdruckerei, Frankfurt 1925.

Herbert Paidar

Bergsteiger, vermutlich aus Bayern. Unternahm seinen ersten und einzigen Fluchtversuch im April 1945 aus dem Lager Dehra-Dun bei Mussorie in Nord-Indien. Außerhalb des Lagers traf er sich mit Ludwig Schmaderer und versuchte zusammen mit ihm Tibet auf dem gleichen Weg zu erreichen, den im Vorjahr Aufschnaiter und Harrer gingen. Eines Tages war Schmaderer allein zum nächsten Dorf unterwegs, um ein Schaf zu kaufen. Dabei wurde er von vier Tibetern überfallen, totgeprügelt und in den Fluß geworfen. In der dritten Auflage von „Zwischen Kantsch und Tibet“ widmet Paidar ihm einen Nachruf. Paidar kehrte daraufhin zurück ins Lager. Er soll später in den österreichischen Bergen umgekommen sein. [110]

  1. Zwischen Kantsch und Tibet. Erstbesteigung des Tent-Peak, 7363 m. Bildertagebuch einer neuen Sikkim-Kundfahrt 1939 der `Drei im Himalaja´. von Ernst Grob, Ludwig Schmaderer, Herbert Paidar. Bruckmann. München. 1940, 123 S., Abb., 1 Karte, 4°. (3. A. 1950, gr. 8°, 143 S.)
  2. Drei im Himalaja. Die Erlebnisse einer Himalajafahrt. Bruckmann 1938, 97 S., 63 Tfll., 2 Panoramen, 3 Karten, 8°.

Erich Robert Petersen

* 24.9.1886 in Hamburg, + 31.8.1950 in Eckernförde. Schriftsteller. Autor von Jugendschriften und Reiseberichten, Hauptschriftleiter der „Eckernförder Zeitung“.

  • (1.) Büffelkoppel am Dume. Als Bauer und Jäger in Kamerun. Thienemann. Stuttgart. 1939. 87 S., 8° (20. Tsd. Ex.)
  • (2.) Durch Busch und Blockade. Kriegsfahrten Kameruner Schutztruppler. Thienemann. Stuttgt. 1933. 108 S., 8°(30.Tsd.)
  • (3.) Hans Dominik. Kameruns großer Soldat. Safari. Berlin. 1941. 180 S., 8°
  • (4.) Gummi aus Kamerun. Safari. Berlin. 1939. 236 S., 8°
  • (5.) Die Gummisucher. Aus dem Leben eines Kameruner Pflanzers. Safari. Berlin. 1928. 236 S., 8° (2 Aufl., 2 Ausg.)
  • (6.) Die weißen Häuser am Gummibusch. Fahrten u. Taten im deutsch. Kamerun. Schneider. Bln. 1936. 206 S., 8° (15 Tsd. )
  • (7.) Im Herzen Kameruns. Auf Busch- und Kriegspfaden durch Kamerun. Schneider. Berlin. 1939. 90 S., 8° (8. Tsd. Ex.)
  • (8.) Kämpfer auf Schanzen und Schiffen. Schneider. Berlin. 1937. 157 S., 8°
  • (9.) Ondua, der Soldatenjunge. Aufwärts. Bln. 1941. 39 S., 8°
  • (10.) Trommeln rufen durch Kamerun. Aufwärts. Berlin. 1934. 83 S., 8° (49 Tsd. Ex.)

Gunther Plüschow

* 8.2.1886 in München, + 28.1.1931 in Feuerland. Plüschow wuchs in Rom auf, trat später dem Kadettenkorps in Plön und Groß-Lichtenfelde bei, war 1904 Seekadett der kaiserlichen Marine und wurde dann Marineflieger in Tsingtau (China). Er erhielt verschiedene Orden, darunter das Eiserne Kreuz Erster und Zweiter Klasse und den Hohenzollern-Orden. 1919, nach der Auflösung der kaiserlichen Marine, nahm er seinen Abschied. Seine erste Reise nach dem Krieg unternahm er mit einem eigenen kleinen Segelkutter von Büsum über Brasilien nach Feuerland, an Bord hatte er sein Flugzeug, den Silberkondor.Eine weitere Reise unternahm er mit dem Hamburger Viermaster „Parma“. Er war Mitglied des Kaiserlichen Jachtklubs, des Aero-Klubs von Deutschland, des Berliner Automobil-Clubs und des Schnauferl-Clubs. Zuletzt wohnte er in Berlin (Heilbronner Straße 3). Seinen Tod fand er bei einem Absturz an der Mündung des Rico-Flusses in Feuerland.

  1. Silberkondor über Feuerland. Ullstein. Berlin 1929
  2. Segelfahrt ins Wunderland. Ullstein. Berlin 1935
  3. Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau. Meine Erlebnisse in drei Erdteilen. Ullstein. Berlin. 1916. 189p, 8°
  4. Isot Plüschow, „Gunther Plüschow. Deutscher Seemann und Flieger.“ 1933
  5. Carl Gustav Paul Henze: Plüschow über Tsingtau. Der erste deutsche Flieger im Fernen Osten. Tatsachenbericht nach persönlichen Unterredungen mit Kap. Lt. Plüschow / Carl G. P. Henze. [Zeichngn: Fritz Weber]. Berlin 1941: Steiniger 31 S.

Herbert Pritzke

Pritzke ist Arzt, Berliner und seit 1944 zum Rommel-Korps beordert. Bei Kriegsende wird er gefangengenommen und unternimmt etwa im April 1946 seinen ersten Fluchtversuch mit zwei Kameraden. Man ergreift ihn wieder, und er wird in das berüchtigte Lager 307 bei Fanara in der Suezkanal-Zone verlegt. Er simuliert eine Krankheit, kommt ins Hospital nach Fayed und flieht von dort erfolgreich, etwa im Oktober 1946. Etwa ein Jahr lebt er dann bei ägyptischen Beduinen und geht Ende 1947 nach Kairo und verpflichtet sich als Söldner bei der Muslim-Bruderschaft für den Palästina-Krieg. Ende April 1948 flieht er von Jaffa nach Beirut, übernimmt bis September 1952 die Leitung eines Krankenhauses im saudi-arabischen Hofuf, läßt sich dann in Beirut als Kinderarzt nieder und legt im November 1952 das libanesische Staatsexamen ab. In deutschen Verzeichnissen findet sich keine Dissertation von ihm (GV). Vielleicht hat er wegen des Krieges sein Studium nicht abgeschlossen? Erstmals seit 1944 besucht er Berlin, trifft seine Eltern und seinen bei den Eltern lebenden, fast zehnjährigen Sohn Wolf-Dietrich. Er fühlt sich aber dort nicht wohl und trifft auf vielerlei Schwierigkeiten, so daß er mit seinem Sohn im Dezember 1952 wieder nach Beirut geht.

  1. Nach Hause kommst du nie … Ullstein, Wien, 1956. 12,5×20,5cm, OLn, 325p. (3 Aufl. bis 1957).
  2. Médecin du désert. Paris : Éd. de la Pensée moderne, 1967

Wolfgang Gans Edler Herr zu Putlitz

*1889 in Laaska/Brandenburg. Studierte Landwirtschaft und Volkswirtschaft in Berlin und promovierte dort 1924. Danach Attaché in Posen und Washington (1928), 1934 an der Botschaft in Paris und Leiter der Konsularabteilung in London, 1938 an der deutschen Gesandtschaft in Holland. Im Oktober 1938 floh er von Holland nach England, dann nach Jamaica und in die USA. Von Januar 1944 bis April 1945 war er Mitarbeiter am „Soldatensender West“ in England.

  1. Unterwegs nach Deutschland. Erinnerungen eines ehemaligen Diplomaten. Nation. Bln. 1960. 13×20,5cm, OLn, 378p

Slavomir Rawitsch (Rawicz)

*ca. 1915. Er diente als Leutnant in der polnischen Kavallerie, seine Mutter war Russin, sein Vater Besitzer eines Gutes in Pinsk. 1937 wurde er zur Armee einberufen, gerade als er sein Diplom als Architekt und Bauinspektor an der Technischen Hochschule in Warschau vorbereitete. Nach zwölf Monaten in der Infanterieschule in Brest-Litowsk schloß er auch sein Examen ab und wurde 1939 im Zuge einer inoffiziellen Mobilmachung einberufen. Seine Frau Vera heiratete er am 5.7.1939. Er wurde am 19.11.1939 in Pinsk von den Russen gefangengenommen und verbrachte etwa ein Jahr in den russischen Gefängnissen von Minsk und Charbow sowie in der Lubjanka in Moskau. Verurteilung durch den NKWD zu 25 Jahren Arbeitslager, Überführung ins Lager 303 etwa 350 Kilometer südlich von Irkutsk. Ausbruch etwa am 13.4.1941 zusammen mit Sigmund Makowski, Zaharius Marchinkowas, Anton Paluchowitsch, Eugen Zavo, Anastasi Kolomenos und Mr. Smith. Sie flohen Richtung Lena, weiter zum Baikalsee, zur Mongolischen Grenze, durch die Wüste Gobi nach Indien.

  1. Flucht durch Steppe und Wüste. Büchergilde Gutenberg. Frankfurt/M. (Übetragung a. d. Engl. von Toni Lips) 1958. 299p. OLn. 8°. (EA 1956 bei Scheffler)

Philip Rosenthal

* 23.9.1911. Als Kind aus Deutschland nach England emigriert, besuchte das College in Oxford. Mutter lebte in Frankreich, der Vater in Bozen. Ging 1939 zur Fremdenlegion, entkam ihr 1941 während des Aufenthalts in Marokko. Lebte im Untergrund und in Lagern. Konnte 1942 nach Gibraltar entkommen. Er wurde später bekannt als Unternehmer (Porzellanfabrik Rosenthal), da er seine Arbeiter an seinem Unternehmen beteiligte. War eine Zeit lang Bundestagsabgeordneter für die SPD. (1.) Einmal Legionär. Mit einem Nachwort: Was ich in der Legion gelernt habe. A. Knaus, Hamburg, 1980.8°, OLn, 287p

Colin Ross

* 4.6.1885 in Wien, + 29.4.1946 in Urfeld/Bad Tölz. Colins Vater war der Zivilingenieur Friedrich, seine Mutter hieß Charlotte Christensen. Väterlicherseits stammte er von den berühmten Südpolforschern James und John Ross ab. Er studierte an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg Maschinenbau und Hüttenkunde, dann in München und Heidelberg Nationalökonomie bei Brentano und Weber, schließlich Geschichte bei Oncken und promovierte zum Dr. phil. in Heidelberg. Als Redakteur arbeitete er am „Illustrierten Technischen Wörterbuch in 6 Sprachen“ mit und war Herausgeber der „Hüttenkunde“. Dann ging er zum Ingenieurbüro von Oskar von Miller (Gründer des Deutschen Museums) in München. Nach Ausbruch des Balkankrieges 1912 gab er seine technischen Tätigkeiten auf und wurde Kriegsberichterstatter, anschließend übernahm er die Leitung der Redaktion von „Zeit im Bild“ (München). 1914 nahm er als Kriegsberichterstatter an den mexikanischen Revolutionskämpfen teil. Im Ersten Weltkrieg diente er als Offizier, schrieb aber nebenher Kriegsberichte von der Front. Er erhielt das Eiserne Kreuz Erster und Zweiter Klasse. Nach seiner Verwundung 1916 wurde er zur Obersten Heeresleitung versetzt. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg unternahm er lange Reisen, um „die Strukturveränderung des Weltbildes zu studieren“. Fünf mehrjährige Weltreisen unternahm er, meist im Auto, von 1918 bis 1930. Verheiratet war er mit Lisa Peter, Tochter eines Bankdirektors, und hatte zwei Kinder, Renate (*1915) und Ralph (*1923). Mitglied im PEN-Club. Im April 1945 beging er Selbstmord - vielleicht im Zusammenhang mit der Kapitulation Deutschlands?

  • (1.) Unser Amerika. Der deutsche Anteil an den Vereinigten Staaten. Brockhaus. Leipzig. 1936. 317 S., 8° (4 Aufl.)
  • (2.) Das neue Asien. Brockhaus. Lpz. 1940. 287 S., 8° (7 Aufl.)
  • (3.) Auf deutschem Boden um die Erde. Erinnerungen eines Weltreisenden. Schaffstein. Köln. 1934. 79 S., 8°
  • (4.) Südamerikanisches Auswanderer-ABC. Praktische Winke u. Ratschläge. Ausland u. Heimat. Stuttgart. 1921. 40 S., gr. 8°
  • (5.) Der Balkan Amerikas. Mit Kind und Kegel durch Mexiko zum Panamakanal. Brockhaus. Lpz. 1937. 274 S., 8° (10 Aufl.)
  • (6.) Im Balkankrieg. Singer. Strassburg. 1918. 125 S.
  • (7.) Fahrten- und Abenteuerbuch. Büchergilde Gutenberg. Berlin. 1925. 236 S., gr. 8°
  • (8.) Haha Whenua - das Land, das ich gesucht. Mit Kind und Kegel durch die Südsee. Brockhaus. Leipzig. 1933. 289 S., 8°, 68 Abb. (10 Aufl.)
  • (9.) Die westliche Hemisphäre als Programm und Phantom des amerikanischen Imperialismus. Brockhaus. Leipzig. 1942. 230 S., 8° (2 Aufl.)
  • (10.) Heute in Indien. Brockhaus. Leipzig. 1925. 330 S., 8°, 80 Abb., 1 Karte. (6 Aufl., 2 Ausg.)
  • (11.) Vier Jahre am Feind. Meine Erlebnisse im Feld. Brockhaus. Leipzig. 1938. 285 S., 8°
  • (12.) Umstrittenes Indien. Hobbing. Bln. 1931. 94 S., 74 Abb.
  • (13.) Der unvollendete Kontinent. Brockhaus. Leipzig. 1930. 282 S., 9° (12 Aufl.)
  • (14.) Das Kreuz im Kreis und das Hakenkreuz. Offener Brief a. d. Gründer der American Progressive Party, Gouverneur Philip La Follette von Wisconsin. Eher. Berlin. 1938. 11 S., gr. 8°
  • (15.) Das Meer der Entscheidungten. Beiderseits des Pazifik. Brockhaus. Leipzig. 1925. 333 S., 8°, 97 Abb., 7 Kt. (7 Aufl.)
  • (16.) Mit dem Kurbelkasten um die Welt. Wolfsohn. Berlin. 1925. 45 S., 8° (2 Ausg.)
  • (17.) Mit Kamera, Kind und Kegel durch Afrika. Brockhaus. Leipzig. 1928. 176 S. 8°, 32 Abb. (25 Aufl.)
  • (18.) Mit Kind und Kegel in die Arktis. Brockhaus. Leipzig. 1934. 218 S., 8°, 50 Abb. (10 Aufl.)
  • (19.) Amerikas Schicksalsstunde. Die Vereinigten Staaten zwischen Diktatur und Demokratie. 1935. 315 S., 8°, 74 Abb., 1 Karte. (12 Aufl.)
  • (20.) Die erwachende Sphinx. Durch Afrika vom Kap nach Kairo. Brockhaus. Leipzig. 1927. 310 S., 8°, 112 Abb., 13 Karten (11 Aufl.)
  • (21.) USA. Oberkommando der Wehrmacht. 1943. 30 S., 8°
  • (22.) Zwischen USA und Pol. Durch Kanada, Neufundland, Labrador und die Arktis. Brockhaus. Leipzig. 1934. 310 S., 8°, 71 Abb., 1 Karte. (9 Aufl.)
  • (23.) Südamerika, die aufsteigende Welt. Brockhaus. Leipzig. 1922. 319 S., 8° 54 Abb., 2 Karten (8 Aufl.)
  • (24.) Der Weg nach Osten. Reise durch Rußland, Ukraine, Transkaukasien, Persien, Buchara und Turkestan. Brockhaus. Leipzig. 1924. 320 S., 8° 50 Abb., Karte (2 Aufl.)
  • (25.) Die Welt auf der Waage. Der Querschnitt von 20 Jahren Weltreise. Brockhaus. Leipzig. 1929. 188 S., 8° (34 Aufl.)
  • (26.) Der Wille der Welt. Eine Reise zu sich selbst. Brockhaus. Leipzig. 1932. 220 S., 8° (8 Aufl.)
  • (27.) Wir draußen. 2 Jahre Kriegserleben an vier Fronten. Ullstein. Berlin. 1916. 454 S., 8°

Friedel Sattler

War wohl Mittelstürmer im Lager Dehra-Dun und scheint von Hause aus Handwerker zu sein, vielleicht Schreiner, vielleicht auch Innenarchitekt. Im April 1945 wurde Sattler zusammen mit allen, die bisher einen Ausbruchsversuch unternommen hatten, strafverlegt in das Lager Deoli etwa neunzig Kilometer entfernt von Kotta. Alle Vergünstigungen, die es in Dehra-Dun gegeben hatte, fielen hier weg. Eines Tages war eine Handwerks- und Kunstausstellung geplant, zu der der Maharadscha von Bundi erwartet wurde. Sattler erstellte zusammen mit dem Maler Joe König und dem italienischen Architekten Lelio Moschetti im Modell die prunkvolle Einrichtung eines Palastes für einen indischen Fürsten. Tatsächlich war der Maharadscha sehr davon angetan und beauftragte die drei mit den innenarchitektonischen Arbeiten in seinem Palast. Diese erstreckten sich bis zum Ende der Internierung im Dezember 1945, dem Ende einer siebenjährigen Gefangenschaft.

  1. Flucht durch den Himalaja und Erlebtes beim Maharadscha von Bundi. Vlg. Das Bergland-Buch, Salzburg 1956. 15×21,5 cm, OLn, 196p, 17 SW-Abb. a. 16 Tfll.

Ludwig Schmaderer

Bergsteiger, vermutlich aus Bayern und wahrscheinlich Bäcker. Kolb beschreibt ihn: „Der mit den langen Armen [Schmaderer] erfand übrigens den Lager-Klettersport, dem freilich außer ihm und mir kaum noch jemand huldigte.“ [111]War ebenfalls in Dehra-Dun interniert und entfloh erstmals 1943, wurde jedoch bereits drei Wochen später von der Polizei gefaßt. Im April 1945, als alle Ausreißer, er und 20 Kameraden, strafverlegt werden sollten, floh er am hellichten Tag und in Gegenwart der völlig überraschten Soldaten. Einige Tage später traf er sich mit Herbert Paidar, der inzwischen ebenfalls entflohen war, und sie marschierten den Weg nach Tibet, den auch die Gruppe um Harrer und Aufschnaiter genommen hatten. Eines Tages war Schmaderer im Spitital allein zum nächsten Dorf unterwegs, um ein Schaf zu kaufen. Dabei wurde er von vier Tibetern überfallen, totgeprügelt und in den Fluß geworfen. In der dritten Auflage von „Zwischen Kantsch und Tibet“ widmet ihm Paidar einen Nachruf.

  1. Zwischen Kantsch und Tibet. Erstbesteigung des Tent-Peak, 7363 m. Bildertagebuch einer neuen Sikkim-Kundfahrt 1939 der `Drei im Himalaja´. Von Ernst Grob, Ludwig Schmaderer, Herbert Paidar. Bruckmann. München. 1940, 123 S., Abb., 1 Karte, 4°. (3. A. 1950, gr. 8°, 143 S.)
  2. Drei im Himalaja. Die Erlebnisse einer Himalajafahrt. Bruckmann 1938, 97 S., 63 Tfll., 2 Panoramen, 3 Karten, 8°.

Bruno Treipel

Keine Buchveröffentlichungen

7 Verweise

Anmerkungen

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1)
Sattler, Flucht durch den Himalaja … , 9-10
2) , 3)
Sattler, Flucht durch den Himalaja … , 12
4)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 5
5) , 7)
Magener, Die Chance war Null, 8
6) , 17)
Sattler, Flucht durch den Himalaja …, 12
8)
Magener, Die Chance war Null, 12
9)
Calenberg war Missionar in den Dschungelgebieten gewesen und galt als bester Fußballer des Lagers. Aufschnaiter und Calenberg verließen verkleidet als indische Arbeiter, am 24.6.1943 das Lager. Nach mehr als 17 Tagen wurden sie in der Nähe der Ortschaft Jhala von mehreren Männern umringt und verhaftet. (Brauen, Peter Aufschnaiter …, 23)
10)
Magener, Die Chance war Null, 11
11)
Magener, Die Chance war Null, 6
12)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 134
13)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 95
14)
Aufschnaiter erinnerte sich: „Die Engländer merkten dies zwar und führten Kontrollen durch, doch waren sie - wie bei allen solchen Dingen - niemals hart.“ (Brauen, Peter Aufschnaiter …, 24)
15)
Als „Parole“ wurde eine unterzeichnete Selbstverpflichtung bezeichnet, in der man auf einen Fluchtversuch während eines offiziellen „Lagerurlaubs“ verzichtete.
16)
Entsprechend der Genfer Konvention drohten jedem Flüchtling nach seiner Ergreifung 28 Tage Einzelhaft. Dieses Risiko ging man ein. Mischte man beim Stuhlgang etwas Tamarindensaft unter, kam man schnell ins Hospital und lag den Rest der Strafe dort ab.
18)
Magener, Die Chance war Null, 19
19)
Kaliumpermanganat, ein kristalliner Feststoff, der sich in Wasser violett löst und die Haut bei Kontakt schon in geringen Mengen für einige Tage tiefbraun färbt.
20)
Sattler, Flucht durch den Himalaja …, 18
21)
Sattler, Flucht durch den Himalaja …, 27
22)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 102
23)
Sattler, Flucht durch den Himalaja …, 28
24)
Sattler, Flucht durch den Himalaja …, 42
25)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 110
26)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 113
27)
Harrer, Sieben Jahre in Tibet, 19
28)
Für vier Pfund Zwiebeln zahlen sie fast zwanzig Mark.
29)
Harrer, Sieben Jahre in Tibet, 23
30)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 56
31)
Eine Begründung für dieses scheinbar widersprüchliche Verhalten findet sich bei der Tibet-Reisenden Alexandra David-Néel: „Die Leute in Tibet sind von Natur aus freundlich und immer bereit, dem Wanderer den Weg zu zeigen; es gilt obendrein auch als verdienstvoll, weil man sich dafür auf Erden und im Jenseits Belohnung verspricht. Reisende irrezuführen hält man dagegen für sehr böse. Das „Bewußtsein“ würde, wenn ein Mensch dieses Unrecht begangen hätte, nach dem Tode und nach der Trennung vom Körper qualvoll im „Bardo“ umherirren und vergebens den Weg zu neuer Wiedergeburt suchen.“ [Mein Weg durch Himmel und Höllen, S. 124]
32)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 57
33)
Ein von Bayer 1932 entwickelter und früher gegen Malaria verwendeter Farbstoff.
34)
Kaliumpermanganat ist in Kristallen erhältlich und kann in verdünnter Lösung zum Desinfizieren verwendet werden. Schon geringste Mengen färben intensiv violett.
35)
Das erste Sulfonamid, ebenfalls von Bayer 1932 hergestellt und antibakteriell wirksam. Als Farbstoff bewirkt es eine gelbrote Haut- und eine dunkelrote Harnfärbung.
36)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 67f
37)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 141
38)
Harrer, Sieben Jahre in Tibet, 22
39)
Kopp, Sechsmal über den Himalaya, 117
40) , 41)
Brauen, Peter Aufschnaiter. Sein Leben in Tibet, 41
42)
Magener, Die Chance war Null, 59
43)
Magener, Die Chance war Null, 73f.
44)
Magener, Die Chance war Null, 135
45)
Heye, Die Wildnis ruft, S. 151
46)
Heye, Steppe im Strum, 8
47)
Heye, Steppe im Sturm, 17 f.
48)
Heye, Steppe im Sturm, 159
49)
Heye, Ewige Wanderschaft, 14
50)
Schweizer Ausdruck für Gewähr bieten, dauerhaft, echt.
51)
Heye, Ewige Wanderschaft, 14 f.
52)
Heye, Ewige Wanderschaft, 15
53)
Heye, Ewige Wanderschaft, 16
54)
Beulenpest
55)
Heye, Ewige Wanderschaft, 17 f.
56)
August Hauer: Kumbuke. Berlin 1943 7.A.
57)
Hauer, Kumbuke, 311
58)
Hagenbeck, Fünfundzwanzig Jahre Ceylon, 207
59)
Hagenbeck, Fünundzwanzig Jahre Ceylon, 221 f.
60)
Ausführlich schilderte Hagenbeck diese Zeit in dem Buch „John Hagenbecks abenteuerliche Flucht aus Ceylon“. Fünfzehn Jahre später (1929) kehrte er nach Ceylon zurück, baute sich erneut eine Existenz auf. 1939, bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gelang es ihm nicht mehr, auf Schleichwegen Asien zu verlassen. Siebzigjährig wurde er interniert und starb im Internierungslager. [J. Hagenbeck, Die Schnur der sieben Knoten]
61)
Richarz, S.8: „…seit 29 Monaten in Guyacan festlagen…“, vermutlich seit etwa Juli 1914.
62)
Später werden noch erwähnt: Hans Jakob und der Steiermärker Zugführer Jandl.
63)
Hentig, Ins verschlossene Land, 32
64)
Auf Seite 56 wird der 23. Juli genannt. Das kann jedoch nicht sein, da sie vier Wochen später, am 22. Juli, die afghanische Grenze überschreiten (S. 72). Vermutlich handelt es sich um einen Übertragungsfehler.
65)
Hentig, Ins verschlossene Land, 147 f.
66)
Hentig, Ins verschlossene Land, 166
67)
Hentig, Ins verschlossene Land, 187 f
68)
Hentig, Ins verschlossene Land, 191
69)
Hentig, Ins verschlossene Land, 160 f.
70)
Pritzke, Nach Hause kommst du nie …, 12
71)
Pritzke, Nach Hause kommst du nie …, 16
72)
Pritzke, Nach Hause kommst du nie …, 139
73)
Pritzke, Nach Hause kommst du nie …, 325
74)
Kolb, Einzelgänger im Himalaja, 67
75)
Kolb, Einzelgänger im Himalaja, 71
76) , 77)
Medem, Blick in die weite Welt, 288
78)
Harbin, etwa 2,5 Millionen Einwohner, liegt im Nordosten Chinas; der Name bedeutet „Platz zum Trocknen der Fischernetze“. Seit dem Bau einer Eisenbahnlinie 1896 als Teil der transsibirischen Eisenbahn, entwickelte sich Harbin zu einer Industriestadt mit westlichem Flair.
79)
Medem, Blick in die weite Welt, 298
80)
Rosenthal, Einmal Legionär, 18
81)
Rosenthal, Einmal Legionär, 65
82)
Aram, Nach Sibirien …, 220
83)
Rawitsch, 41
84)
Balaklawa-Mützen bedecken den ganzen Kopf, oft auch noch den Hals, und haben lediglich Löcher für Augen und Mund.
85)
Dieses System wurde von den Russen „Chakkalo-bakkalo“ genannt.
86)
Rawitsch, 119
87)
Rawitsch, 132
88)
Rawitsch, 143
89)
In Rawitschs Bericht irritieren viele Angaben: Weshalb durchqueren sie die Gobi in ihrer größten Ausdehnung, statt sich nach China zu wenden? Ihr erstes Ziel, Afghanistan, streben sie einige Zeit später nicht mehr an. Warum? Stattdessen wollen sie nach Lhasa. Das meiden sie dann aber auch, angeblich, weil sie Angst vor den Behörden hätten. Wieso? Schlimmstenfalls wären sie nach Nepal ausgewiesen worden und wären dort ebenso wie in Indien auf Engländer gestoßen. Das wollten sie doch, oder? Wieso besorgen sie sich nicht einige Wassersäcke aus Ziegenleder? Unglaublich scheint es, daß man sechs (oder gar dreizehn) Tage bei großer Hitze ohne Wasser überleben kann und gleichzeitig getrockneten Fisch ißt. Wer hungert zwei Wochen, bevor er die Idee hat, Schlangen zu essen? Häufige Klischees gipfeln in der Begegnung mit zwei Yetis im Himalaya, die als 2,20 Meter große Wesen beschrieben werden. Ernsthafte Schwierigkeiten in der Gruppe werden nicht beschrieben. 18 Monate lang gelingt es ihnen nie, ihren Ort genau zu bestimmen, Rawitsch betont, er könne sich um mehrere hundert Kilometer irren. Zuletzt trafen sie vor der Wüste Gobi einen russisch sprechenden Mongolen, danach war bis Indien keine Verständigung mehr möglich und die fremdartigen Ortsbezeichnungen konnten sie nicht behalten. In den tibetischen Dörfern treffen sie immer auf gastfreundliche Menschen und genießen jede Unterstützung. Alle anderen Fluchtberichte aus Tibet weisen gerade auf mangelnde Unterstützungsbereitschaft der tibetischen Bevölkerung hin. Mag sein, daß Rawitsch aus einem sibirischen Lager geflohen ist, dieser Teil ist noch sehr plausibel. Doch der Rest? Auch Peter Hopkirk berichtet in „Der Griff nach Lhasa“ über ernsthafte Zweifel an Rawitschs Bericht, der 1956, zehn Jahre nach den Ereignissen erschien (The Long Walk). Der Zentralasienexperte Peter Fleming äußerte im Spectator erhebliche Zweifel, während Kritiker es als ein „Meisterwerk der Reiseliteratur“ lobten. Rawitsch, der seit jener Zeit in England, bei Nottingham, lebte, widersprach: „Wir waren halbverhungerte Flüchtlinge … Ich erinnere mich nicht, über welche Straßen und Berge wir gekommen sind - wir wußten ja ihre Namen nicht, hatten keine Karten und besaßen auch keinerlei Vorkenntnisse.“ (Hopkirk, S. 273)
90)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 14
91)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 16
92)
Das muß sich später geändert haben. Auf den Photos ist er überdurchschnittlich groß und eher hager.
93)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 19
94)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 22
95)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 29
96)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 41, 43
97)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 48
98)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 92
99)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 158
100)
Eine Ketsch ist ein Segelboot mit zwei Masten.
101)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 183
102)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 274
103)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 279
104)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 295
105)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 306
106)
Meiss-Teuffen, Ziel im Wind, 331
107)
Plüschow, Die Abenteuer des Fliegers …, 112
108)
Plüschow, Die Abenteuer des Fliegers …, 143
109)
Plüschow, Die Abenteuer des Fliegers …, 160
110)
Da Plüschow nur ein Ruder besitzt, bewegte er das Boot am Heck stehend, den Riemen hin und her bewegend: wricken oder wriggen genannt.
111)
Killinger, Foto nach S. 20
112)
Killinger, Karte S. 59
113)
Killinger, Flucht um die Erde, 77
114)
Killinger, Flucht um die Erde, 99 f.
115)
Killinger, Flucht um die Erde, 101
116)
Heute Shenyang
117)
Heute „Harbin“
118)
Killinger, Flucht um die Erde, 133
119)
Killinger, Flucht um die Erde, 185
120)
Killinger, Flucht um die Erde, 186
121)
Magener, Die Chance war Null, 51
122)
Sogar die Besatzung des kleinen Kreuzers Schleswig-Holstein, das die ersten Schüsse des Zweiten Weltkriegs im Danziger Hafen abgab, glaubte bis zuletzt, daß die Kriegsvorbereitungen übertriebene Vorsichtsmaßnahmen seien.
123)
Rosenthal, Einmal Legionär, 263
124)
Andrzej Szczypiorski erklärt die Entstehung des Lagerkonzeptes: „Man kann sagen, das Lager sei als Folge der Dummheit entstanden. Der Mensch ist von Natur aus schwach und fürchtet sich darum vor der Wirklichkeit. Je geringer sein Wissen um die ihn umgebende Welt, desto größere Ängste hat er. Angst erzeugt Aggression. Was ich nicht kenne, ist mir fremd. Das Fremde ist für mich feindlich, bedrohlich und erfüllt mich mit Furcht. Ich müßte also das Fremde von meiner Welt isolieren, es aus meiner Welt eliminieren. Das Lager ist ein guter Ort, um in ihm meine Ängste einzuschließen. … Das Lager habe ich mit Stacheldraht umgeben, Wachen aufgestellt, meine Welt ist gereinigt von fremden Elementen. Ich atme erleichtert auf, weil ich die Sphäre meiner Ängste begrenzt habe.“ (in: „Das Ende aller Zivilisation“)
125)
Wie die Lagersysteme der Sowjetunion bis in die 80er Jahre hinein aussahen, wo sie lagen und was dort geschah, ist ausführlich nachzulesen in A. Shifrin: Reiseführer durch Gefängnisse und Konzentrationslager in der Sowjetunion
126)
Magener, Die Chance war Null, 51f.
127)
Fruhmann, Im Frack um die Welt, 46
128)
Ross, Umkämpftes Afrika.
129)
E. Kästner (Zeltbuch von Tumilad) beschreibt ausführlich die Wege, um Jahre im Lager geistig gesund zu überstehen. Das „Dasein im Leeren“ wurde für ihn erträglich, nachdem „die Unruhe erlosch, die einen sonst dazu antreibt, den Ort zu wechseln … Dagegen entwickelte sich ein anderer Sinn. Er befähigte einen, zu sein, wo man wollte.“
130)
Rawitsch, 44 f.
wiki/flucht.txt · Zuletzt geändert: 2024/07/25 08:06 von 52.230.152.246

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